Archivbild. 05.04.2022, Brandenburg, Jänschwalde: Wasserdampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde der Lausitz Energie Bergbau AG (LEAG). (dpa)
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Für Deutschland zählt die Energiesicherheit zu den wesentlichen Eckpfeilern einer wachstumsorientierten Wirtschaft, die hierzulande nicht umsonst als Staatspolitik gilt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Donnerstag die zweite Krisenstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. Als Gründe gelten die seit Juni durch Russland gedrosselten Gaszufuhren und die enorm gestiegenen Preise am Gasmarkt. Der russische Energiekonzern Gazprom hatte seine Gaslieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 deutlich reduziert. Durch die Gaspipeline fließen zurzeit etwa 40 Prozent der Maximalkapazität. Der russische Krieg gegen die Ukraine und die daraufhin verhängten Sanktionen gegen Moskau haben die Energieabhängigkeit Europas, insbesondere Deutschlands, von russischem Erdgas deutlich werden lassen.

Gelingt die Energieunabhängigkeit von Russland?

Die Bundesregierung hat zwar konkrete Gespräche mit Vertretern anderer Staaten und Gasunternehmen geführt und Vereinbarungen getroffen, um unabhängiger von russischen Gasimporten zu werden. Aber es darf ernsthaft bezweifelt werden, dass beispielsweise Gasimporte aus Norwegen, Katar oder den USA den Gasbedarf Deutschlands decken können. 2021 bezog Deutschland etwa 55 Prozent seiner Gaslieferungen aus Russland, im April 2022 nur noch 35 Prozent. Durch Gaslieferungen aus anderen Ländern, insbesondere durch den Kauf von verflüssigtem Erdgas (LNG), will die Ampel-Koalition die Abhängigkeit von russischem Erdgas bis Jahresende auf 30 Prozent verringern.

Hat die Bundesregierung die Energiekrise nicht vorausgesehen?

Die berechtigte Frage wäre, wie es so weit kommen konnte, dass der Bundeswirtschaftsminister die zweite Stufe des Notfallplans Gas ausruft. Denn vor wenigen Tagen hatte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, in einer eindringlichen Botschaft die Reduzierung der Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 um 60 Prozent als „dramatisch“ bezeichnet und vor Lieferengpässen gewarnt, die für die deutsche Wirtschaft und die Verbraucher „schwere Folgen“ haben könnten. Es war vorhersehbar, dass Russland im Rahmen des Ukraine-Krieges die Energieabhängigkeit Europas und vor allem Deutschlands als Instrument einsetzt, um diese Länder zu schwächen oder zu Zugeständnissen zu bewegen.

Ölkrise von 1973 zeigte die Energiedependenz der Industriestaaten

Bereits die Ölkrise von 1973 hatte den Industrieländern ihre Abhängigkeit vom „schwarzen Gold“ aufgezeigt, als die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) eine Drosselung der Erdölproduktion ankündigte und infolgedessen die Preise enorm anstiegen und die Wirtschaften in eine Rezession stürzte. Spätestens seit der erwähnten Ölkrise von 1973 sollte den Regierungen klar geworden sein, dass die Energiesicherheit von strategischer Bedeutung ist und vor allem eines ist: eine Sicherheitspolitik.

Hausgemachte Probleme zur Energiesicherheit

Die Probleme in Bezug auf Energiesicherheit in Deutschland sind hausgemacht, denn die früheren Bundesregierungen haben sich durch langfristige Verträge und den Bau von Pipelines in Energieabhängigkeit von Russland begeben. Selbst wenn es Deutschland in ein paar Jahren gelingen sollte, auf russisches Erdgas gänzlich zu verzichten, müssen die Steuerzahler für die Zahlungsverpflichtungen aus den langfristigen Verträgen aufkommen.

Energiewende wurde verschlafen

Aus Bequemlichkeit und vor allem wegen der günstigen Beschaffung von fossilen Energien wie Gas und Kohle haben es die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft jahrzehntelang versäumt, die Energiewende einzuleiten. Apropos Kernenergie: Es kommt noch hinzu, dass unter der Regierung von Angela Merkel voreilig der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen wurde, obwohl schon damals klar war, dass diese Entscheidung ernsthafte Risiken wegen der Stromversorgung mit sich bringt, denn noch immer importieren deutsche Energieversorger Atomstrom aus den Nachbarländern Deutschlands. Bei der Stromversorgung lag der Anteil von Nuklearenergie in Deutschland 2021 bei 12,1 Prozent, Kohle 29 Prozent, Erdgas 15,2 Prozent und von erneuerbaren Energien 40,4 Prozent.

Kann Kohle eine Alternative zu Erdgas sein?

Die Gasspeicher in Deutschland sind im Augenblick zu 56 Prozent gefüllt, was nach Ansicht von Energieexperten für 4-6 Wochen ausreicht. Der eigentliche Plan der Bundesregierung bestand darin, die Gasspeicher im Herbst auf 80-90 Prozent zu füllen, aber dieses Vorhaben dürfte angesichts reduzierter Gaslieferungen aus Russland nicht zu bewerkstelligen sein. Wirtschaftsminister Habeck hat zum Energiesparen aufgefordert, und wegen der gedrosselten Gaslieferungen sollte mehr Kohle verfeuert werden, um damit Strom zu erzeugen. Die Grünen waren es, die den Ausstieg aus der Kohleverstromung vehement einforderten, und ausgerechnet der grüne Wirtschaftsminister fordert nun als Alternative zum Gas die Verfeuerung von Kohle. Die Kohleverstromung mag eine Möglichkeit sein, um die derzeitige Energiekrise zu verringern, aber Kohle gilt vor allem als klimaschädlichster Energieträger.

Bundesregierung ist gefordert

Deutschland hat sich durch langfristige Energielieferverträge in Abhängigkeit von Russland begeben, weil die Lieferkonditionen für die fossilen Brennstoffe günstig waren, wovon deutsche Unternehmen als Wettbewerbsvorteil profitiert haben. Aber auch Verbraucher hatten davon einen Nutzen. Durch den Russland-Ukraine-Krieg hat sich die Sicherheitsarchitektur in Europa verändert, und dies hat auch Auswirkungen auf die Energiesicherheit in Deutschland und Europa. Die Energieknappheit führt zu höheren Preisen, was für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in Deutschland ein großer Nachteil ist. Bundeskanzler Scholz und seine Regierung sind in der Pflicht, Deutschlands Energiesicherheit weiterhin zu gewährleisten, damit es hier nicht zu ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten für Unternehmen und Verbraucher kommt.

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