Die Chemiebranche in Deutschland schlägt Alarm: Die hohen Energiepreise in der Bundesrepublik gefährden die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunft der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) fordert mehr Unterstützung von der Politik und einen Industriestrompreis, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die EU-Kommission hat unterdessen milliardenschwere staatliche Entlastungen für deutsche Unternehmen genehmigt, die unter dem nationalen CO2-Preis leiden.
Verbandschef: „Es ist drei Minuten vor zwölf“
„Es ist drei Minuten vor zwölf, weil die energieintensiven Unternehmen in Deutschland schlichtweg nicht mehr wettbewerbsfähig sind“, sagte der VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup den Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Freitagsausgaben). Der Grund seien die hohen Energiepreise, die für die Branche das belastendste Thema seien. „Wir brauchen deshalb jetzt kurzfristige Unterstützung“, forderte der Verbandschef.
Um ein Abwandern der Unternehmen zu verhindern, führt für ihn kein Weg am Industriestrompreis vorbei. Dieser sei „ein Must-Have für die energieintensive Industrie und damit für den Standort Deutschland“.
Auch den hohen Bürokratieaufwand für Unternehmen sieht er als schädlich: „Regulierungen müssen durchdacht sein, um die Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden. Stattdessen setzt Brüssel auf einen europäischen Green Deal mit 14.000 Seiten Vorschriften.“ Es fehle bei vielen Regulatoren in Brüssel einfach das Verständnis dafür, was für industrielle Prozesse notwendig sei.
EU genehmigt Hilfe von 6,5 Milliarden Euro
Die EU-Kommission genehmigte am Donnerstag derweil staatliche Entlastungen für deutsche Unternehmen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich um einen Ausgleich für Firmen wegen des nationalen CO2-Preises im Verkehrs- und Wärmebereich. So sollen Unternehmen im internationalen Wettbewerb nicht benachteiligt und eine Verlagerung von Produktion ins Ausland verhindert werden. Die Höhe der Kompensation betrage zwischen 65 Prozent und 95 Prozent der Kosten.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) begrüßte die Beihilfeentscheidung. „Das ist ein wichtiges Signal aus Brüssel für die Unternehmen, die im harten internationalen Wettbewerb stehen und zugleich in Klimaschutz investieren.“ Die Ausgleichszahlungen würden den förderfähigen Unternehmen in Form einer teilweisen Erstattung der im Vorjahr entstandenen zusätzlichen Kosten gewährt. Im Gegenzug müssten begünstigte Unternehmen ökologische Gegenleistungen erbringen - etwa Investitionen zur Verbesserung der Energieeffizienz.
Die Bundesregierung hatte erst am Mittwoch beschlossen, dass der CO2-Preis im Verkehrs- und Wärmebereich im kommenden Jahr stärker steigen soll als bisher geplant. Er soll zum 1. Januar auf 40 Euro pro Tonne angehoben werden, bisher waren 35 Euro geplant. Derzeit liegt er bei 30 Euro. Das Geld soll unter anderem in die energetische Gebäudesanierung und die Dekarbonisierung der Industrie fließen.