Die Journalisten Ismail Eren und Cemil Albay von der Sabah-Zeitung. (Sabah)
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Die Polizei Darmstadt hat am Mittwoch zwei leitende Journalisten der türkischen Tageszeitung Sabah-Avrupa in Mörfelden-Walldorf verhaftet. Außerdem wurden bei der Festnahme die Privatwohnungen des Chefredakteurs İsmail Erel sowie des Nachrichtenleiters Cemil Albay durchsucht. Dabei sollen elektronische Geräte, Speichermedien, Computer und Mobiltelefone der Journalisten beschlagnahmt worden sein. Einer gemeinsamen Pressemeldung der Staatsanwaltschaft Darmstadt und des Polizeipräsidiums Südhessen zufolge seien Durchsuchung und Festnahmen „im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens“ und „wegen des Verdachts des gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten“ erfolgt. Neben den elektronischen Speichermedien seien auch weitere Beweismittel konfisziert worden. „Nach Abschluss der kriminalpolizeilichen Maßnahmen“ seien die Pressevertreter wieder entlassen worden.

Empörungswelle

Nicht nur die Festnahmen der Journalisten, sondern auch die Beschlagnahmung ihrer Arbeitsmaterialien und die gegebenenfalls damit einhergehende Aufhebung des Quellenschutzes lösten Empörung bei Journalistenverbänden, Politik und Zivilgesellschaft aus.

„Handschellen an den Händen und Gedanken der Pressefreiheit“

Die europäisch-türkische Presse- und Journalistenunion (Avrupa Türk Basın Yayın Ve Gazeteciler Birliği) kritisierte in einer am Donnerstag (18.05.) veröffentlichten Stellungnahme die Verhaftung von Journalisten in Deutschland und sprach davon, dass den „Händen und Gedanken der Presse Handschellen angelegt worden“ seien. „Im Namen der türkischen Gemeinschaft verurteilen wir als Mitglieder der Medien die Inhaftierung von zwei türkischen Journalisten. Die Tatsache, dass eine solche Verhaftung in Deutschland stattgefunden hat, das in Sachen Pressefreiheit weltweit interveniert, hat uns und alle Medienvertreter tief verletzt.“ Der Journalistenverband nannte das „Schweigen der deutschen Medien angesichts dessen, was geschah, „bezeichnend“. Die Organisation, in der Print-, TV- und Onlinejournalisten zusammengeschlossen sind, wies darauf hin, dass Journalisten in Deutschland nicht gezwungen werden könnten, eine vorgeschriebene Perspektive einzunehmen oder nach bestimmten Vorgaben zu berichten.

Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun: Sorge um Zustand der Pressefreiheit in Deutschland

Der türkische Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun verurteilte ebenso die Razzia gegen die Zeitung Sabah in Deutschland aufgrund „ihrer Berichterstattung gegen die Terrororganisation FETÖ sowie die Ingewahrsamnahme türkischer Journalisten und die Beschlagnahmung ihrer Ausrüstung“. Er bewertete das Vorgehen als klaren Verstoß gegen die Pressefreiheit. „Wir finden dieses Verhalten Deutschlands, Journalisten zum Schweigen zu bringen, inakzeptabel und sind besorgt über den Druck auf die Pressefreiheit in diesem Land“, unterstrich Altun in einer schriftlichen Erklärung. „Wir fordern die deutschen Behörden, die FETÖ-Mitglieder beschützen und die Aktivitäten dieser blutigen Terrororganisation zulassen, auf, diese falsche Haltung zu ändern, aufrichtig mit Türkiye im Kampf gegen den Terrorismus zusammenzuarbeiten und die inhaftierten türkischen Journalisten so bald wie möglich freizulassen“, so Altun weiter.

Türkisches Außenministerium spricht von „Akt der Schikane“

Die Razzien sorgten zudem für diplomatische Spannungen und riefen das türkische Außenministerium auf den Plan. So wurde nicht nur der deutsche Botschafter in Türkiye ins Außenministerium einbestellt. Auch eine Erklärung auf vonseiten des Außenministeriums wurde veröffentlicht. Die „Verhaftung“ der Journalisten „ohne jegliche Rechtfertigung“ wurde unmissverständlich als „Akt der Schikane und Einschüchterung gegen die türkische Presse“ bezeichnet und das „vorsätzliche“ Vorgehen als ein „abscheulicher Akt aufs Schärfste“ verurteilt. Das türkische Außenamt sprach von einer „haltlosen Denunziation eines FETÖ-Mitglieds“, das die Journalisten zur Zielscheibe gemacht habe. In der Mitteilung des Außenministeriums wurde das Vorgehen Deutschlands, das versuche, „die ganze Welt über Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung zu belehren“, als Heuchelei betitelt.

Zafer Sırakaya: „Paradebeispiel der Doppelmoral“

Darüber hinaus meldete sich der in Deutschland aufgewachsene Abgeordnete der AK-Partei, Zafer Sırakaya, über den Kurznachrichtendienst Twitter zu Wort und missbilligte das „vorsätzliche Vorgehen“ der Behörden: Nach Auffassung von Sırakaya stand die einschüchternde Vorgehensweise der gewohnt demokratischen Tradition Deutschlands entgegen. Der Parlamentarier nannte die Art und Weise des Umgangs mit den Pressevertretern als „ein Paradebeispiel der Doppelmoral“. „Auf der einen Seite belehrt man die Welt über Presse- und Meinungsfreiheit, aber gleichzeitig missachtet man sie. Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere deutschen Freunde die Terrororganisation FETÖ daran hindern werden, die türkisch-deutschen Beziehungen weiter zu beschädigen“, so Sırakaya.

Deutschland ist in der Rangliste der Pressefreiheit das dritte Jahr in Folge abgestiegen. Die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) stuft die Bundesrepublik derzeit auf Platz 21 ein. Hintergrund sind vor allem Attacken und Gewalt gegen Medienschaffende und Journalisten. Wenn das Büro von Zeitungen durchsucht, Computer, Mobiltelefone und weitere Speichermedien beschlagnahmt werden, wenn zudem noch Autos und Privatwohnungen von Journalisten stundenlang durchsucht werden, ist dies ein schwarzer Tag für die Pressefreiheit in Deutschland. Es ist ein Desaster von der Größenordnung der Spiegel-Affäre des Franz Josef Strauß. Die Quellen der Journalisten befinden sich nun in den Händen von Polizei und Staatsanwaltschaft. Das ist ein Verfassungsbruch, der seinesgleichen sucht. Falls dieser Fall ernsthaft aufgeklärt werden sollte, könnte und müsste dies sogar Konsequenzen für die verantwortlichen Innen- oder Justizminister haben. Ob auf Landes- oder Bundesebene, wer auch immer diesen Angriff auf die Pressefreiheit genehmigt hat.

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