Marcus Rashford, Sadio Mané, Jude Bellingham, Rabbi Matondo und sogar Handball-Bundestrainer Alfred Gislason haben sie bereits erlebt: rassistische Angriffe in den sozialen Medien. Aufgrund einer Häufung entsprechender Äußerungen boykottieren der walisische Zweitligist Swansea City sowie der schottische Fußball-Meister Glasgow Rangers bereits seit Donnerstag alle Social-Media-Plattformen. Die Aktion soll vorerst für die Dauer einer Woche aufrechterhalten werden.
Thierry Henry zog sich unlängst sogar komplett aus den sozialen Medien zurück. Der ehemalige Weltklasse-Fußballprofi aus Frankreich verwies in einem Interview mit dem britischen Sender BBC auf „das schier unvorstellbare Ausmaß von Rassismus und Schikane“, das sich auf den Plattformen zeige. Es sei einfach zu leicht, sich hinter „Fake-Accounts“ zu verstecken.
Instagram und Facebook duldeten keinerlei Diskriminierung, betonte eine Sprecherin von Facebook Deutschland gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Deshalb bekämpfen wir missbräuchliches Verhalten auf unseren Plattformen und wollen die Menschen, die solche Inhalte teilen, zur Verantwortung ziehen.“ Dazu kooperiere der Konzern auch mit Strafverfolgungsbehörden, wenn ein „ordnungsgemäßes Auskunftsersuchen“ vorliege. Vielen Betroffenen reicht das jedoch nicht.
„Es muss sich etwas ändern“
Laut Facebooks aktuellem „Community Standards Enforcement Report“ ist zwischen Oktober und Dezember vergangenen Jahres weltweit gegen 6,6 Millionen Inhalte mit Hassrede auf Instagram vorgegangen worden. Rund 95 Prozent der Inhalte habe man gefunden, bevor sie überhaupt gemeldet werden konnten. Dies sei ein deutlicher Anstieg sowohl bei den verbotenen Inhalten als auch bei den entdeckten Fällen, teilte Facebook mit. Zum Vergleich: Im ersten Quartal 2020 habe man 578.000 Hass-Inhalte auf Instagram beseitigt, von denen nur rund 43 Prozent vor ihrer Meldung gefunden werden hätten können. Instagram gehört seit 2012 zu Facebook.
Thierry Henrys Rückzug aus den sozialen Medien stieß auch auf Zuspruch vonseiten des walisischen Nationalspielers Gareth Bale. Dessen Nationalteamkollege Rabbi Matondo ist eines der jüngsten Opfer verbaler Übergriffe. Nach einer heftigen Kampagne, die Ende März gegen ihn geführt wurde, warf der 20-jährige Stürmer von Stoke City Instagram vor, „absolut nichts“ gegen rassistische Kommentare zu tun. Wenig später löschte Facebook die mit den Pöbeleien verbundenen Instagram-Accounts.
Vor allem in Großbritannien regt sich Widerstand gegen die Zunahme von Hass in den sozialen Medien, wie die jüngsten Boykottaktionen von Swansea City und den Glasgow Rangers zeigen. Nach rassistischen Attacken auf Dortmund-Profi Jude Bellingham Ende März solidarisierte sich neben dem BVB auch der englische Fußballverband (FA) mit dem erst 17 Jahre alten Nationalspieler. Man sei „angewidert“ von den diskriminierenden Schmähungen, die gegen ihn gerichtet worden seien, twitterte die FA: „Es muss sich etwas ändern.“
„Plattformen weiterhin ruhiges Hinterland für Übergriffe“
Zuletzt forderten führende britische Fußballfunktionäre von Facebook, Instagram und Twitter einen stärkeren Einsatz gegen Rassismus. In einem Schreiben an die Vorstandsvorsitzenden Mark Zuckerberg (Facebook) und Jack Dorsey (Twitter) warfen sie diesen Untätigkeit vor. „Wir haben im Laufe der Jahre viele Treffen mit Ihren Führungskräften gehabt, aber die Realität ist, dass Ihre Plattformen weiterhin ruhiges Hinterland für Übergriffe sind“, schrieb die Gruppe um Premier-League-Boss Mark Bullingham. „Ihre Untätigkeit hat den Glauben der anonymen Täter geweckt, dass sie unbehelligt bleiben würden.“
Nach eigenen Angaben ergreift Facebook seit Kurzem „noch härtere Maßnahmen gegen Personen, die wiederholt missbräuchliche Direktnachrichten senden“. Dazu zählten unter anderem neue Privatsphäre- und Sicherheitsfunktionen sowie Kommentarfilter.
Im Vorjahr hatte die Plattform eine groß angelegte Aktion zur Verbannung zehntausender Accounts und unzähliger Gruppen durchgeführt, die im Verdacht standen, zu Gewalt aufzurufen oder diese zu billigen. Unter anderem löschte Facebook in großem Stil Konten, die mit den „Boogaloo Bois“ oder dem Verschwörungsideologen-Netzwerk „QAnon“ in Verbindung standen.
Auch sieht der Konzern die Schuld an zunehmender Verrohung nicht allein bei sich: „Uns ist außerdem bewusst, dass diese Probleme über unsere Plattformen hinausgehen und wir arbeiten mit der Branche und der Regierung zusammen, um einen gesellschaftlichen Wandel durch Maßnahmen und Aufklärung voranzutreiben“, teilte die Facebook-Sprecherin mit.
Auf die von Spielern und Betroffenen erhobene Forderung, sich nur noch mit Klarnamen und Identitätsnachweis registrieren zu können, reagierte das Unternehmen zurückhaltend. Der Vorschlag, Ausweise zu verlangen, berge Risiken: Einerseits würden Millionen Menschen ausgeschlossen, die keinen einfachen Zugang zu offiziellen Ausweisen hätten. Andererseits seien Datenbanken mit Ausweisinformationen Sicherheitsrisiken ausgesetzt, heißt es von Facebook.