CDU-Parteitag: Merz mit starkem Ergebnis zum neuen Parteichef gewählt (dpa)
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Die Ergebnisse der Bundestagswahl im September 2021 haben zu einem politischen Patt geführt und danach eine Ampel-Koalition zusammengeschlossen. Die Unionsparteien CDU/CSU, die zuletzt nach der Niederlage bei den Wahlen 1998 unter der Führung von Helmut Kohl Oppositionspartei geworden waren, konnten bei den seit 2005 durchgeführten Wahlen wieder den Titel als größte Partei beanspruchen und die Rolle als großer Partner der Koalitionsregierungen in Deutschland übernehmen. Bei der Wahlniederlage von 1998 lag der Stimmenanteil der Unionsparteien bei 35,1 %. Nach dem Wahldebakel übernahm Kohl selbst die Verantwortung und trat vom Vorsitz der CDU zurück. Die Amtszeit vonSchäuble wurde von innerparteilichen Auseinandersetzungen überschattet. Aus diesem Machtkampf ging Angela Merkel als Siegerin hervor und wurde CDU-Chefin, was ihr den Weg ins Bundeskanzleramt ebnete. In einer männerdominierten Partei, mit einem Anteil von 70 % bei den Parteimitgliedern, war dieser Erfolg bemerkenswert. Merkel verdrängte auf ihrem Weg zum Kanzleramt im innerparteilichen Machtkampf, der auch unter ihrer Führung fortdauerte, insbesondere potentielle männliche Gegnern und Konkurrenten von der politischen Bühne.

Nach dem erheblichen Stimmenverlust und der vermeintlichen Wahlniederlage 2017 geriet Merkel parteiintern bei Funktionären und der Basis ins Visier. Nachdem sich die SPD weigerte erneut in eine große Koalition einzutreten und stattdessen lieber in die Opposition ging, kam es in der deutschen Politik lange Zeit zu einem Patt; es konnte keine alternative Regierungskoalition gebildet werden. In dem Moment, als über die Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen nachgedacht wurde, kam nach dem Appell von Bundespräsident Steinmeier wieder eine große Koalitionsregierung zustande. Merkel, die bis dahin als große Wahlverliererin dastand und deren Führungspersönlichkeit diskutiert wurde, fand sich plötzlich auf dem Posten der Bundeskanzlerin wieder, den sie eigentlich verloren gehabt zu haben schien. Tatsächlich war dies der Anfang vom Ende der Ära Merkel. Nach einer Serie von Wahlniederlagen in den Bundesländern kündigte Merkel Ende 2018 an, den CDU-Vorsitz niederzulegen, ihr Amt als Kanzlerin jedoch bis zur nächsten Bundestagswahl zu behalten.

Friedrich Merz, der den CDU-Fraktionsvorsitz 2004 als Folge einer parteiinternen Kontroverse an Merkel hatte abgeben müssen und sich aus der Politik zurückgezogen hatte, kündigte nunmehr nach dem Rückzug von Merkel seine Kandidatur für den Vorsitz der Partei an. Dabei konnte er beim 2018 abgehaltenen CDU-Parteitag in die zweite Runde einziehen und erhielt 48 Prozent der Delegiertenstimmen, musste den CDU-Vorsitz jedoch der damaligen Siegerin Annegret Kramp-Karrenbauer überlassen. Die Mission der neugewählten CDU-Vorsitzenden Kramp-Karrenbauer sollte darin bestehen, den sich vertiefenden Riss innerhalb der Partei zu kitten und darüber hinaus Frau Merkel, die angekündigt hatte, bis 2021 Kanzlerin zu bleiben, den Rücken freizuhalten. Den Zerfall innerhalb der CDU konnte aber auch Kramp-Karrenbauer nicht stoppen. Und folglich musste auch sie zurücktreten.

Frust ohne Ende

Die wachsende innerparteiliche Opposition an der CDU-Parteibasis während der Amtszeit von Kramp-Karrenbauer, die Vorwürfe hinsichtlich eines allmählichen Rechtsrucks der Partei sowie der katholisch-evangelische Konflikt, der bei einem evangelischen Anteil von 30 % der Mitglieder schwelte, traten hervor und gehörten zu den entscheidenden Faktoren im Machtkampf. Beim CDU-Parteitag Anfang 2021 unterlag Merz erneut, und Armin Laschet führte als neuer CDU-Chef die Partei in die Bundestagswahlen. Dabei wurden die Delegierten, insbesondere diejenigen, die für Laschet stimmten, mehr von den Einschätzungen hochrangiger Politiker innerhalb der CDU geleitet als von der eigenen Parteibasis. Die Unionsparteien, die zerstritten in die Wahlen zogen, erlitten mit riesigen Stimmenverlusten ihre größte Niederlage in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Doch statt Bundeskanzlerin Merkel wurde diese Niederlage dem neuen Vorsitzenden Laschet angelastet, und für Merz eröffnete sich die Möglichkeit, wieder ins politische Geschehen einzugreifen, nachdem seine ärgsten Widersacher die Bühne hatten räumen müssen.

Im Verfahren zur Wahl des CDU-Parteivorsitzes, das im Dezember 2021 neu gestartet wurde, entschied Friedrich Merz am 22. Januar 2022 mit 95 % der Delegiertenstimmen das Rennen für sich und übernahm endlich den CDU-Vorsitz, für den er seit 2004 gekämpft hatte.

Merz gilt innerhalb der Partei als konservativ-katholisch. Man rechnet ihn dem neoliberalen rechten Flügel zu. Er prägte in seiner aktiven Zeit den noch heute umstrittenen Begriff „Leitkultur“. Sein Lebenslauf weist nach dem Ausscheiden aus der Politik 2009 interessante Stationen auf. Die auffälligste Unternehmung, für die er tätig wurde, war wohl Black Rock, mit einem Anlagekapital von 6,5 Billionen Dollar bekannt als einer der größten Hedge-Fonds der Welt. Zwischen 2016 und 2020 arbeitete Merz beim deutschen Ableger als Senior Manager und Lobbyist.

Schwenkt die CDU nach rechts?

Merz befürwortet eine restriktive Einwanderungspolitik und tritt dafür ein, dass Deutschland seine Grenzen schützen uns für Flüchtlinge schließen sollte. Auch wenn er ankündigt, unter seiner Führung werde es keinen Rechtsruck in der CDU geben, kann man konstatieren, dass diese Argumente vorerst ins Leere laufen, wenn man allein die von ihm in der Vergangenheit losgetretenen Debatten um den Begriff „Leitkultur“ zugrunde legt. Mit Blick auf die Ergebnisse der Bundestagswahlen ist es offensichtlich, dass die CDU seit 2017 ideologisch die meisten Wähler an die rechtsextreme AfD verloren hat. Deshalb gehörte zu den Hauptzielen von Kramp-Karrenbauer und später auch von Laschet, diese verlorenen Wähler zurückzugewinnen. Um dies zu gewährleisten, deutet sich an, dass sich auch die jetzige CDU Führung einer ähnlichen Rhetorik und rechten Politik bedienen wird. Die Nominierung des CDU-Mitglieds Max Otte für das oberste Staatsamt durch die AfD zeigte den Rechtsruck innerhalb der CDU nochmal deutlich.

Merz sagt, die derzeitige Regierungspolitik richte sich gegen die Jugend und erlege ihr schwere Bürden auf. Er plädiert dafür, dass eine ausgewogene Sozialpolitik auch die Jugend einbeziehen sollte. Angesichts der Tatsache, dass siebzig Prozent der Mitglieder der Partei, der er vorsteht, Männer sind und die Hälfte von ihnen, er selbst eingeschlossen, 60 Jahre und älter ist, wird es spannend zu verfolgen sein, mit welcher Politik er den Ausgleich mit der jungen Generation sicherstellen wird. Denn dafür muss Merz mit einer Politik ansetzen, die das Mitgliederprofil der CDU bzw. das Profil der anzusprechenden Wähler anpasst und auf diese Weise die Partei erneuert.

Eine weitere wichtige Herausforderung für Merz wird es sein, ehemalige evangelische CDU-Wähler, die bei den Bundestagswahlen für den Wahlsieger SPD und für die anderen Parteien stimmten, zurückzugewinnen. Allein rund 1,5 Millionen Wähler wandten sich der SPD zu, und man geht davon aus, dass die Mehrheit dieser Wähler evangelischer Konfession ist. Bei einem Anteil von einem Drittel der Mitglieder innerhalb der CDU muss Merz diese Balance innerhalb der Partei neu überdenken. Andernfalls ist es durchaus möglich, dass die Spannungen innerhalb der CDU anhalten werden.

Merz muss die Machtkämpfe innerhalb der Partei beenden und die Führung der Partei übernehmen. Den Rückhalt in der Basis hat er vorerst dafür. Doch solange die Turbulenzen anhalten, werden nicht nur die CDU und ihre Schwesterpartei CSU von den Konsequenzen betroffen sein, sondern auch die Politik Deutschlands. Die einzige Chance für Merz, der im dritten Anlauf den Vorsitz seiner Partei übernommen hat, besteht eigentlich darin, die CDU, das einstige politisch-ökumenische Projekt Adenauers, wieder in die politische Mitte zu rücken und damit einen weiteren Zerfall zu verhindern. Ansonsten beschleunigt sich dieser mit all den drohenden unmittelbaren Konsequenzen für die deutsche Politik und das Parteiensystem des Landes.

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