Symbolbild: Syrische Flüchtlinge in einer Zeltstadt (AP)
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von Bilge Nasibe Kotan

Die jüngst abgehaltenen Präsidentschaftswahlen in Syrien endeten so, wie es sowohl die Anhänger des Regimes als auch die Opposition erwartet hatten: Gegen zwei Zählkandidaten aus Blockparteien setzte sich Machthaber Baschar al-Assad angeblich mit 95,1 Prozent aller abgegebenen Stimmen durch. Seine Anhänger feierten den Sieg bereits vor dem 26. Mai, an dem die Wahl stattfinden sollte – und in sozialen Medien machten Memes die Runde, in denen sich Nutzer in aller Welt über die Scheinabstimmung lustig machten.

Wahlen als „Machtdemonstration und Ritual“

Wie schon sein Vater Hafiz al-Assad nutzt Baschar alle erdenklichen rücksichtslosen Taktiken, um so lange wie möglich an der Macht bleiben zu können. Während Hafiz sich so 29 Jahre im Amt hielt, sind es bei seinem Sohn mittlerweile auch schon 21 Jahre – wobei seine Herrschaft mit dem Blut tausender Syrer befleckt ist, die sich 2011 gegen seine Tyrannei erhoben.

Gegenüber Beobachtern der Situation in Syrien macht Assad nun deutlich, dass er entschlossen ist, seine Macht in jedem Fall zu behalten – wenn nicht auf Grundlage der Überzeugung der Menschen, dann aufgrund von Gewalt.

Thomas Pierret, langjähriger Forscher am Institut für Forschung und Studien über die arabische und muslimische Welt (IREMAM), bezeichnet Wahlen unter den Bedingungen der Assad-Herrschaft als „Machtdemonstration“ und „Ritual“. Sie sollen dazu dienen, Menschen – vor allem jene, die in ehemals von der Opposition gehaltenen Gebieten leben – an die Urnen zu bringen, um dort „ihre eigene Unterwerfung unter das Regime“ zu vollziehen.

Pierret erklärt gegenüber TRT World:

„Das Hauptziel der Wahl war nicht so sehr, die Regimeanhänger selbst ins Visier zu nehmen, sondern jene Syrer, die Assad nicht unterstützen, aber unter dessen Kontrolle leben.“

Im Vorfeld wurde 1,8 Millionen Syrern das Wahlrecht aberkannt

Ausländische Unterstützer des Assad-Regimes reagierten zunehmend kritisch auf die Wirtschaftskrise in den unter Assads Kontrolle verbliebenen Landesteilen, die dazu geführt hat, dass an die 90 Prozent der Bewohner an der Armutsgrenze leben. Seine Hardcore-Loyalisten haben sich jedoch in noch pathetischerer Weise um ihn geschart – wie beispielsweise ein Kommandant seiner Armee, der sich in einer Show-Vorführung mit einem Messer in die Brust schnitt und seinen Stimmzettel mit seinem eigenen Blut markierte.

Pierret meint, Assad lege gar keinen Wert darauf, die Herzen seiner Gegner für sich zu gewinnen. Der Innenminister seines Regimes machte deutlich, dass etwa 1,8 Millionen Syrern innerhalb und außerhalb des Landes kurzerhand das aktive Wahlrecht aberkannt wurde. Gleichzeitig wurde der Druck auf Bewohner zuvor von der Opposition gehaltener Regionen verstärkt, öffentlich ihre Unterstützung für Assad zu bekunden.

Zwangsvorführung in Douma

Dies sei dem Umstand geschuldet, dass die Führung in Damaskus diese Menschen immer noch als Feinde und Verräter am Regime betrachte, die diesen Eindruck nur durch öffentliches Bekenntnis abschütteln könnten:

„Es hat immensen Symbolcharakter, dass der Ort, den man für die zentrale Durchführung der Wahl bestimmt hat, die Stadt Douma ist, eine frühere Hochburg der Opposition.“

Die Stadt gilt als Wiege der syrischen Revolution. Auch deshalb wendeten das Regime und seine Verbündeten besondere Anstrengungen auf, um die Stadt im Zuge der Rückeroberung dem Erdboden gleichzumachen. Sie stehen sogar im Verdacht, Chemiewaffen bei dem Angriff eingesetzt zu haben. Douma soll damit Schauplatz einer der schrecklichsten Grausamkeiten des Kriegs in Syrien gewesen sein.

USA warnen vor Normalisierungskurs gegenüber Assad

Der oppositionelle syrische Journalist Ayman Abdel Nour geht zudem davon aus, dass Assad die Wahl abhalten ließ, um seinen verbliebenen internationalen Unterstützern, darunter Ägypten, China und einige arabische Länder, eine Rechtfertigung zu geben, ihre Rückendeckung entgegen internationalem Druck aufrechtzuerhalten.

„Immerhin können diese Länder jetzt sagen, Assad habe eine Wahl gewonnen, auch wenn diese zum Teil nicht fair gewesen sei“, erläutert Abdel Nour. „Also was spräche dagegen, die Beziehungen zum Regime zu normalisieren und beispielsweise Botschaften wieder zu öffnen?“

Die USA und europäische Länder hatten die Wahl bereits im Vorfeld als „weder frei noch fair“ eingestuft. Sie haben errechnet, dass sich unter Berücksichtigung aller ins In- und Ausland geflüchteten Syrer, die sich in der Türkei, im Libanon, in Westeuropa, in nordsyrischen Flüchtlingslagern oder in Idlib aufhalten, nur 25 Prozent aller Syrer an der Wahl beteiligen konnten.

Die Position der UNO oder der internationalen Gemeinschaft ändere sich dadurch nicht, meint Abdel Nour. Aber das US-Außenministerium habe jüngst erklärt, Sanktionen der USA gegen das syrische Regime könnten sich auch gegen dessen Verbündete richten. Das könnte als versteckte Botschaft diese davon Abstand nehmen lassen, ihre Botschaften in Damaskus wieder zu öffnen.

Auch Deutschland erkennt die Wahlen nicht an

Der mittlerweile in Deutschland ansässige syrische Flüchtling Mazen Hassoun erklärte, dass Millionen von Syrern in Syrien selbst und Flüchtlinge in anderen Ländern „die Wahlen nicht anerkennen und sich darüber im Klaren sind, dass Assad diese inszeniert hat“.

Das syrische Regime, so Hassoun, habe eine „lange Geschichte des Fälschens und Täuschens bei Präsidentenwahlen“. Schon Assads Vater sei nur durch einen Putsch an die Macht gekommen. Deutschland hat die Wahlen ebenfalls als Farce eingeordnet. Deshalb wurde der syrischen Botschaft in Berlin auch nicht gestattet, die Möglichkeit einer Stimmabgabe anzubieten.

TRT Deutsch