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Mitte Juni hat die Bundesregierung die offizielle Corona-Warn-App zum Download freigeschaltet. Sie soll helfen, die Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen. Während die App großes Lob beim Datenschutz erntet, wird ihre Nutzbarkeit kritisiert.

Seit die offizielle deutsche Corona-Warn-App nach wochenlangen Tests Mitte Juni von der Bundesregierung in Berlin vorgestellt und kostenlos zum Download freigeschaltet wurde, haben laut Robert Koch-Institut (RKI) bis einschließlich 13. Juli 2020 insgesamt 15,6 Millionen Menschen die Bluetooth-basierte App heruntergeladen und auf ihren Smartphones installiert.

Ein Erfolg und ein Erfordernis zugleich, könnte man meinen, blickt man auf die bislang über 198.800 Corona-Infizierten in Deutschland – wovon 5141 aktuell erkrankt und über 9000 Verstorben sind (Stand: 12. Juli 2020, Quelle: RKI). Auch angesichts der Reproduktionszahl von 0,9 am 10. Juli 2020 und einem zunehmenden, teils grenzüberschreitenden Reiseverkehr in der Sommersaison erscheint es zielführend, digitale Hilfsmittel zur Optimierung der Nachverfolgung und Eindämmung der Pandemie einzusetzen.

Wie die Corona-Warn-App funktioniert

Verfügbar ist die Corona-Warn-App aktuell im App Store und bei Google Play in allen EU-Mitgliedsstaaten sowie in Großbritannien, Norwegen und in der Schweiz. Wer die App aktiv nutzt, wird über den Kontakt mit infizierten Personen umgehend informiert und kann durch frühzeitige Selbstisolation schneller dazu beitragen, laufende Infektionsketten zu unterbrechen.

Möglich ist das durch ein sogenanntes Proximity Tracing: Die App misst den Abstand und die Dauer aller Zusammentreffen mit anderen Personen über eine Bluetooth-Verbindung der entsprechenden Smartphones. Dabei ist unerheblich, ob es sich um eine flüchtige Begegnung auf der Straße oder im Bus handelt oder um eine längere Verabredung.

Bei jeder Begegnung – ob zufällig oder geplant – tauschen die Smartphones verschlüsselte Zufallscodes aus, die 14 Tage lang auf den Endgeräten ihrer Nutzer gespeichert werden und Informationen darüber enthalten, wann, für wie lange und mit welchem Abstand sich zwei Menschen begegnet sind.

Liegt ein positiver SARS-Cov-2-Test vor, können Nutzer diese Information freiwillig teilen und so dafür sorgen, dass alle gespeicherten Kontaktpersonen unmittelbar über das Infektionsrisiko benachrichtigt werden. Im Fall einer Infektion ist eine Rückverfolgung von Kontakten somit deutlich einfacher und vollständiger als auf dem klassischen Weg der manuellen Rekonstruktion der Begegnungen.

Rundum geschützte Daten: anonymisiert bei dezentraler Speicherung

Bei der Datenerfassung setzt die Corona-Warn-App auf den maximalen Schutz der Privatsphäre und trägt damit den großen Datenschutzbedenken der Deutschen Rechnung: so waren an der Entwicklung der Anwendung u.a. das Bundesamt für Sicherheit in der IT und der Bundesaufbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit beteiligt.

Wie die Bundesregierung betonte, erfasst die App keine Identitätsdaten der Nutzer wie Namen, Standorte oder Telefonnummern: der Einzelne bleibt somit anonym und ist für Außenstehende nicht identifizierbar. Ausgetauscht werden lediglich anonymisierte IDs zwischen den Endgeräten der Nutzer, wobei ausschließlich die IDs zentral gespeichert werden; der übrige Teil der Daten verbleibt dezentral auf den Endgeräten der Anwender und wird bereits nach 14 Tagen wieder gelöscht.

Die Zustimmung zur Aktivierung der Datenspeicherung ist dabei ebenso freiwillig wie die Freischaltung eines positiven Testergebnisses und Information anderer User hierüber. So hob der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn hervor, es stecke viel Arbeit in der App, weil man höchste Anforderungen an Datensicherheit und Batterie-Laufzeit gestellt habe: „Die App wahrt die Anonymität und ist in jeder Hinsicht freiwillig“, sagte der Minister anlässlich der Freischaltung.

Lob vom Bundesministerium für Gesundheit und der Bundeskanzlerin

In einem Video-Podcast bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel die Corona-Warn-App unlängst als „neues, wichtiges Werkzeug“. Sie betonte mit Nachdruck: „Jeder, der die App nutzt, leistet einen Beitrag dazu, das Virus auch zukünftig unter Kontrolle zu halten. Die App merkt sich, welchen Smartphones wir mit unseren eigenen Smartphones nahegekommen sind und warnt uns, wenn bei einer der Personen, der wir in den letzten 14 Tagen nah begegnet sind, das Coronavirus diagnostiziert worden ist“, erklärte die Kanzlerin und appellierte an die deutsche Bevölkerung: „Je mehr mitmachen, desto größer ist der Nutzen.“

Der Chef von Deutschlands größter gesetzlicher Krankenversicherung, der TK-Vorstandsvorsitzende Dr. Jens Baas, nannte die Corona-Warn-App einen sinnvollen „Baustein im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus“. Die Erwartungen sollten jedoch nicht zu hochgesteckt werden, warnte er: „Die App kann auch keine Wunder vollbringen. Wie hoch der Nutzen wirklich ist, muss sich noch zeigen.“

Zudem ersetze die App natürlich auch keine Abstands- noch Hygieneregeln. Dennoch riet Baas den Deutschen, die Chancen der Digitalisierung für den Kampf gegen Corona durch aktive Mitarbeit zu nutzen: „Die Chancen steigen mit der Nutzerzahl. Deshalb appelliere ich an alle, die App auf ihren Smartphones zu installieren.“

Open-Source-Ansatz mit Schwierigkeiten für manche Endgeräte

Doch gerade die Installation stellt viele Motivierte mit älteren Geräten aktuell vor Probleme: Obwohl auf Entwicklerseite auf eine gute Usability und breitflächige Unterstützung geachtet wurde – von der datensparsamen, denkbar einfachen Installation bis zum Open-Source-Ansatz ist die Corona-Warn-App weder für die älteren iPhone Generationen 5, 5S und 6 noch für Android-Versionen ohne Bluetooth LE-Unterstützung nutzbar. Updates für ältere iOS- und Android-Versionen sind trotzdem nicht geplant.

Kritische Stimmen sagen nun, dass Apple und Google die Verwendung der App ausschließlich auf ihre neuesten Modelle beschränken wollen. Unabhängig davon bleibt fraglich, ob insbesondere Ältere, die zur großen Risikogruppe zählen und weniger technisch versiert sind, überhaupt ausreichend Zugang zu der App haben. Und auch im Ausland hilft die deutsche Corona-Warn-App nicht: dort müssen dann die Pendants der Nachbarn installiert und verwendet werden.

Zur Vermeidung einer zweiten Welle sowie auch für das eigene Sicherheitsgefühl ist die App jedoch allemal ein nützliches Frühwarnsystem. Überdies können Nutzer ihre Daten innerhalb der App freiwillig zur epidemiologischen Forschung an das RKI übermitteln.