27. Februar 2021: Die Linke (Reuters)
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Das Thema Ukraine bewegte schon immer die deutschen Gemüter, Beispiele die „Orange-Revolution“ 2004 oder die Euromaidan-Proteste fast zehn Jahre danach. Vor allem aber polarisierten zwei PolitikerInnen: der sich nach Moskau lehnende Wiktor Janukowytsch und die nach Brüssel tendierende Julia Tymoschenko. Die offene Bevorzugung von Tymoschenko durch zahlreiche europäische Regierungen führte in linken Kreisen in Berlin oftmals zu Unbehagen, es wurde argumentiert die EU wolle ein Zeichen gegen den durch Janukowytsch personifizierten Einfluss Russlands in der Ukraine setzen.

Nun hat sich die Lage weiter zugespitzt: Der Einmarsch Russlands in die Ukraine bringt vor allem zwei politische Lager in Argumentationsbedarf – Die Linke, und die SPD.

Die Linke – alte SED in neuen Kleidern?

Die Linke liegt laut jüngsten Wählerumfragen bundesweit derzeit bei rund fünf Prozent, hat aber auch Hochburgen wie das Land Thüringen wo sie über 22 Prozent erzielen würde.

Um das derzeitige Dilemma der Linke besser zu verstehen, bietet sich ein Rückblick auf das Jahr 2016 an. Der bekannte Extremismusforscher Rudolf van Hüllen publizierte in diesem Jahr eine Analyse zur Linke Partei für die CSU-nahe Hans Seidel Stiftung. In „Wie viel ‚Putinismus‘ ist in der Linken“ stellte er fest „das völkerrechtswidrige Vorgehen auf der Krim und in der Ost-Ukraine hat in Deutschland eine Vielzahl von so genannten „Putin-Verstehern“ auf den Plan gerufen. Im Deutschen Bundestag nimmt diese Rolle am deutlichsten die seit 1989 vier Mal umbenannte SED ein. Und dann fährt er fort, was die „sowjetische Fraktion“ so treibt, hat es nämlich in sich: Im Februar 2015 reisten Gehrcke und Hunko (Anm. d. Verf.: zwei Linke Politiker) in den Donbas, hinterließen 130.000 Euro Spendengelder, angeblich für Krankenhäuser, ließen sich vom dortigen Warlord ein wenig durch die Stadt fahren und anschließend ein Foto von der „freundschaftlichen Begegnung“ veröffentlichen.

Sieben Jahre später hat sich der Richtungskampf noch mehr ausgeweitet. Hierfür ist der Kommentar von Pascal Beucker, Stefan Reinecke und Anna Lehmann veröffentlicht in der Welt am 30. März bedeutsam („Linke – so tief steckt die antiwestliche Weltsicht in der Partei“): „Die Schockstarre, die nach der russischen Invasion zunächst in der Linkspartei herrschte und die die Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali im Bundestag zu dem Eingeständnis brachte, man habe das Verhalten Russlands falsch eingeschätzt, hielt nicht lange an. Stattdessen rüstet man sich zur Verteidigung der eigenen Glaubenssätze.“

Ein katastrophales Wahlergebnis im Saarland und der Ausstieg von Promi-Mitglied Oskar Lafontaine lassen aufhorchen; Lafontaine würde wohl einem anderen bekannten Mitglied, Sahra Wagenknecht zustimmen: Ares Abari kommentierte dazu in fr.de am 2. August, „Die Wiederinbetriebnahme der Kohlekraftwerke zeige ‚Klimawandel war für Grüne gestern wichtig‘ schrieb Wagenknecht in ihrem Tweet. Heute habe ‚wahnsinniger Krieg gegen Russland für die frühere ‚Ökopartei‘ Top-Priorität und ‚sogar einzig vernünftige Konfliktlösung (Diplomatie/Verhandlungen)‘ werde laut Wagenknecht abgelehnt.“

SPD Gesamteuropa vor Augen, immer mit Russland

Das zögerliche Verhalten von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder sich von Vladimir Putin abzuwenden war nur der Anfang: auch in der SPD gibt es Stimmen die gegen Waffenlieferungen oder Sanktionen hörbar werden. Das angestrebte Parteiausschlussverfahren abgehakt im Sinne von nicht erfolgreich da er gegen keine Parteigrundsätze verstoßen habe führte dazu das sich diejenigen im Aufwind fühlen die der Diplomatie immer noch den Vorzug geben.

Die SPD hat ähnlich wie die Linke mehrere Flügel, in der Regel Kreise genannt und benannt nach diversen Städten, wo man sich regelmäßig trifft. Die Parteilinken fordern eine Friedensoffensive und argumentieren generell für ein Abrüsten, nicht für weitere Waffenlieferungen.

Auch Kanzler Olaf Scholz gehört zu einer Gruppe von Politikern die als Jugendvertreter für eine gesamteuropäische Zusammenarbeit warben und regelmäßig mit Moskau oder Ost-Berlin Kontakt hatten.

Man wollte dem Trend nur nach Westen zu schauen, was in der Partei oft als Transatlantiker betitelt wurde, etwas gesamteuropäisches entgegensetzen und drang auf vermehrte Kontakte zwischen Ost und West, weniger um das Regime im Osten zu verändern, sondern mehr als dauerhafte Friedenslösung anzusehen.

Dies erklärt Scholz’s Zögern als die Frage von Waffenlieferungen aufkam. Es berührte das Grundprinzip seiner, und wohl die der Mehrheit der linken Seite in der SPD: abrüsten, Frieden sichern, Dialoge führen und ein Haus Europa bauen; also ein Haus Europa mit Russland als Partner.

Von daher ist das Dilemma wie man den Ukraine-Krieg bewertet weitaus größer als in der Linken. Die SPD war und ist staatstragend, die Linke war es in ihrer ursprünglichen Form als SED. Heute muss sich die Linke inhaltlich so positionieren dass sie gerade auch in den alten Bundesländern wählbar wird. Rot-rot gegen Sanktionen, Waffenlieferungen? Oder rot-rot als „hardliner“ Richtung Moskau und 100 Prozent die Ukraine unterstützen egal ob Deutschland fröstelt oder nicht? Und werden die eher linken Mitglieder in der SPD stärker je länger der Krieg andauert? Und wie wird man mit Russland umgehen, wenn er vorbei ist?

Viele offene Fragen nicht nur für eine Partei, die sich Die Linke nennt, sondern auch für diejenigen die eher linke Meinungen in der Sozialdemokratie befürworten.

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