07.04.2022, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (r-l, SPD) verfolgt die Debatte neben Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, im Plenum im Bundestag. (dpa)
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Nach der Corona-Pandemie 2020 und 2021 hatte man in Deutschland mit einem Wiederaufschwung der Wirtschaft gerechnet. Die Pandemie führte dazu, dass sich die Konsumlust in der breiten Bevölkerung für das Jahr 2022 aufstaute. Der Krieg in der Ukraine seit Ende Februar hat jedoch nicht nur die Pläne des durchschnittlichen Bürgers, sondern mehrerer deutscher Unternehmen durchkreuzt. Für das 2. Halbjahr und das kommende Jahr 2023 ist aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Rezession zu rechnen. Die Frage ist nur, in welchem Ausmaß sie die Entwicklung der deutschen Wirtschaft beeinflussen wird. Politiker und vor allem die Ampel-Koalition versuchen eine Antwort auf diese Krise zu finden. Durch die russische Teilmobilisierung wird es auf jeden Fall nicht einfacher, eine Lösung zu finden, denn der Krieg wird sich aller Voraussicht nach weiter in die Länge ziehen.

Deutsche Wirtschaft stagniert

Viele Wirtschaftsexperten sind sich einig: Die deutsche Wirtschaft wird auch dieses Jahr nur minimal wachsen. Die Prognosen belaufen sich derzeit auf 1,0 bis 1,6 Prozent. 2021 hatte das Bruttoinlandprodukt (BIP) noch um 2,6 Prozent zugenommen, dies jedoch im Vergleich zum Corona-Jahr 2020, weswegen dieser Zuwachs als sehr niedrig einzustufen ist. Deswegen sind die jetzigen Prognosen für 2022 umso besorgniserregender, da sogar mit einem Rückgang in der Wirtschaftsentwicklung für das Jahr 2023 gerechnet wird.

Die Schwere der Rezession hänge vor allem an der Gaslieferung ab: Der Chefökonom der Commerzbank, Jörg Krämer,sagt in einem Gespräch mit der Neue Zürcher Zeitung, „aufgrund einer Mangellage zur Rationierung von Gas“ im Winter und im Frühjahr nächsten Jahres werde es zu einer schweren Rezession kommen. Zum derzeitigen Stand rechnet Krämer nicht nur für die kommenden Quartale mit einem minimalen Rückgang, sondern auch für das Gesamtjahr 2023 prognostiziert er, dass die Wirtschaft um 0,5 Prozent schrumpfen könnte.

Neben führenden Vertretern der Commerzbank rechnen auch andere Repräsentanten einflussreicher Banken und Institute mit einem Wirtschaftsrückgang. So prognostiziert das Ifo-Institut München für das nächste Jahr einen Rückgang des realen BIP um 0,3 Prozent. Die Deutsche Bank stellt mit einer Schrumpfung von 3,5 Prozent eine deutlich pessimistischere Prognose auf. Mit diesem Wert kann man regelrecht von einem Wirtschaftseinbruch sprechen. Die Prognosen und inwiefern sie sich voneinander unterscheiden zeigen jedenfalls, dass sich selbst führende Experten unsicher sind, inwiefern sich die Wirtschaft in naher Zukunft entwickeln wird.

Energie als Hauptursache

Ein Grund für diese miserable Wirtschaftsleistung ist klar: Energie. Der Konjunkturchef des IfW, Stefan Kooth,kommentiert die Rolle von Energie hinsichtlich der kommenden Rezession wie folgt: „Die teuren Energieimporte bedeuten, dass Deutschland nun einen weitaus größeren Teil seines erwirtschafteten Einkommens ins Ausland überweisen muss als bis dato. Deutschland wird dadurch insgesamt ärmer.“ Die Energiepreise würden damit die Inflation in die Höhe treiben und somit auch die Kaufkraft der Bevölkerung um 3 Prozent senken. Dies wäre der höchste Wert seit der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung im Jahr 1970.

Für die kommenden Monate und das Jahr 2023 wird zudem mit einer Inflation von 9 bis 10 Prozent gerechnet, wodurch auch der Konsum des durchschnittlichen Bürgers eingeschränkt wird. Mit Hinblick auf die Weltwirtschaft spielen auch ausländische Faktoren, neben dem Krieg in der Ukraine, eine wichtige Rolle. Die Steigerung der Zinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) belasten Unternehmen wie auch Konsumenten, da sie dadurch wahrscheinlich Konsum respektive Investition reduzieren werden. Die chinesische Corona-Politik führt zudem dazu, dass Lieferketten eingeschränkt werden und somit Importpreise teurer werden lassen. All diese Faktoren erschweren es nicht nur der deutschen Wirtschaft, sondern auch der Politik, eine kurz- bis mittelfristige Lösung zu finden.

Wie reagiert die Regierung?

Die Ampel-Koalition sucht händeringend nach Alternativlösungen, um die Krisenflut irgendwie zu stoppen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat mit seiner Reise nach Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten höchstwahrscheinlich vor, sich auf Energieimporte wie Gas und Wasserstoff aus dieser Region zu einigen. Schon vor Monaten war Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach Katar gereist, um über Energielieferungen nach Deutschland zu verhandeln. Bei einer Einigung mit den Ländern aus dieser Region würde die deutsche Regierung auf jeden Fall ihrem Ziel näher kommen, die schrumpfende Entwicklung in der deutschen Wirtschaft zumindest zu dämpfen. Doch inwiefern würden diese Entscheidungen angesichts der Prinzipien der jetzigen Regierung Sinn ergeben?

Nun, vor allem Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihre Partei sprechen immer wieder davon, dass Menschenrechte bei Entscheidungen in der deutschen Außenpolitik eine große Rolle spielen. Die Golfstaaten, mit denen Deutschland gerade verhandelt, sind nicht gerade dafür bekannt, dass sie sich an die Werte halten, die Deutschland immer wieder hochhält und propagiert.

Auch würde diese Entscheidung hinsichtlich des Kriegs in der Ukraine nur sehr wenig Sinn ergeben. Deutschland sanktioniert Russland aufgrund der russischen Invasion in der Ukraine. Auf der anderen Seite verhandelt die deutsche Regierung mit Saudi-Arabien, obwohl dieses Land aktuell einen Angriffskrieg gegen den Jemen führt. Aufgrund dieser Faktenlage ist die moralische Basis der Ampel-Koalition eher unglaubwürdig. Der deutschen Regierung kann diese Entscheidungsfindung zurzeit egal sein. Ihr Interesse besteht zurzeit hauptsächlich darin, dass ihr Wohlstand nicht gefährdet wird.

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