10.06.2020, Israel, Jerusalem: Heiko Maas, Bundesaußenminister, spricht auf einer Pressekonferenz mit dem israelischen Amtskollegen. (dpa)
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Bundesaußenminister Heiko Maas hat bei einem Besuch in Israel die geplante Annexion palästinensischer Gebiete als Rechtsbruch kritisiert, aber auf eine Drohung mit Konsequenzen verzichtet. Der SPD-Politiker warb am Mittwoch in Jerusalem für eine Wiederaufnahme der vor sechs Jahren ausgesetzten direkten Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern über eine Lösung des Nahost-Konflikts.

Die vor drei Wochen vereidigte neue Regierung Israels will auf Grundlage eines Nahost-Plans von US-Präsident Donald Trump bis zu 30 Prozent des besetzten palästinensischen Westjordanlands annektieren. Die ersten Schritte könnten am 1. Juli eingeleitet werden. Am selben Tag übernimmt Deutschland die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union und den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Die Annexionspläne sind international hoch umstritten.

In der EU wird darüber diskutiert, ob man auf eine Annexion mit Sanktionen reagieren sollte. Maas sagte dazu: „Ich halte überhaupt nichts davon, in Zeiten, in denen Entscheidungen überhaupt noch nicht getroffen sind, mit Drohungen Politik zu machen.“ In seinem Gespräch mit dem neuen israelischen Außenminister Gabi Aschkenasi habe er „überhaupt keine Preisschilder aufgestellt“. Er habe aber die „ehrlichen und ernsthaften Sorgen“ Deutschlands als „ganz besonderer Freund Israels“ dargelegt.

Maas machte auch die rechtliche Position der Bundesregierung deutlich. „Gemeinsam mit der Europäischen Union sind wir der Ansicht, dass eine Annexion nicht mit internationalem Recht vereinbar wäre.“

Laut Maas wird sich Deutschland weiter für Verhandlungen einsetzen, um eine einvernehmliche Zwei-Staaten-Lösung zu erreichen. Um diesem Ziel näherzukommen, seien „kreative Impulse für die Wiederbelebung der Gespräche“ nötig, betonte Maas. „Jetzt ist die Zeit der Diplomatie und des Dialoges.“

Sorgen werden zum Ausdruck gebracht

Auf Anfrage von TRT Deutsch kommentierte Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: „Deutschland und Israel sind in enger Freundschaft miteinander verbunden. Ich begrüße daher ausdrücklich die Reise von Bundesaußenminister Heiko Maas zunächst nach Israel und anschließend nach Jordanien.“

„Dies ist die erste Auslandsreise von Außenminister Maas außerhalb Europas seit Beginn der Covid-19 Pandemie und zugleich ist er der erste hochrangige Staatsgast, den die neue Koalitionsregierung unter Ministerpräsident Netanjahu empfängt.“ Der SPD-Politiker unterstrich: „Die Reise findet zum richtigen Zeitpunkt statt, denn die durch die Regierung in Aussicht gestellte Annexion von Teilen des Westjordanlands birgt das Risiko einer neuerlichen Destabilisierung der Region.“

„Der Außenminister wird daher auch die damit verbundenen Sorgen gegenüber seinen israelischen Gesprächspartnern zum Ausdruck bringen. Deutschland sieht sich dem Ziel
einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung unverändert verpflichtet“, fügte er hinzu.

Deutschland könnte sein Gewicht in Waagschale werfen

Über die deutsche Vermittler-Rolle erklärte die Politologin Dr. Muriel Asseburg von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP) gegenüber TRT Deutsch: „Es ist lange her, dass Deutschland eine aktive Rolle als Mediator zwischen den Konfliktparteien hatte und diese war auch immer sehr beschränkt – am prominentesten unter Außenminister Joschka Fischer, der damals einen Sieben-Punkte-Plan für Frieden in Nahost vorlegte.“

„In den letzten Jahren gab es lediglich eine unterstützende, eher technische Rolle Deutschlands bei den Gesprächen über Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hamas. Aber Deutschland hätte Mittel, gemeinsam mit seinen Partnern in der EU, um Israels Politik zu beeinflussen. Es müsste darum gehen, die Kosten-Nutzen-Rechnung der israelischen Regierung durch Anreize und Sanktionen zu beeinflussen“, fügte sie hinzu.

„Das ist in der derzeitigen Situation, in der sich Premierminister Netanjahu durch die US-Administration in seiner Politik unterstützt sieht und die palästinensische Frage für eine Annäherung mit den Golfstaaten eine untergeordnete Rolle spielt, nicht leicht“, so die Politologin, die allerdings auch unterstreicht: „Aber möglich wäre es schon, dass europäische Gewicht in die Waagschale zu werfen. Ich sehe allerdings nicht, dass die Bundesregierung dazu bereit ist, entsprechend eindeutige Signale zu senden.“

Israel hat während des Sechstagekrieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert und treibt dort seitdem Siedlungsprojekte voran. Die Palästinenser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat - mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt.

Maas wollte auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Benny Gantz treffen. Auf den sonst üblichen Besuch bei der palästinensischen Regierung in Ramallah verzichtete er unter Verweis auf die „erschwerten Bedingungen“ wegen der Corona-Pandemie. Auf palästinensischer Seite sorgte das für Irritationen. Am Abend war allerdings ein Gespräch per Video mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Schtaje von Jordanien aus geplant, der zweiten Station der Reise.

TRT Deutsch und Agenturen