Deutscher Reisepass/ Photo: DPA (dpa)
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Die politische Stimmung war lange Zeit äußerst aufgeheizt – Befürworter und Gegner einer doppelten Staatsbürgerschaft sowie einer vereinfachten Einbürgerung gingen in verbale Angriffsstellung. Es sind zwei Themen, welche die Gemüter bewegten, aber letztendlich setzte sich am 19. Januar im Bundestag der gesunde Menschenverstand durch, nachdem die Koalitionsparteien und die Bundesregierung bereits initiativ vorgelegt hatten.

Vom Prinzip her ging es um zwei verknüpfte, aber eigentlich separat zu behandelnde Gesetzesänderungen. Eine Vereinfachung bei der Einbürgerung wäre theoretisch und praktisch auch ohne eine doppelte Staatsbürgerschaft möglich gewesen, das eine bedingt nicht automatisch das andere. Die Logik der Bundesregierung geht jedoch davon aus, dass mittels der Möglichkeit einer Doppelstaatsbürgerschaft prinzipiell eine bessere Integration möglich wird, da man zwar seine kulturellen Wurzeln inklusive Pass behält, aber zugleich alle Rechte eines deutschen Bürgers plus Pass erhält. Deshalb die Änderungen beim sogenannten Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG).

Nach Einbürgerung kann man das allgemeine Wahlrecht ausüben, hat Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit, Berufsfreiheit, Zugang zum Beamtenstatus und automatisch volle Freizügigkeit im EU-Raum. Bezüglich einer Einbürgerung wird der bisherige Zeitrahmen von acht Jahren Aufenthalt auf fünf Jahre verkürzt, in besonderen Fällen sogar auf nur drei Jahre (Mitarbeit im gesellschaftlichen Leben, Vereine, Ehrenamt und/oder sehr gute Deutschkenntnisse, mindestens auf B2-Niveau).

Meistens übersehen in der öffentlichen Debatte, aber sehr relevant: Möglichkeiten zur doppelten Staatsbürgerschaft in Deutschland gab es aber bereits vorher, und zwar in sehr wenigen und begründeten Ausnahmefällen, aber vor allem basierend auf § 25 des o.a. StAG welches besagt „(…) Der Verlust (…) tritt nicht ein, wenn ein Deutscher die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, der Schweiz oder eines Staates erwirbt, mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag (…) abgeschlossen hat.“ Dies betraf vor allem Deutsche, die immer Deutsche waren, aber z.B. die belgische Staatsbürgerschaft vom Königreich Belgien verliehen bekamen aufgrund von permanentem Aufenthalt, Familie oder Arbeit. Umgekehrt funktionierte es ebenso: Laut Statistiken waren 86.000 Menschen aus Frankreich und 77.000 Menschen aus dem Vereinigten Königreich, die im Jahre 2022 in Deutschland lebten, Doppelstaatler. Interessantes weiteres Detail: Zum Ende der Brexit-Übergangsphase am 31. Dezember 2020 verloren britische Bürger ihr EU-Recht auf automatische Doppelstaatlichkeit bei Wohnsitz in Deutschland, es sei denn, sie hatten vorher einen deutschen Pass beantragt. Umgekehrt wird es natürlich jetzt auch für sogenannte Auslandsdeutsche in Nicht-EU-Ländern einfacher – vorausgesetzt, das zweite Heimatland gestattet dem Deutschen Reziprozität.

Warum nicht schon früher?

Zyniker argumentieren, dass der Fachkräftemangel aufgrund der Tatsache, dass eine Einbürgerung bei Zuzug zur Arbeitsaufnahme fast als unmöglich galt (z.B. acht Jahre, viele weitere Bedingungen) ausschlaggebend war. Andere Kritiker behaupten, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Koalitionsvertrags extrem rechte Stimmen vom Prinzip her „Ausländer raus“ propagierten und eine ausländerfeindliche Stimmung mit dem Zweck erhöhten Stimmenfangs an der Wahlurne erreichen wollten.

Wahrscheinlicher ist aber das vorherrschende Gefühl in weiten Kreisen der Bevölkerung und beim sprichwörtlichen „Lesen zwischen den Koalitionszeilen“, dass um sich in Deutschland wohler zu fühlen und sich besser zu integrieren eine schnellere Einbürgerung und ohne Furcht, seinen bisherigen Heimatpass abgeben zu müssen, deutsche Wirklichkeit werden muss. Bundeskanzler Olaf Scholz brachte es auf den Punkt: „Wer auf Dauer hier lebt und arbeitet, der soll auch wählen und gewählt werden können, der soll Teil unseres Landes sein, mit allen Rechten und Pflichten, die dazugehören. Und zwar völlig unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, oder religiösem Bekenntnis.“

Wer wird wirklich profitieren?

Vollkommen unabhängig von unterschiedlichen Motivationen seitens unserer Politiker ist aber die Tatsache, dass ein neues Einbürgerungsgesetz durchaus als historisch bewertet werden darf. Es wird allen Bürgerinnen und Bürgern und vor allem jenen mit Nicht-EU Migrationshintergrund und vor allem bezüglich der Möglichkeit der Doppelstaatsbürgerschaft das tägliche Leben sehr viel einfacher gestalten. Man muss sich nicht mehr fragen, „gebe ich meine erste Staatsbürgerschaft ab, um Deutsche/r zu werden“, und unabhängig davon wie kompliziert es ohnehin war, eingebürgert zu werden, sondern kann sozusagen doppelt stolz sein im Sinne von stolz auf seine Wurzeln und stolz auf die neue Heimat. Dies wird zu erhöhtem Interesse an viel tieferer Integration führen und gleichzeitig zu einem stärkeren Engagement in der Gesellschaft.

Voraussagen, welche Nationalität hier am ehesten profitiert, sind selbstredend zum heutigen Zeitpunkt noch nicht möglich. 12,3 Millionen Menschen, die in Deutschland leben und/oder arbeiten, haben immer noch keinen deutschen Pass, also eine globale Herausforderung und nicht beschränkt auf nur eine Nationalität.

Der Gesetzgeber sollte aber nachbessern und zum einen klarstellen, dass gerechtfertigte Kritik an einem Staat nicht als Antisemitismus interpretiert werden darf und von daher kein Ausschlussgrund bei der Einbürgerung werden darf, und zum anderen überdenken, ob der Ausschluss vom Sozialsystem nicht ebenso falsch ist.

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