Russlands Präsident Wladimir Putin hat im Konflikt um die Ukraine seinen Ton verschärft und mit einer „militärisch-technischen“ Reaktion auf das angeblich „unfreundliche“ Verhalten des Westens gedroht. Sollte der Westen seine „eindeutig aggressive Haltung“ nicht aufgeben, „werden wir die angemessenen militärisch-technischen Vergeltungsmaßnahmen ergreifen“, sagte Putin am Dienstag in Moskau. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) drang in einem ersten Telefonat mit dem russischen Staatschef auf „Deeskalation“.
Russland werde „hart auf unfreundliche Schritte reagieren“, sagte Putin in einer Rede vor ranghohen Vertretern der Armee und des Verteidigungsministeriums. Er wirft den USA und der Nato seit Wochen vor, die Spannungen nahe der russischen Grenze zu schüren. Die Äußerungen Putins nähren Befürchtungen, die russische Armee könnte einen Einmarsch in die Ukraine planen. Russland hat an der Grenze zum Nachbarland zehntausende Soldaten zusammengezogen. Die G7-Staaten und die EU drohen Russland im Falle eines Angriffs mit „massiven Konsequenzen“.
Moskau bestreitet die Vorbereitung einer Invasion in der Ukraine und wirft der Regierung in Kiew und der Nato Provokationen vor. Von den USA und dem Westbündnis forderte Putin zuletzt schriftliche Sicherheitsgarantien mit einem Verzicht auf eine weitergehende Nato-Osterweiterung und auf die Errichtung von Militärstützpunkten in ehemaligen Sowjetrepubliken.
Gespräche mit Scholz und Macron
„Detaillierte Angaben“ zu diesen Forderungen machte Putin nach Angaben des Kreml in seinem ersten Telefonat mit dem neuen Bundeskanzler Scholz. Dabei verlangte er „ernsthafte Verhandlungen“ über die von ihm geforderten Sicherheitsgarantien. Auch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron sprach Putin am Telefon über seine Forderungen, wie der Kreml und der Élysée-Palast mitteilten.
Scholz wiederum brachte in dem Telefonat mit Putin seine „Sorge angesichts der Lage“ zum Ausdruck und hob die dringende „Notwendigkeit einer Deeskalation“ hervor, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitteilte.
In seiner Rede vor den Militärvertretern in Moskau sagte Putin, er sei „extrem besorgt“ über die Stationierung von US-Raketen in Polen und Rumänien, von wo in Kürze Tomahawk-Marschflugkörper starten könnten. „Wenn diese Infrastruktur näher kommt, wenn US- und Nato-Raketensysteme in der Ukraine auftauchen, dann reduziert sich ihre Anflugzeit auf Moskau auf sieben oder zehn Minuten“, sagte Putin. Mit Hyperschallwaffen werde sich die Zeit noch verkürzen.
Putin versicherte, Russland wolle keinen „bewaffneten Konflikt“ und kein „Blutvergießen“, sondern die Angelegenheiten „auf politischem und diplomatischem Wege lösen“. Er beschwerte sich jedoch erneut über die Unterstützung der USA für die Ukraine, welche Militärtraining und mehr als 2,5 Milliarden Dollar umfasst. Dies finde „vor unserer Haustür“ statt, warnte er.
Angst vor russischem Angriff
Der Westen befürchtet, dass Putin unter dem Vorwand einer angeblichen Provokation in der Ukraine einen großangelegten Angriff starten könnte. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu warf Washington am Dienstag vor, 120 US-Söldner hätten „eine unbekannte chemische Substanz“ in zwei Städte an der Frontlinie in der Ostukraine gebracht.
In der Ostukraine bekämpfen sich seit 2014 pro-russische Milizen und die ukrainische Armee, nachdem Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektiert hatte. Moskau unterstützt in dem Konflikt die Separatisten, die in Luhansk und Donezk sogenannte Volksrepubliken ausgerufen haben. Insgesamt wurden bereits mehr als 13.000 Menschen bei den Kämpfen getötet.
Scholz und Putin sprachen in diesem Zusammenhang auch über den Stand der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen, mit denen der Konflikt in der Ostukraine friedlich gelöst werden soll. Der Kanzler habe die Notwendigkeit bekräftigt, die Verhandlungen im Normandie-Format voranzubringen, teilte der Regierungssprecher in Berlin mit. In dem Vierer-Format bemühen sich Deutschland und Frankreich gemeinsam um eine Lösung zwischen Russland und der Ukraine.
22 Dez. 2021
AFP
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