09.12.2021, Nordrhein-Westfalen, Köln: Eine Pharmazeutin zieht im Impfzentrum für Fußgänger und Radfahrer eine Spritze mit dem Impfstoff von Moderna auf. (dpa)
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Seit dem weltweiten Beginn von Impfkampagnen gegen das Coronavirus haben mehr als 4,2 Milliarden Menschen mindestens eine Injektion mit einem der zugelassenen Impfstoffe erhalten. Bis dato sind hauptsächlich mRNA- und Vektorimpfstoffe verfügbar, mit weiteren Präparaten auf der Grundlage anderer Technologien wird noch in diesem Jahr gerechnet.

Zwar ist es mithilfe der Impfstoffe noch nicht gelungen, die Pandemie vollständig zu beenden. Allerdings hat die Corona-Schutzimpfung in entscheidender Weise zur Aufhebung von Lockdown-Maßnahmen zumindest für Immunisierte beigetragen – und die Ratio zwischen Infizierten und schweren oder tödlichen Covid-19-Verläufen ist drastisch gesunken.

Die Impfung als Sandsack zum Abreagieren

Von Beginn an hatten Impfgegner versucht, das Anlaufen und den Erfolg der Impfkampagne zu sabotieren. Wilde Behauptungen und Verschwörungstheorien über eine angebliche „Todesimpfung“, schwere Nebenwirkungen oder im Auftrag bekannter US-Unternehmer injizierte RFID-Chips wurden über einschlägige Publikationen und YouTube-Videos verbreitet.

Mit der AfD und den sogenannten Querdenkern fanden die häufig aus esoterischen und rechtsextremen Kreisen stammenden Impfgegner sogar ein politisches Sprachrohr. Auch chinesische oder russische Auslandsmedien griffen die Darstellungen ungeprüft auf – während in ihren Herkunftsländern selbst Impfungen als Waffe gegen Corona nachdrücklich empfohlen wurden. Offenbar wird die Unterminierung der Impfbereitschaft dort als ein probates Mittel betrachtet, um geopolitische Rivalen von innen heraus zu schwächen.

Vor allem in den deutschsprachigen Ländern begann ein heterogenes Bündnis, den Kampf gegen die Impfung zum Ausdruck persönlicher oder ideologischer Interessen und Befindlichkeiten zu machen: Einigen ging es um bloßes Trotzverhalten, das sich mithilfe pseudowissenschaftlicher Räuberpistolen gut verkaufen ließ. Andere wollten mit ihrer lautstarken Impfgegnerei zum Ausdruck bringen, dass sie sich selbst im Leben nicht dort angekommen sehen, wo sie meinen, hinzugehören. Dass irgendwelche dunklen Hintergrundmächte dafür verantwortlich sein könnten, die auch sonst sinistere Ziele verfolgten, klingt für sie in einer neuartigen Situation, wie sie die Corona-Pandemie geschaffen hatte, plausibel.

Und dann gab es noch die üblichen Berufsrevolutionäre, die schon im Jugendalter „das System beseitigen“ wollten und dieses Ziel nie aufgegeben hatten. Auch für sie ist der Kampf gegen alle Corona-Maßnahmen und gegen die Impfung eine symbolische Handlung. Dass es für die Rage gegen die Impfung eher psychologische als sachliche Gründe gibt, verhindert nicht, dass sich die Szene zu einem quasireligiösen Kult entwickelt und in ihren Telegram-Echokammern weiter radikalisiert. Einigen Blogbetreibern scheint das sogar ganz recht zu sein: Sie stoßen sich finanziell gesund, indem sie den Impfgegnern nach dem Mund schreiben und sich so deren Spenden und Seitenzugriffe sichern.

Die Impfung vollbringt keine Wunder – aber sie bringt uns voran

Die Erfolge der Corona-Impfungen haben die Warnungen der Impfgegner schnell und eindrucksvoll widerlegt. Die Infektionszahlen mit Covid-19, vor allem aber die Fälle eines schweren oder tödlichen Verlaufs sanken wenige Wochen nach Beginn der Immunisierung drastisch. Je mehr Menschen mit der Impfung erreicht wurden, umso mehr kam die Normalität in die zuvor vom Lockdown betroffenen Länder zurück. Restaurantbesuche, Urlaubsreisen, Stadionveranstaltungen und Konzerte mit Publikum wurden wieder möglich. Das Land konnte wieder atmen.

Natürlich sind die Impfreaktionen, die nach ein paar Stunden eintreten können, nicht immer angenehm. Sie verfliegen aber zeitnah wieder. Wie bei jedem medizinischen Präparat gibt es auch in einzelnen Fällen Nebenwirkungen – der Anteil der ernstzunehmenden lag dabei im niedrigen Null-Komma-Bereich. Auf entsprechende Berichte wurde auch schnell reagiert, etwa mit dem Verzicht auf die weitere Verwendung des Impfstoffs von Astra-Zeneca, der in einzelnen Fällen Unterm Strich blieb das Risiko, mit einem schweren Verlauf an Covid-19 zu erkranken, jedenfalls deutlich über jenem, Impfschäden zu erleiden.

Dies gilt auch jetzt in der ersten kalten Jahreszeit seit dem Greifen der Impfkampagne, die infolge weitgehend wieder normalisierter Alltagskontakte auch unter Geimpften wieder von steigenden Infektionszahlen gekennzeichnet ist. Unter Immunisierten beträgt die Hospitalisierungs-Inzidenz jedoch nach wie vor nur ein Bruchteil jener von Ungeimpften – und betroffen sind überwiegend ältere und immungeschwächte Patienten, deren Impfung bereits mehrere Monate zurückliegt.

Kein einziger konstruktiver Lösungsansatz der Anti-Impf-Fundamentalisten

Ein Argument liefert dieser Umstand allenfalls für schnelleres und konsequenteres Auffrischen. Ein Argument dafür, nicht zu impfen, ist er jedenfalls nicht. Die Corona-Schutzimpfung löst nicht alle Probleme im Zusammenhang mit der Pandemie, und sie löst sie erst recht nicht sofort. Höchst eigenartig, dass in einem der areligiösesten Länder der Welt plötzlich so viele nach Wundern verlangen. Es ist auch legitim, einer möglichen Impfpflicht oder der flächendeckenden Impfung von Kindern unter 12 Jahren kritisch gegenüberzustehen. Ganz ohne Falschbehauptungen über die Impfung bemühen zu müssen.

Was die Corona-Impfung aber in jedem Fall leistet: Sie bringt das Gemeinwesen einem Ende der Pandemie in signifikantem Maße näher. Gleiches lässt sich von den bisher gelieferten Lösungsansätzen der Impfgegner und Querdenker – vom Aussitzen über die Einnahme von Pferde-Entwurmungsmitteln bis hin zum „Sturz des Systems“ – definitiv nicht behaupten.

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