Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) dankt dem Enthüllungsjournalisten Dan McCrum für seine Aufklärungsarbeit zum Wirecard-Skandal. McCrum machte mit seiner beharrlichen Berichterstattung für die britische Zeitung „Financial Times“ die zwielichtigen Geschäftspraktiken des Münchner Zahlungsdienstleisters öffentlich. Scholz sollte am Montag die Laudatio auf McCrum halten, der den Deutschen Reporterpreis erhielt.
Scholz nannte Mccrum in seiner vorab aufgezeichneten Videobotschaft einen „Aufklärer in bester Historie der Pressefreiheit“ und seine Berichte zu Wirecard einen „Meilenstein des investigativen Journalismus“.
Der inzwischen insolvente frühere Dax-Konzern Wirecard hatte im Juni Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt und in der Folge Insolvenz angemeldet. Die Münchener Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Unternehmen seit 2015 Scheingewinne auswies, und ermittelt wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Scholz steht politisch unter Druck, weil die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) seinem Ministerium unterstellt ist. Kritiker werfen der Bafin vor, bei der Kontrolle versagt zu haben. Scholz will die Behörde nun mit mehr Kompetenzen ausstatten.
McCrum hatte schon 2015 über Unregelmäßigkeiten bei Wirecard berichtet und Untersuchungen zu dem Skandal bei dem früheren Dax-Konzern ins Rollen gebracht. Er geriet wegen seiner Berichte selbst in die Kritik und auch ins Visier der Staatsanwaltschaft München. „Ich bin froh, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt hat und sich jetzt auf die Täter konzentriert“, sagte Scholz dazu.
Mit seiner Berichterstattung habe sich McCrum „große Verdienste um den Rechtsstaat, unser Gemeinwesen und - und das will ich hier sehr deutlich sagen - auch um den Finanzstandort Deutschland“ erworben, so Scholz. „Denn er hat in detektivischer Kleinstarbeit mehr als sechs Jahre lang komplexe Verhältnisse durchdrungen, in denen nichts so war wie es schien.“
Unzählige Analysten hätten hingegen an Wirecard geglaubt und eine Erfolgsgeschichte erzählt, während Wirtschaftsprüfer über Jahre nichts beanstandeten. „Es ist gut, dass dies nun in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss untersucht und aufgeklärt wird.“
Der Deutsche Reporterpreis wird seit zwölf Jahren vom Journalisten-Netzwerk Reporter-Forum verliehen. Er ist nicht dotiert und soll Debatten über Qualität im Journalismus befeuern.
8 Dez. 2020
dpa
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