Geert Wilders / Photo: AFP (AFP)
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In den Niederlanden hat die rechtspopulistische Partei für die Freiheit (PVV) unter der Führung von Geert Wilders einen bemerkenswerten Sieg errungen. Mit 37 Sitzen hat die Partei mehr als das Doppelte ihrer bisherigen 16 Sitze im Parlament gewonnen. Wilders, der offen erklärt hat, Ministerpräsident werden zu wollen, plant radikale Maßnahmen, sollten seine politischen Ambitionen Realität werden. Zu diesen Maßnahmen gehören das Verbot von Moscheen und des Korans sowie die Schließung der Grenzen für Flüchtlinge und Einwanderer. Zusätzlich spricht sich Wilders für ein Referendum über den Austritt der Niederlande aus der Europäischen Union aus.

Obwohl es ungewiss ist, ob Wilders in der Lage sein wird, eine Regierung zu bilden, ist sein Erfolg symptomatisch für ein größeres Phänomen in Europa: den Aufstieg des Rechtspopulismus. Dieser Trend ist nicht auf die Niederlande beschränkt. In Österreich führt die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) in Umfragen. In Deutschland verzeichnet die Alternative für Deutschland (AfD) einen Aufschwung und hat erstmals bedeutende kommunale Erfolge erzielt. Der Kandidat der AfD, Robert Sesselmann, ist der neue Landrat im Thüringer Kreis Sonneberg. Eine Umfrage zeigt, dass sich 47 % der deutschen Bevölkerung vorstellen können, die AfD in der Regierung zu sehen. Ähnliche Tendenzen sind in Italien und Frankreich zu beobachten.

Diese Entwicklung wirft grundlegende Fragen auf: Wie können rechtspopulistische Parteien, deren politische Programme oft den „Grundwerten“ der EU wie Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte widersprechen und die sogar einen EU-Austritt anstreben, solch hohe Zustimmungsraten erhalten? Der kontinuierliche Einflussgewinn dieser Parteien stellt eine radikale Herausforderung für die Zukunft Europas dar und erfordert eine tiefgehende Auseinandersetzung mit den Ursachen dieses Phänomens.

EU ohne starke Führungspersönlichkeit

In den Ländern der Europäischen Union, insbesondere in den Niederlanden, besteht ein ernsthaftes Problem mit der politischen Führung. Besonders offensichtlich wurde dies durch die Pandemie und die darauffolgenden Konflikte wie der Russland-Ukraine-Konflikt, der Konflikt zwischen Kosovo und Serbien, der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan sowie der jüngste Israel-Palästina-Konflikt. Diese Ereignisse zeigen, dass die Politiker in europäischen Ländern bei der Krisenbewältigung gescheitert sind.

Besonders seit dem Ausscheiden der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel erlebt Europa eine ernsthafte Krise in Bezug auf starke politische Führung. Die durch das Unvermögen der Politiker, auf Krisen zu reagieren, entstandene Lücke wird zunehmend von rechtspopulistischen Politikern mit populistischen Aussagen gefüllt. Beispielsweise beschuldigen populistische Politiker in Westeuropa, wo die Wirtschaft aufgrund schlechter Bewältigung der Pandemie und des Russland-Ukraine-Konflikts geschrumpft ist, Muslime verschiedener Probleme und versuchen so, ihre Wählerbasis zu vergrößern.

Wären Demokraten, Sozialisten oder andere Parteien in der Lage gewesen, ihre Länder erfolgreich zu verwalten und Krisen zu bewältigen, hätten rechtspopulistische Parteien nicht die Oberhand in politischen Diskussionen gewinnen können. Die EU-Länder zeigten sich gleichgültig gegenüber der Situation in Syrien, was dazu führte, dass Millionen von Menschen aus Syrien nach Europa flüchteten, um sich ein neues Leben aufzubauen. Statt eine diplomatische Lösung im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zu suchen, versuchten europäische Länder, Sanktionen gegen Russland zu verhängen, was zu einem Zufluss ukrainischer Flüchtlinge führte. Der starke Zufluss von Migranten nach Europa in den letzten zehn Jahren hat den rechtspopulistischen Parteien einen erheblichen Vorteil verschafft.

Wahlergebnisse: Warnung für Deutschland und Europa

Besonders in Ländern wie Schweden werden Beleidigungen gegen Muslime, Angriffe auf islamische Einrichtungen und Bedrohungen oft nicht ausreichend geahndet. In Ländern wie Dänemark und Schweden kam es sogar vor, dass der Koran unter polizeilicher Aufsicht verbrannt wurde. Solche Vorfälle tragen dazu bei, dass Politiker wie Wilders ihre antimuslimische Rhetorik verstärken, oder umgekehrt, dass die Rhetorik von Politikern wie Wilders zu solchen rechtsextremen Handlungen führt.

Viele Politikwissenschaftler und Journalisten führen Wilders‘ Erfolg auf innenpolitische Probleme in den Niederlanden zurück, darunter die Tatsache, dass das Land über ein Jahrzehnt lang von einer Mainstream-Partei regiert wurde. Ein weiterer Punkt ist, dass sich Wähler in den Niederlanden aufgrund der aktuellen Einwanderungspolitik vermehrt rechtspopulistischen Parteien zuwenden. Die entscheidende Frage ist jedoch, warum auch andere europäische Länder einen Aufstieg rechtspopulistischer Parteien erleben.

Daher wäre es zu kurz gegriffen, Wilders‘ Sieg in den Niederlanden allein mit innenpolitischen Problemen zu erklären. Dies wirft die Frage auf, warum rechtspopulistische Bewegungen in fast ganz Europa Aufwind erleben. Eine tiefere Analyse der gesamteuropäischen politischen Landschaft und ihrer sozialen Dynamiken scheint notwendig, um dieses Phänomen umfassend zu verstehen.

In Europa hat sich der Rechtsextremismus „normalisiert“

Nach der Einschätzung von C. Mudde, einem Forscher, der seit rund 40 Jahren im Bereich des Rechtsextremismus tätig ist und zahlreiche Bücher und Artikel zu diesem Thema verfasst hat, hat sich der Rechtsextremismus in Europa „normalisiert.“ Bis in die 2000er Jahre hinein wurden rechtsextreme Parteien von anderen politischen Parteien isoliert, aber seitdem hat sich die Situation gewandelt. Rechtsextreme Parteien werden zunehmend als normale Bestandteile des politischen Spektrums wahrgenommen. Mudde zufolge haben diese Parteien nicht nur in den Augen anderer politischer Parteien, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung an Akzeptanz gewonnen. Besonders ihre Haltung zur Einwanderung, die sie als Bedrohung der nationalen Identität und Sicherheit darstellen, wird zunehmend als akzeptabel erachtet, und selbst andere Parteien haben diese Ansichten gelegentlich verteidigt.

Die jüngsten Wahlergebnisse in den Niederlanden und der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in anderen europäischen Ländern stellen eine ernsthafte Herausforderung für die Europäische Union und ihre sogenannten Grundwerte dar. Die Normalisierung rechtspopulistischer Positionen und der Mangel an starken Führungspersönlichkeiten in EU-Ländern haben dazu beigetragen, dass diese Bewegungen an Zuspruch gewinnen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind gefordert, dieser Herausforderung zu begegnen und die „Grundwerte“ der EU zu verteidigen.


TRT Deutsch