Symbolbild: Reisender mit Koffer auf dem Flughafen / Photo: DPA (dpa)
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Südostasien macht es vor: Japan und Korea haben dieses Jahr sogenannte digitale Nomadenvisa eingeführt. Die beiden Länder reagieren mit ihren vereinfachten Einreisebestimmungen auf einen gesamtgesellschaftlichen Trend: das ortsunabhängige Arbeiten.

Digitale Nomaden beispielsweise wollen möglichst frei sein, ihr Geld von unterwegs verdienen und dabei andere Länder bereisen. Was früher als Lifestyle undenkbar war, ist in Zeiten von Workations und Remote-Arbeit längst gelebte Realität. Doch wo darf man überhaupt für welche Zeitdauer leben und arbeiten – und welche Voraussetzungen muss man dafür erfüllen?

Der Hintergrund: Arbeiten auf Reisen

Mit den bisherigen Touristenvisa kann man in den meisten Ländern nur bis zu 90 Tage am Stück bleiben. Dieses Vierteljahr reicht jedoch häufig nicht aus, um das jeweilige Land und seine Menschen gut kennenzulernen.

Digitale Nomadenvisa sind aus diesem Grund für eine größere Gruppe an Menschen interessant. Dazu zählen neben Selbstständigen auch Online-Entrepreneure sowie Angestellte, die im Rahmen einer Workation oder grundsätzlich komplett remote arbeiten können. Mit einem Visum über sechs, zwölf oder sogar 24 Monate ist es jetzt vielerorts deutlich einfacher, ein Land richtig kennenzulernen, sich niederzulassen und längerfristig eine bezahlbare Unterkunft zu mieten. TRT Deutsch hat recherchiert, wo das aktuell geht – und welche Länder zuletzt ihre Bestimmungen geändert haben.

Ein halbes Jahr in Japan: Das sollten digitale Nomaden wissen

Wie zum Beispiel Japan: Bislang gab es dort kein spezifisches Visum für digitale Nomaden, nur ein Arbeitsvisum für Freiberufler und Unternehmer mit komplexen Auflagen. Das ändert sich diesen März. Erstmals werden sechsmonatige Visa für digitale Nomaden ausgestellt. Das Besondere daran: Auch Kinder und Ehepartner dürfen mitreisen.

Japan verlangt dafür eine private Krankenversicherung und ein Jahreseinkommen von mindestens 10 Mio. Yen (ca. 62.300 Euro). Die Zeitspanne für die maximale Verweildauer in Japan hat sich damit verdoppelt. Allerdings ist das digitale Nomadenvisum in Japan nicht verlängerbar und kann frühestens sechs Monate nach der Abreise aus Japan neu beantragt werden.

Einwandern nach Korea wird einfacher

Auch in Südkorea hat sich etwas getan. Im Januar führte das Land in Südostasien ein Workation-Visum ein, mit dem Ausländer bis zu ein Jahr lang vor Ort remote arbeiten dürfen. Damit passt sich Südkorea – besonders in der jüngeren Generation beliebt durch K-Pop, Fashion und Essenskultur – dem weltweiten Workation-Trend an.

Bislang mussten alle Personen, die in Südkorea arbeiten wollten, je nach Art ihrer Beschäftigung ein umfangreiches Arbeitsvisum beantragen oder konnten sich – im Rahmen eines Touristenvisums – lediglich drei Monate im Land aufhalten.

Das digitale Nomadenvisum erlaubt es jetzt, länger von Korea aus zu arbeiten und kann – anders als in Japan – sogar unmittelbar um ein weiteres Jahr verlängert werden. Voraussetzung ist, dass der Reisende nur für ausländische Unternehmen und mindestens bereits seit einem Jahr in seiner Branche tätig ist.

Genau wie in Japan braucht man auch hier eine persönliche Krankenversicherung sowie zusätzlich eine Rücktransportversicherung. Und auch das Einkommen soll stimmen. Laut Citizenremote liegt das geforderte Mindesteinkommen aktuell bei monatlich 3.500 USD (ca. 3.200 Euro). Man darf dann auch die Familie mitbringen – solange die Kinder nicht volljährig sind.

Die ersten Nomadenvisa: von Georgien bis Barbados

Zugegeben: Digitale Nomadenvisa sind nicht ganz neu. Sehr viele Länder bieten sie bereits seit etlichen Jahren an. Ein Vorreiter in Europa war Estland. Als erstes Land der EU führte der baltische Staat im Jahr 2020 ein digitales Nomadenvisum ein. Es ermöglicht, bis zu einem Jahr in Estland zu leben und zu arbeiten. Laut Citizenremote liegt das geforderte monatliche Mindesteinkommen dafür bei 3.504 Euro – egal ob angestellt oder selbstständig. Auch Kroatien und Georgien sind Pioniere auf dem Feld: Kroatien lockt digitale Nomaden seit Anfang 2021 mit einem speziellen Visum für einen maximal einjährigen Aufenthalt an. Bewerber sollen ein monatliches Einkommen zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts nachweisen. Laut Website des kroatischen Innenministeriums liegt die Grenze bei 2.540 Euro. Georgien wiederum setzt ein monatliches Mindesteinkommen von 1.950 Euro voraus – alternativ eine Sparsumme von 23.000 Euro.

Wen es klimabedingt in wärmere Gefilde zieht, der kann auch in der Karibik leben und von dort sein Geld verdienen: Sowohl das Inselarchipel der Bahamas als auch der kleine Inselstaat Barbados haben spezielle Visa für Remote-Arbeiter. Barbados startete sein Programm „Barbados Welcome Stamp“ beispielsweise im Juni 2020.

Das digitale Nomadenvisum versetzt Einreisende in die Lage, zwölf Monate auf der Insel zu arbeiten. Ein Mindesteinkommen gibt es nicht. Allerdings müssen Bewerber nachweisen, über ausreichende finanzielle Mittel zu verfügen, um während ihres Aufenthalts in Barbados zu leben.

Wo es sich sonst noch gut leben und arbeiten lässt

Insgesamt gibt es mittlerweile weltweit mehr als 50 Länder, in denen Visa ausgestellt werden, die für digitale Nomaden anwendbar oder sogar auf diese zugeschnitten sind – von Costa Rica über Argentinien, Mexiko und Norwegen bis nach Südafrika.

Die Dauer variiert dabei – genau wie die lokalen Voraussetzungen und Kosten für das jeweilige Visum. So können Digitalnomaden in Taiwan sogar drei Jahre lang arbeiten, in Spanien dagegen nur für ein Jahr. Thailand und Indonesien, besonders Bali, gelten als Nomaden-Hotspots schlechthin: Bereits seit 2003 ermöglicht Thailand Ausländern mit „Thailand Elite Visa“ das Leben vor Ort. Neben Bangkok, Phuket und Koh Samui ist die Großstadt Chiang Mai im bergigen Norden überaus beliebt.

Unkompliziert und vor allem weniger kostspielig ist der längerfristige Aufenthalt in Indonesien. Wer für nicht-indonesische Auftrags- oder Arbeitgeber arbeitet, kann z.B. mit dem „Second Home Visa“ fünf bis zehn Jahre ohne lokale Arbeitserlaubnis vor Ort leben und remote arbeiten.

Nicht zu vergessen: Kanada – ein Land, das seit jeher qualifizierte Fachkräfte priorisiert. Im Juni 2023 wurde dort die Einreise und der sechsmonatige Aufenthalt für digitale Nomaden und Remote-Arbeiter vereinfacht. Zugleich wurden die Bestimmungen für Touristen angeglichen. Im Fokus steht weiterhin die Anwerbung der „Skilled Worker“ aus dem Tech-Sektor.

Viele dieser Länder haben die Pandemie zum Anlass genommen, Visa für digitale Nomaden einzuführen, aber auch die steigende Zahl an Remote-Arbeitsplätzen hat zu der Entwicklung maßgeblich beigetragen.

Eine aktuelle Liste über alle Länder, in denen es gegenwärtig digitale Nomadenvisa gibt, findet man z.B. auf der Plattform Citizenremote. Aktuelle Informationen zu möglichen Visa und ihren rechtlichen Bestimmungen stellen außerdem die offiziellen Webseiten der jeweiligen Einwanderungsbehörden bereit.

Länder ohne digitale Nomadenvisa

Natürlich gibt es auch Länder, die bis dato kein spezifisches digitales Nomadenvisum vorweisen können – die USA beispielsweise. Zwar haben Einreisende hier die Möglichkeit mit bestimmten Touristen- oder Geschäftsvisa bis zu sechs Monate zu bleiben und können während dieser Zeit für nicht-amerikanische Arbeit- oder Auftraggeber tätig sein. Ohne Visum beschränkt sich ihr Aufenthalt jedoch – ganz klassisch – auf unter 90 Tage. Auch in Türkiye gibt es bis jetzt kein spezifisches Nomadenvisum. Anders als in den USA hindert dies Reisewillige jedoch nicht an der längerfristigen Fernarbeit in Türkiye. Dank der regulären türkischen Aufenthaltsgenehmigung können Einreisende das Land unkompliziert auch ohne Visum entdecken und von unterwegs arbeiten. Erlaubt sind Aufenthalte über drei Monate mit unbegrenzten Verlängerungsmöglichkeiten – wobei das Mindesteinkommen bei 550 Euro pro Monat liegt.

Wie viele digitale Nomaden gibt es überhaupt – und wo?

Interessanterweise gibt es bis heute keine verlässlichen Zahlen darüber, wie viele digitale Nomaden es weltweit gibt – nicht zuletzt deshalb, weil eine einheitliche Definition und Erfassungsmethode bis dato fehlen. Schließlich handelt es sich um keine homogene Gruppe. Reisedauer und Reiseziele sind individuell verschieden und ändern sich im Laufe der Zeit immer wieder.

Schätzungen und Studien aus den vergangenen Jahren deuten jedoch darauf hin, dass die Anzahl der digitalen Nomaden weltweit mindestens in die Hunderttausende geht. Andere gehen sogar von Millionen aus. In jedem Fall nimmt der Lifestyle-Trend global zu, da sich immer mehr Menschen für einen flexiblen Lebensstil entscheiden und ihren Wohnort frei wählen möchten.

Längst zieht es die Remote-Arbeiter dabei nicht nur zu den bekannten Hotspots in Thailand und Indonesien, auch andere Länder werden anvisiert – mal mit Blick auf deren gute Infrastruktur, schnelles Internet und verfügbare Coworking Spaces, mal mit Blick auf Klima, Essen und Kultur. Für wieder Andere sind Steuern, Lebenshaltungskosten oder rechtliche Rahmenbedingungen ausschlaggebend.

Digitale Nomaden kurbeln die lokale Wirtschaft an

Fest steht: Viele Länder haben inzwischen die zahlreichen Vorteile der Langzeitbesucher für sich erkannt. Nicht nur leisten diese einen wichtigen Beitrag zur Wirtschaft, indem sie konsumieren, sie fördern auch den Tourismus und bringen neues Wissen und Innovationen ins Land.

Laut der US-Website „A Brother Abroad“ sollen die weltweit 35 Mio. digitalen Nomaden für einen Wirtschaftsbeitrag von 787 Mrd. US-Dollar verantwortlich sein. Da verwundert es nicht, dass viele nationale Regierungen die Fernarbeit durch neue Visa-Programme verstärkt fördern und die Daueraufenthalte vereinfachen. Noch dazu sorgen günstigere, steuerliche Rahmenbedingungen vielerorts für Vorteile. Auch in Japan und Korea wird der Langzeitaufenthalt mit den neuen Visa jetzt deutlich attraktiver.

Mehr über das Mindset und die Lebensgestaltung digitaler Nomaden erzählt der Unternehmer Sebastian Kühn in seinem exklusiven Interview mit TRT Deutsch.