Corona-Kritik: Innenministerium verhängt Arbeitsverbot gegen Mitarbeiter (dpa)
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Der vom ehemaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ins Leben gerufene „Expertenkreis Politischer Islamismus” wird aufgelöst. Die Runde, die erst voriges Jahr ihre Tätigkeit aufnahm, hat ihre Arbeit wieder eingestellt. Das Gremium hatte es sich zur Aufgabe gemacht, eine Definition für den schwammigen Begriff des sogenannten „politischen Islamismus“ zu finden, Erscheinungsformen zu benennen und das Thema aus wissenschaftlicher Perspektive zu beleuchten. Im „Expertenkreis“ waren neben Wissenschaftlern und Hochschullehrern auch ehemalige Verfassungsschützer, Rechts- und Integrationsexperten.

Nancy Faeser verdient Unterstützung

Die Entscheidung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist zu begrüßen. Gerade jetzt, wo manche populistischen Medienhäuser, konservative Politiker und ehemalige Gremienmitglieder die Ministerin für diese mutige Entscheidung heftig kritisieren, verdient Faeser Beistand und Respekt.

Wie erfolgreich war das Gremium?

Bereits die Namensgebung des „Expertenkreis Politischer Islamismus“ war missglückt. Die Bezeichnung „Politischer Islamismus“ ist für viele immer noch ein politischer Kampfbegriff. Außerdem beinhaltet der Begriff „Islamismus“ bereits eine politische Konnotation und ist damit eine Tautologie bzw. Dopplung. Die Mehrheit der Muslime, die sich gegen die Bezeichnungen Christianismus und Judaismus wehren, lehnt auch diesen Kampfbegriff des sogenannten „Islamismus“ ab. Zudem gibt es keine einheitliche wissenschaftlich anerkannte Definition des Begriffs „politischer Islam“. Jeder versteht etwas anderes darunter. Jeder bringt seine Ideologie mit in die Definition ein. Der Ausdruck erinnert vielmehr an die Bezeichnung des „politischen Katholizismus“ im deutschen Kaiserreich. Auch damals war es en vogue, also voll im Trend, Katholiken als „die Anderen“ auszugrenzen und einen „Kulturkampf“ gegen sie zu führen. Katholiken wurden damals als vom Vatikan kontrollierte ausländische Agenten angesehen. Ähnliche Vorwürfe hört man heute gegenüber muslimischen Religionsgemeinschaften. Man hat am Beispiel Österreichs gesehen, dass ein ähnliches „Expertengremium“, dort wurde es „Dokumentationsstelle Politischer Islam“ genannt, zu einer Politik der Marginalisierung und Kriminalisierung muslimischer Religionsgemeinschaften führte.

Risiko der Zweckentfremdung des Themas war groß

Zudem war das Gremium durchmischt von konstruktiven, aber leider auch destruktiven Fachleuten. Damit ist gemeint, dass es in der Runde durchaus Personen gab, die mit dem Thema sensibel umgehen und den Sachverhalt nicht für bestimmte Zwecke missbrauchen. Hoch angesehene Wissenschaftler waren dabei. Auf der anderen Seite gab es im Gremium aber solche, die das Thema politisch, ideologisch, medial oder aus egoistischen Motiven für ihre persönliche Karriere benutzten, um sich zu profilieren. Diesen Leuten unterstelle ich, voreingenommen zu sein. So war das Risiko einer Zweckentfremdung des Themas zu groß.

Worst-Practice-Beispiel: „Operation Luxor“

Mit dem Phänomenbereich des religiösen Extremismus, was ja hier als sogenannter „Islamismus“ bezeichnet wurde, darf kein Missbrauch betrieben werden. Menschen, die überhaupt nichts mit „Islamismus“ am Hut haben, mit den Muslimbrüdern in Verbindung zu setzen oder anderen Organisationen zuzuordnen, kann zu Unrecht führen. In Österreich ist dies leider geschehen. Bei der „Operation Luxor“ wurden vor zwei Jahren Razzien gegen angebliche „Islamisten“ durchgeführt. Am Ende ließen sich keinerlei Beweise für etwaige Beschuldigungen finden. Kein einziger der Beschuldigten wurde angeklagt, kam in Untersuchungshaft oder wurde verurteilt. Die Ermittlungen wurden alle ergebnislos eingestellt. Was übrig blieb: Muslime wurden bewusst eingeschüchtert. Gut, dass es in Deutschland nicht so weit gekommen ist, obwohl möglicherweise nicht wenige sich genau dies gewünscht hätten. Eine Politik des Generalverdachts, der Kriminalisierung und Marginalisierung eines Teils der Gesellschaft hätte dem Zusammenhalt geschadet.

Alle Arten des Extremismus müssen beobachtet werden

Nancy Faeser wird derzeit dafür kritisiert, dass sie angeblich die Augen vor dem sogenannten „Islamismus“ verschließt und dafür dem Rechtsextremismus zu viel Bedeutung beimisst. Der Staat und seine Justiz- und Sicherheitsbehörden müssen und werden natürlich alle sicherheitsrelevanten Phänomenbereiche im Blick behalten. Dazu gehört in erster Linie der ideologisch geprägte Rechtsextremismus. Dazu gehören aber auch der politische Linksextremismus und der religiös motivierte Extremismus. Die größte Bedrohung geht aber im Moment vom Rechtsextremismus aus. Und die Innenministerin weist immer wieder auf diese Tatsache hin. Das mag vielleicht einigen aus ideologischen und politischen Motiven nicht passen. Gerade aus dieser Lobby kommt derzeit auch der größte Widerspruch. Außerdem bedeutet das Ende dieses Gremiums ja nicht, dass der Staat plötzlich seine Beobachtung oder den Kampf gegen den religiös motivierten Extremismus einstellt. Hier wurde lediglich die Arbeit eines aus ideologischen Motiven einberufenen Gremiums nach einem Jahr beendet. Nicht mehr und nicht weniger. Deshalb muss man jetzt nicht so tun, als ob die Sicherheitsarchitektur des Landes zusammengebrochen wäre. Außerdem wird das Gremium seine Arbeit in anderer Form, beispielsweise mit Tagungen und Konferenzen, weiterführen. Auch das soll Angaben von Gremienvertretern zufolge das BMI den Mitgliedern des Expertenkreises offen kommuniziert haben.

Aus welcher Richtung die größte Gefahr kommt

Alle menschenfeindlichen Phänomenbereiche sind gefährlich. Wir müssen wachsam sein gegen alle Arten der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“. Wir dürfen zudem nicht nur unsere Stimme erheben, wenn Menschen, die als „migrantisch“ oder „fremd“ betrachtet werden, wenn Sinti, Roma, Juden, Hindus, Muslime usw. bedroht oder angegriffen werden. Auch wenn beispielsweise Frauen oder Menschen mit verschiedenen sexuellen Orientierungen und Identitäten, die nicht den traditionellen Geschlechterbildern entsprechen, angepöbelt oder geschlagen werden, müssen Gesellschaft und Staat dagegen vorgehen. Manchmal können sich Feindseligkeiten auch gegen Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, gegen Langzeitarbeitslose und wohnungslose Menschen richten. Hier geht es um Respekt vor dem Leben und um die Achtung und Verinnerlichung von Werten und Normen. Unser Grundgesetz dient uns hier als eine Richtschnur, an die wir uns halten müssen.

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