Die militärische Luftfahrtindustrie in Deutschland ist durch die jüngsten Entscheidungen der Bundesregierung und internationale Entwicklungen in eine tiefe Krise geraten. / Photo: DPA (dpa)
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Die militärische Luftfahrtindustrie in Deutschland ist durch die jüngsten Entscheidungen der Bundesregierung und internationale Entwicklungen in eine tiefe Krise geraten. Die Großaufträge für die Luftwaffe gingen etwa durch den Kauf von F-35-Kampfjets an Rüstungsfirmen aus den USA. Der europäische Rüstungskonzern Airbus Defence and Space konnte vom Sondervermögen der Bundeswehr bisher nicht profitieren.

Vor diesem Hintergrund fand am vergangenen Mittwoch eine große Kundgebung von rund 3000 Beschäftigten im Airbus-Werk Manching statt. Betriebsräte und die Airbus-Geschäftsführung fordern von der Bundesregierung die zügige Bestellung weiterer Eurofighter. Die Protestaktion in Manching ist Teil einer seit Wochen anhaltenden Unruhe in der deutschen Rüstungsindustrie und wird auch von der Gewerkschaft IG Metall unterstützt.

Großaufträge an US-Konzerne in der Kritik

Die IG Metall, vertreten durch den Zweiten Vorsitzenden Jürgen Kerner, kritisierte bei einem Aktionstag bei Airbus in Taufkirchen bei München die deutsche Rüstungspolitik. Die Gewerkschaft warnt vor einem drohenden Absturz der militärischen Luftfahrtindustrie in Deutschland durch den Kauf von Kampfflugzeugen und Hubschraubern aus den USA.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) vor einem Tarnkappenflugzeug vom Typ F-35. (DPA)

Zwar hat die Bundesregierung ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Modernisierung der Bundeswehr bereitgestellt, davon 40 Milliarden für die Luftwaffe. Ein erheblicher Teil dieses Geldes geht jedoch an Lockheed Martin. 35 Kampfflugzeuge vom Typ F-35 hat Deutschland beim US-Konzern bereits bestellt. Dies sei eine ernste Bedrohung für deutsche Arbeitsplätze, warnte Kerner. Die IG Metall fordert stattdessen die Weiterentwicklung des Eurofighters und des Kampfhubschraubers Tiger.

IG Metall und BDLI fordern Aufträge zur Standortsicherung

Die Forderungen der IG Metall werden von der deutschen Luftfahrtindustrie unterstützt, wie der Branchenverband BDLI unterstrich. Es drohe der Verlust von Arbeitsplätzen, Steuereinnahmen und Spitzentechnologie, wenn die Bundesregierung nicht schnell eine fünfte Tranche des Eurofighters in Auftrag gebe, warnte BDLI-Präsident Michael Schöllhorn.

Die Airbus-Beschäftigten in Manching schlossen sich dem Unmut an und forderten bei einer Kundgebung rasche Entscheidungen. Der Gesamtbetriebsratschef der Airbus-Rüstungssparte, Thomas Pretzl, warnte, ohne klare Vorgaben aus Berlin drohe bereits ab 2030 der Abbau von Arbeitsplätzen.

Türkiye an Eurofightern interessiert

Die Forderungen nach mehr Eurofighter-Bestellungen werden auch international wahrgenommen. Türkiye interessiert sich für den Kauf von 40 Eurofightern und hat bereits die Zustimmung Großbritanniens und Spaniens erhalten, die Entscheidung Deutschlands steht noch aus. Ein deutsches Ja gilt aber wegen der restriktiven Rüstungsexportpolitik als unwahrscheinlich.

Während die Entscheidung der Bundesregierung über das Interesse des NATO-Partners Türkiye noch aussteht, hat die Golfmonarchie Kuwait im Oktober vier weitere Eurofighter erhalten und verfügt damit nun über 13 Maschinen. Auch die Luftwaffe von Katar erhielt im Oktober zwölf Eurofighter. Saudi-Arabien besitzt 72 der Kampfflugzeuge und will weitere erwerben.

Partnerländer könnten Deutschland aus Eurofighter-Programm drängen

Berichten zufolge drängen die anderen europäischen Produktionspartner die Bundesregierung dazu, ihre Exportpolitik zu überdenken. Wie das „Handelsblatt“ im Oktober berichtete, dürfen die Partnernationen gemäß einer Absichtserklärung aus dem Jahr 1986 „den Verkauf oder die Genehmigung des Verkaufs von Produkten oder Systemen des Programms an Dritte“ nicht verbieten.

Demnach können Partner, im Falle einer Verweigerung der Exportgenehmigung, benötigte Teile, die bisher aus dem Verweigerungsland kamen, selbst produzieren. Der Verweigerer könnte so aus der Eurofighter-Produktion gedrängt werden. Dies wäre ein herber Rückschlag für die deutsche Rüstungsindustrie.

Warnung vor deutscher Isolation in Europa

Die Krise in der deutschen Luftfahrtindustrie zeigt auch die Notwendigkeit einer klaren Exportrichtlinie innerhalb der EU auf. Airbus-Manager Schöllhorn mahnte an, dass Deutschland Gefahr laufe, sich zu isolieren, was die Zusammenarbeit in europäischen Gemeinschaftsprojekten erschweren könnte.

Insgesamt stehen laut Experten Arbeitsplätze, Technologie und die Zukunft der deutschen Luftfahrtindustrie auf dem Spiel. Sie fordern von der Bundesregierung klare Entscheidungen und den Schutz der industriellen Basis, um nicht nur die nationalen Interessen, sondern auch die europäische Sicherheit zu gewährleisten.

TRT Deutsch