Fluthilfe im Ahrtal: Beamtin leitet Bundeswehrhelfer zum eigenen Haus um (AFP)
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Als im Sommer 2021 die starken Regenfälle einsetzten, konnte noch keiner ahnen, was für eine Jahrhundertkatastrophe sich in Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ereignen sollte. Das Hochwasser hatte Bäche und Flüsse über die Ufer treten lassen, sodass viele Gemeinden, insbesondere im Ahrtal, regelrecht verwüstet wurden. Autos, Bäume, ja ganze Häuser wurden mit voller Wucht von den strömenden Wassermassen mitgerissen. In Rheinland-Pfalz kamen 134 Menschen ums Leben. In Nordrhein-Westfalen gab es 48 Tote. Allein der Landkreis Ahrweiler zählte mindestens 42.000 Flut-Betroffene. Viele wurden vorher nicht einmal gewarnt. Vor allem der inzwischen in den Ruhestand versetzte Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), wurde deswegen arg kritisiert. Sein Landkreis rief als letzter den Katastrophenfall aus, obwohl er am schwersten von den Überschwemmungen betroffen war.

Seit dieser Naturkatastrophe ist nichts mehr so, wie es einmal war für die Menschen in den damaligen Hochwassergebieten. Viele, die um ihre Liebsten trauern mussten, um Nachbarn oder Freunde, kämpften sich wieder zurück in den Alltag. Auch ein Jahr nach diesem traumatisierenden Ereignis verdienen die Angehörigen, Hinterbliebenen und Helfer Anteilnahme und Unterstützung.

Viele von ihnen haben alles verloren: ihre Häuser, ihr Hab und Gut, ihre Träume und Erinnerungen. Die Bilder der Verwüstung, der Trauer, des Leids, der Hilf- und Ratlosigkeit haben die übrige Bevölkerung im Rest des Landes tief berührt. Sie haben sprachlos gemacht. Die Bilder, die letztes Jahr durch die Presse gingen, haben Menschen überall auf der Welt aufgewühlt. Auch in Türkiye, das seit Jahrhunderten ein sehr enges und inzwischen auch verwandtschaftliches Verhältnis zu Deutschland pflegt, gab es intensive Anteilnahme.

Überwältigende Spendenbereitschaft

Die Hilfsbereitschaft, die Deutschland und die von der Überschwemmung betroffene Region nach der Hochwasserkatastrophe erlebten, war riesig. Auch im Epizentrum des Geschehens, im Kreis Ahrweiler. Menschen haben anderen Menschen das Leben gerettet, sie haben Nachbarn, Freunden, aber zum Teil auch hilfsbedürftigen Fremden, die von der Flut betroffen waren, Obdach und Schutz in ihren Räumlichkeiten gegeben. Sie haben beim Aufräumen und beim Wiederaufbau geholfen, haben Kleider, Nahrungsmittel, Wasser und Decken gespendet und verteilt. Aus allen Regionen Deutschlands waren helfende Hände vor Ort. Auch aus dem Ausland und gerade von türkischen Organisationen kamen viele Hilfsgüter an. Neben dem Ausland haben natürlich in allererster Linie Bund, Länder und Kommunen Hand in Hand den Schmerz der Menschen vor Ort gelindert.

Hilfe von türkischen Organisationen

Zivile und private Organisationen oder Einzelpersonen haben großzügige Hilfsaktionen gestartet. Sie haben ihre Trauer, Angst und ihren Schmerz in Energie umgewandelt. So wie Zeliha Ataç, die in Bad Neuenahr-Ahrweiler anfangs mit einem Aufruf über die sozialen Medien die Menschen zunächst mit Brot, Wasser und warmem Essen versorgte. Heute ist Frau Ataç nicht nur für die Stadt und für die Menschen dort ein Begriff. Auch überregional und international wurde bereits über die große Energie und Hilfsbereitschaft der jungen Dame berichtet. Natürlich auch in Türkiye. So wie Frau Ataç haben tausende türkischstämmige Menschen aus Deutschland für die Opfer der Überschwemmungskatastrophe gespendet oder sich direkt an diversen Hilfsaktionen beteiligt. Sie sind ein Beispiel für die Existenz der langjährigen deutsch-türkischen Partnerschaft. Man sollte dankbar sein, dass es immer wieder Menschen gibt, die bei ähnlichen Katastrophen zusammenstehen. So wie die Unterstützung vieler Deutscher bei dem verheerenden Erdbeben in Türkiye 1999 oder den Waldbränden im letzten Sommer. Solche Katastrophen können vor Augen führen, wie wichtig die Verbundenheit zwischen Deutschland und Türkiye ist.

Große Enttäuschung über die Schließung

Was sich aber in Bad Neuenahr-Ahrweiler nach der Überschwemmungskatastrophe entwickelt hat, war beispielhaft für ganz Deutschland oder gar für die ganze Welt. Denn Frau Zeliha Ataç hat wie viele andere Helferinnen und Helfer gezeigt, dass Not, Schmerz, Tränen, aber auf der anderen Seite auch Glück, Freude und Hoffnung keine Grenzen kennen. Hier ging es nicht um Religionen, Ethnien, Herkunft, Ideologien usw. Hier ging es um den Menschen und um den Respekt vor dem Individuum, der Achtung des Lebens, der Solidarität. Die Menschen waren ohne irgendeine Gegenleistung füreinander da. Was sich aus dieser anfänglichen Hilfsaktion und dem Aufruf zur Spende entwickelte, ist beachtlich. In Bad Neuenahr-Ahrweiler war damit ein Treffpunkt entstanden, den Menschen nicht nur aufsuchten, um sich zu ernähren. Nein, an diesem Ort tauschten sich Flutopfer aus, hier teilten Betroffene ihre Sorgen, fanden Rat, bekamen ein warmes Lächeln und aufmunternde Worte. Es waren die kleinen Glücksmomente des Lebens, die sich hier verbreiteten. Ende Juli 2022 wurde das Versorgungszelt von Zeliha Ataç geschlossen. Frau Ataç ist jedoch über die Entscheidung fassungslos und enttäuscht. Menschen wie Frau Ataç mögen vielleicht einen fremd klingenden Namen haben, sie sind allerdings ein fester Bestandteil des Landkreises und Deutschlands.

Die Not hatte die Menschen hier zusammengebracht. Das verdeutlichte, wie solidarisch die Menschen in Deutschland sein können, wenn es darauf ankommt. Dieser Zusammenhalt ist gerade in Zeiten, in denen Krisen, Kriege und Katastrophen leider manchmal auch von Rechtsextremisten und Verschwörungsideologen ausgenutzt werden, um Misstrauen in die staatlichen und demokratischen Strukturen zu säen, von enormer Bedeutung.

Menschlichkeit stand im Vordergrund

Frau Ataç hat Zeit, Energie, Geld, Kraft und Liebe in die Solidarität investiert. Ihre Initiative mündete in neuen Freundschaften, mehr Engagement, mehr Gemeinschaft und Verbundenheit. Kurz gesagt führte ihre Initiative zu mehr Menschlichkeit und würdevollem Leben. Es ist gut, dass Menschlichkeit keine Religionen, politischen Grenzen, Sprachen, Ethnien oder Rassen kennt. Leider wird diese wichtige Initiative nicht mehr fortgeführt. Dankbarkeit sieht anders aus.

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