Ungarns erster Roma-Sender „on air“
„Über die Roma, aber nicht nur für die Roma!“ - mit diesem Werbespot will der erste ungarischen Roma-Sender Dikh TV die Kultur der Randgruppe einem größeren Publikum nahebringen.
Erster ungarischer Roma-Sender Dikh TV  (AFP)

Knallige Farben, strahlende Moderatoren und der selbstbewusste Slogan „Über die Roma, aber nicht nur für die Roma!“ - das ist der Werbespot des ersten ungarischen Roma-Senders Dikh TV („Schau zu“ auf Romani). Er will die Kultur der Randgruppe einem größeren Publikum nahebringen und damit tief verwurzelte Vorurteile gegen die Roma widerlegen. Bei fast zehn Millionen Einwohnern bilden die Roma mit siebeneinhalb Prozent die größte Minderheit des EU-Mitgliedsstaates. Doch mehr als 80 Prozent der Roma leben nach EU-Statistiken in Armut, und Experten zufolge leiden viele unter Diskriminierung wie ihrer zunehmenden Aussonderung im ungarischen Schulsystem. Der auf YouTube 2015 gestartete Sender Dikh TV könnte eine der seltenen Erfolgsgeschichten darstellen. Seit September ist seine Mischung aus leichter Unterhaltung und Jugendprogrammen für Millionen Haushalte im ungarischen Kabelnetz verfügbar. Und dank des rumänischen Medienmagnaten und Investors Radu Morar soll der Sender im April in ein modernes Studio umziehen. Geplant sind auch neue Programme, darunter eine Live-Frühstücksshow. Inzwischen hat Dikh TV etwa 20 Mitarbeiter, hauptsächlich Roma. „Wir haben als Amateure angefangen, werden aber immer professioneller“, sagt die 26-jährige Moderatorin Fruzsina. „Unser Ziel ist eine intellektuelle Roma-Generation.“

Glückwünsche von Nicht-Roma-Zuschauern Der 48-jährige Gründer des Senders, Elek Balogh, wuchs mit acht Geschwistern in einer Roma-Siedlung in Nagyecsed nahe der rumänischen Grenze auf. Sein Interesse an den Medien kam auf, als sein Vater ihm eine Kamera schenkte. Bald langweilten ihn die öffentlichen Medien, die nur ein wöchentliches Roma-Kulturmagazin am frühen Morgen sendeten. „Die Mainstream-Medien zeigen uns nur in einem schlechten Licht“, sagt Balogh. „Alles Positive wird ignoriert.“ Mit geliehener Ausrüstung startete der Autodidakt zunächst online mit einem Wunschkonzert und einer Talkshow. Seinen Durchbruch hatte er mit einem Musikclip, der Millionen Zuschauer begeisterte. Danach schrieb und inszenierte Balogh eine düstere Seifenoper über eine überschuldete Roma-Familie - eine vielen Ungarn allzu vertraute Situation. „Sie hatte Charaktere, mit denen man sich identifizierten konnte, hier haben wir eine Menge Glückwunschschreiben von Nicht-Roma-Zuschauern erhalten“, erzählt Balogh.

Ungarn: Spannungen zwischen Roma und Nicht-Roma Nach Ansicht von Bernard Rorke vom Europäischen Zentrum für die Rechte der Roma in Budapest liegt die Bedeutung von Dikh TV darin „eine differenzierte, von Roma gesendete Sicht der Roma zu präsentieren“. Sein Erfolg hänge jedoch unter anderem davon ab, „dass die Stimmen der Minderheiten in Ungarn gehört und beachtet werden“. In letzter Zeit wurden die Spannungen zwischen Roma und Nicht-Roma durch Regierungschef Viktor Orban erneut angeheizt. Ein Gerichtsurteil, das den Roma finanzielle Entschädigung in einem Fall von Aussonderung von Roma im Schulsystem zusprach, bezeichnete Orban als „zutiefst ungerecht“. Menschenrechtler und Roma-Vertreter kritisierten Orbans Kommentar scharf. „Wir sind die Sündenböcke, selbst wenn ein Gericht uns verteidigt“, klagt auch Balogh. Gleichzeitig betont er, Dikh TV halte sich aus der Politik bewusst heraus. Einige Werbeplakate für den Kabelstart des Senders wurden dennoch mit rassistischen Graffiti beschmiert, und Balogh erhält nach eigenen Angaben wöchentlich „beleidigende Telefonanrufe“. 2019 bezeichnete ein ultranationalistischer Politiker die „Finanzierung aus dem Ausland“ als Bedrohung der nationalen Sicherheit. Investor Morar weist solche Vorwürfe zurück und betont, Dikh TV fülle eine Marktlücke: „Ich finde die Reaktion der Ungarn generell fantastisch. Sie lieben das Kochprogramm mit Roma-Rezepten.“ Auch Balogh ist stolz auf den Erfolg: „In Nagyecsed schauen alle Zigeuner zu“, sagt er. „Das ist ein wunderbares Gefühl.“

AFP