Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nimmt an einer Pressekonferenz nach der Videokonferenz des Europäischen Rats teil. (dpa)
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Nach dem EU-Gipfel wird unter Hochdruck ein Weg gesucht, weitere Billionensummen für den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft nach der Corona-Krise aufzubringen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte zwar am Freitag, nach der Zustimmung der Staats- und Regierungschefs zu einem ersten 500-Milliarden-Euro-Paket habe man die notwendige Zeit, eine Lösung zu entwickeln. Nicht nur Italien mahnt aber zur Eile, um das Geld rasch verfügbar zu haben. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen EU-Staats- und Regierungschefs hatten am Donnerstag bereits verabredetes Paket mit Kredithilfen im Umfang von bis zu 540 Milliarden Euro gebilligt und zusätzlich die Gründung eines Wiederaufbaufonds vereinbart, über den noch einmal 1000 Milliarden Euro oder mehr verteilt werden sollen. Alle Details dieses Fonds sind aber umstritten, darunter Umfang, Finanzierung und Verwendung des Geldes. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen soll bis Mitte Mai ein für alle akzeptables Modell ausarbeiten. Ein genaues Datum nannte ein Sprecher am Freitag noch nicht.

Mit „Recovery Fund“ die finanziellen Spielräume ausweiten

Von der Leyen hat bereits grob skizziert, wie sie vorgehen will. Sie will für den geplanten „Recovery Fund“ die finanziellen Spielräume im EU-Haushaltsrahmen ausweiten. Zusätzliche Zusagen der EU-Länder sollen für Garantien genutzt werden, um damit über Anleihen am Kapitalmarkt Geld für die wirtschaftliche Erholung aufzunehmen. Ein Teil der Hilfen sollen Zuschüsse für die von der Pandemie besonders betroffenen Länder sein, ein weiterer Kredite. Zwischen beiden Formen der Hilfe müsse die richtige Balance gefunden werden, sagte von der Leyen nach dem Gipfel am Donnerstagabend.

Hierin steckt großes Streitpotenzial: Einige nördliche EU-Staaten wollen, dass nur Kredite vergeben werden, die von den Empfängern zurückgezahlt werden müssen. Einige südlichen Staaten wollen Zuschüsse ohne Rückzahlung. Zuschüsse aus dem EU-Haushalt sind nicht neu: Sie sind das Grundprinzip der EU-Strukturfonds, mit denen wirtschaftliche Unterschiede in der Gemeinschaft ausgeglichen werden sollen. Neu wäre es, wenn über Kredit aufgenommene Gelder als Zuschüsse verteilt würden.

Italiens Außenminister: „Das Match ist noch im Gange“

Italiens Außenminister Luigi Di Maio lobte die Grundsatzentscheidung für den Wiederaufbaufonds als Schritt in die richtige Richtung. „Das Match ist noch im Gange. Aber wir können sagen, dass wir ein erstes wichtiges Ergebnis erzielt haben: den Recovery Fund“, erklärte er auf Facebook. Er drängte, dass die finanziellen Mittel sofort zur Verfügung stehen müssten, „um italienischen Unternehmen, Arbeitnehmern und Familien zu helfen“. Bundesfinanzminister Scholz sagte dagegen im Deutschlandfunk, das 500-Milliarden-Paket sei bereits „ein ziemlich schneller Schritt, auf dem wir jetzt erstmal für die nächste Zeit aufbauen können“. Vor allem im Vergleich zur Finanzkrise vor zehn Jahren werde schnell gehandelt. „Wir haben jetzt die notwendige Zeit, das zu entwickeln, was notwendig ist, wenn der Lockdown zu Ende geht, es mit dem Wiederaufbau beginnt“, sagte der SPD-Politiker. Zuerst müsse festgestellt werden, was überhaupt gebraucht werden.

Summen von einer bis 1,5 Billionen Euro im Gespräch

Auch das soll von der Leyen analysieren. Sie sprach erneut davon, dass nicht nur Milliarden, sondern Billionen gebraucht würden. Im Gespräch sind Summen von einer bis 1,5 Billionen Euro. Auch die Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, mahnte zur Eile. Im schlechtesten von drei Szenarien könnte das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone dieses Jahr um 15 Prozent schrumpfen, sagte Lagarde nach Angaben von Teilnehmern beim Gipfel. Sie warnte vor einer zu kleinen und zu langsamen Reaktion. Die Antwort müsse vielmehr schnell, entschlossen und flexibel ausfallen.

Vor diesem Hintergrund kam heftige Kritik an den Gipfelergebnissen. Die Staats- und Regierungschefs hätten mutlos agiert, sagte der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann. Der Chef der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, Philippe Lamberts, beklagte, das Problem werde nur aufgeschoben. Der FDP-Europaexperten Alexander Graf Lambsdorff sprach von einem viel zu langsamen Vorgehen und von einem enttäuschenden Gipfel. Der Linken-Politiker Fabio De Masi warb noch einmal für echte Corona-Bonds, also Gemeinschaftsanleihen mit voller gemeinsamer Haftung. Denen hat Bundeskanzlerin Merkel aber eine klare Absage erteilt. Zu höheren Beiträgen an den EU-Haushalt ist Deutschland hingegen bereit. Weder Merkel noch Scholz nannten bisher aber eine Größenordnung.

dpa