Grüne Politik wird in ganz Europa abgelehnt / Photo: DPA (dpa)
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Schwere Hitzewellen, Unwetter mit Überschwemmungen und tagelange Waldbrände in verschiedenen Ländern Europas machen in diesem Sommer Schlagzeilen. Und dennoch wächst vielerorts der Widerstand gegen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und zum Schutz der Umwelt. Im Folgenden Beispiele aus einigen Ländern, in denen der Gegenwind am stärksten zu sein scheint.

ITALIEN: Italiens rechte Regierung, die Ende vorigen Jahres ins Amt kam, wehrt sich gegen eine Reihe von Initiativen der Europäischen Union zur Ökologisierung der Wirtschaft. Ihr Argument: Die Wirtschaft könne sich die zuvor vereinbarten Umstellungsziele nicht leisten. Angriffspunkte der Regierung in Rom sind mehrere Vorhaben. So verlangt Italien von der EU, eine Richtlinie zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden zu verwässern, Pläne zur schrittweisen Abschaffung von Autos mit Verbrennungsmotoren zu überarbeiten und eine Initiative zur Senkung der Industrie-Emissionen infrage zu stellen. Dabei liegt Italien nach Angaben des Energieministeriums vom vergangenen Monat ohnehin schon hinter dem Zeitplan zurück, um die von der EU für 2030 gesetzten Dekarbonisierungsziele zu erreichen.

Gleichzeitig setzt die Regierung andere Aspekte der grünen Agenda fort, wenn es darum geht, EU-Gelder in Milliardenhöhe zu erhalten. Anfang dieses Monats erklärte sie beispielsweise, dass sie EU-Mittel für ein Investitionsprogramm im Wert von rund 19 Milliarden Euro verwenden wolle, um die Strom- und Gasnetze zu stärken und die Wirtschaft umweltfreundlicher zu machen. Dies sei Teil ihrer Bemühungen, die Pläne für die Verwendung von EU-Mitteln aus dem post-Corona-Wiederaufbaufonds zu überarbeiten.

GROSSBRITANNIEN: Seine Position als globaler Vorreiter in Sachen Klimaschutz hat das Land verloren. Und es unternimmt nicht genug, um sein Netto-Null-Ziel zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen, so die Klimaberater des Landes im Juni. Auch die Ankündigung neuer Projekte im vorigen Jahr zur Nutzung fossiler Brennstoffe hätten dem Ruf Großbritanniens geschadet, heißt es in einem jährlichen Fortschrittsbericht des Ausschusses für Klimawandel (CCC). Eine von der Regierung beauftragte Studie ergab, dass Unternehmen über Schwächen des Investitionsumfelds klagten - und zählten dazu eine inkonsistente Politik.

Fortschritte im Bereich der Onshore- und Offshore-Windkraft wurden durch Regeländerungen behindert, was einige Entwickler zu der Warnung veranlasste, dass sie ohne bessere Anreize kaum in Großbritannien investieren würden. Premierminister Rishi Sunak warnte im vorigen Monat vor einer Klimapolitik, die den Menschen „unnötigerweise mehr Ärger und mehr Kosten beschert“. Das war wenige Tage, nachdem seine angeschlagenen Konservativen unerwartet eine Kommunalwahl gewonnen hatten: Vor der Wahl hatten sie sich gegen Gebühren für die umweltschädlichsten Fahrzeuge ausgesprochen. Der die Kritik an seiner Umweltpolitik entgegnete Sunak, Großbritannien schneide bei der Reduzierung der CO2-Emissionen besser ab als andere große Länder.

NIEDERLANDE: In dem Nachbarland Deutschlands hat die Partei BBB oder BoerBurgerBeweging (Bauern-Bürger-Bewegung) einen kometenhaften Aufstieg auf den zweiten Platz in den Umfragen erlebt. Sie wurde erst 2019 aus dem Prostest gegen Pläne der Regierung gegründet, den Stickstoffeintrag in die Umwelt durch landwirtschaftliche Betriebe drastisch zu reduzieren. Auf der Protestwelle gegen die Umweltpolitik schlug sie bei den Regionalwahlen im März unerwartet die konservative Partei VVD.

Die jüngste wöchentliche Umfrage des Marktforschungs-Instituts Ipsos vor den Parlamentswahlen im November sieht die BBB mit fast 15 Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz. Sie liegt nur drei Prozentpunkte hinter der VVD, die zum ersten Mal seit über zehn Jahren ohne Premierminister Mark Rutte antritt. Sollte die BBB bei den Parlamentswahlen deutlich zulegen, könnte sie die niederländische Stickstoffpolitik auf Kollisionskurs mit der EU bringen, die Maßnahmen zur Reduzierung unterstützt hat.

POLEN: Die polnische Regierung, die bei der Umweltpolitik im eigenen Land lange Zeit konservativ war und im Oktober vor Wahlen steht, ist einen Schritt weitergegangen und hat die EU verklagt. Bislang hat sie nach eigenen Angaben beim Europäischen Gerichtshof mehrere Klagen eingereicht - gegen das EU-Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor im Jahr 2035, gegen die Erhöhung des Emissionsreduktionsziels der EU, gegen die Reduzierung der kostenlosen CO2-Zertifikate und gegen eine Einmischung in die nationale Forstwirtschaft. Unter dem Druck der Bergbaugewerkschaften hat Polen zudem einen Plan zur Verringerung seiner Abhängigkeit von der Kohle verschoben, indem es den Status seiner bevorstehenden Aktualisierung der Energiepolitik auf eine bloße „Konsultation“ herabgestuft hat.

DEUTSCHLAND: In Deutschland hat der Streit über das geplante Gesetz zum Umstieg auf klimafreundliche Heizungen über Monate hohe Wellen geschlagen. Dabei spielten Sorgen eine große Rolle, dass die Umstellung von Öl- oder Gasheizungen etwa auf Wärmepumpen vorangetrieben werde und viele Haushalte überfordere. Nach langem Ringen vereinbarte die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP Änderungen, die mit längeren Übergangsfristen etwas Tempo aus dem Gesetzentwurf nahmen.

Der Streit hat dazu beigetragen, dass die rechte Alternative für Deutschland (AfD) in bundesweiten Umfragen auf den zweiten Platz vorgerückt ist und in ostdeutschen Ländern wie Thüringen und Brandenburg weit vor allen anderen Parteien liegt. Die AfD sieht im Menschen keine Ursache für Klimawandel und bestreitet damit wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Energie- und Klimapolitik kritisiert die AfD als Bedrohung für den Wohlstand. Sie lehnt Windenergie ab und ist für Kohle- und Atomkraftwerke.

Reuters