Die Gesetzeshüter: Milde Richter in eigener Sache
30 suspendierte Polizeibeamte und ein unabsehbares Ausmaß. Der Staat muss sich selbst schützen, bevor er versucht, die Bevölkerung zu schützen.
(Symbolbild) (Others)

An einem sonnigen Septembertag verkündet NRW-Innenminister Herbert Reul eine düstere Nachricht: 30 Polizeibeamte stehen unter dem Verdacht der jahrelangen Verbreitung von rechtsextremen Inhalten in Chatgruppen. Beim Polizeipräsidium Essen sind 25 Beamte betroffen. Reul spricht von einer „Schande für die Polizei“. Doch der Vorfall ist nicht nur eine Schande für die Polizei, sondern ein klares Staatsversagen. Die Warnsignale sind bekannt, werden aber oft ignoriert.

„In eigener Sache ist man immer der mildeste Richter“.

Ein portugiesisches Sprichwort lautet „In eigener Sache ist man immer der mildeste Richter“. Das Sprichwort passt zu der aktuellen Situation. Viel zu oft durften die Menschen in diesem Land ihren Kopf schütteln, als sie erfuhren, wie gewalttätige, rassistische und sexistische Polizeibeamte mit kleinen Nadelstichen davonkamen.

Erst kürzlich wurde ein 15-jähriger Junge mitten in Hamburg von acht Polizisten unverhältnismäßig und unbegründet niedergerungen. Die Aufnahmen erinnerten an schreckliche Szenen aus den USA. Vor allem, wenn man vor Augen hält, dass es keinerlei Konsequenzen für die Hamburger Beamten gab.

Die Szenen aus den USA sollten eine Lehre für die ganze Welt sein: Die Polizei als wichtigste Staatsgewalt, beauftragt für die Sicherheit der Bevölkerung, darf nicht nach unverhältnismäßiger Gewalt gegen die eigene Bevölkerung oder nach verfassungsfeindlichen Aktivitäten mild sanktioniert werden. Sie muss die Härte des Staates zu spüren bekommen und darf nicht mit einer Sonderweste geschützt werden.

Bei derartigen Fällen darf es keine milden Richter und keine milden Urteile geben. Denn sonst entsteht ein Staat, in der Verfassung, Gesetze, Normen und ethische Werte ihre Wirkungskraft verlieren.

Wo bleibt der Schutz der Verfassung?

Rechtsextremismus innerhalb der Polizei ist kein Neuland. Da sind wir uns alle einig. Deswegen konnte man in manchen Gesichtern der Menschen als Reaktion auf diese „neuen“ Ereignisse den „Ist doch nichts Neues-Blick“ sehen. Es fühlt sich wie eine banale Nachricht an, wenn man erfährt, dass es irgendwelche neonazistischen Netzwerke und Gruppen innerhalb der Polizei oder Bundeswehr gibt. Es ist jedoch eine hochgiftige „Normalität“, die bewusst aus politischem Kalkül heraus ignoriert, verzerrt und vertuscht wird.

Was die Vertuschung angeht, kann man schon mit der Thematik rundum den NSU ganze Romane schreiben. Das Image einer Partei und Regierung und das damit verbundene Streben nach Machterhalt überschattet die Wahrheit. Die Wahrheit lautet: Innerhalb der Polizei befinden sich Rechtsextremisten!

Normalerweise würde an dieser Stelle ein statistischer Beleg stehen, aber das wird konsequent von Herrn Seehofer verhindert, da das Ausmaß so einer Forschung unabsehbar ist. Zu glauben, dass das Innenministerium sich vollständig um diese Missstände kümmert, bzw. das Ausmaß veröffentlich, wäre naiv. Zu viel steht auf dem Spiel.

Es gibt drei Gewalten in diesem Land, die sich in ihrer Macht kontrollieren. Die Gewaltenteilung dient in der Demokratie zum Schutz vor Machtmissbrauch. Insbesondere mit Bezug auf die aktuelle Lage können wir uns doch ruhig fragen, wo die Judikative als rechtsprechende Macht bleibt. Sie steht mit dem Bundesverfassungsgericht an oberster Stelle. Sie ist die Gewalt, die unter anderem zum Schutz der Verfassung da ist. Jedoch ist Ihre Passivität in dieser aktuellen Stunde enttäuschend. Das Innenministerium würde bestimmt nicht von sich aus eine tiefgreifende Untersuchung in die Wege leiten und sich damit ins eigene Knie schießen.

Eines ist klar: Die Bekämpfung des Rechtsextremismus mit Rechtsextremisten ist nicht möglich. Es ist so, als würde der rauchende Vater seinem Kind erzählen, dass Rauchen ungesund ist und er es unterlassen soll. Es ist ein Paradoxon. Genauso denken viele Menschen, die Opfer rassistischer Übergriffe durch die Polizei geworden sind. Weder ein Innenminister noch ein ganz normaler Bürger können sehen, wie und was ein Polizist denkt. Das macht die aktuelle Situation selbstverständlich schwer. Jedoch befindet sich das Vertrauen gegenüber der Polizei in einer Abwärtsspirale. Vergessen werden dürfen aber nicht die ehrlichen Polizeibeamten, die gute Arbeit leisten und uns jeden Tag schützen.

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