Unruhen in Mali (dpa)
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Nach dem erzwungenen Rücktritt des Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta soll der westafrikanische Krisenstaat Mali nach dem Willen der Putschisten von einem Übergangskomitee regiert werden.

„Ich will nicht, dass Blut vergossen wird, damit ich an der Macht bleiben kann“, sagte der seit 2013 amtierende, zuletzt zunehmend unbeliebte Präsident nach einer Meuterei im Staatsfernsehen. Die EU und die USA verurteilten den Militärputsch. Die Afrikanische Union setzte die Mitgliedschaft Malis aus bis zur „Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung“, wie es in einer Erklärung des AU-Friedens- und Sicherheitsrates. Der UN-Sicherheitsrat forderte die Meuterer auf, „alle inhaftierten Staatsbediensteten sicher und unverzüglich freizulassen und unverzüglich in ihre Kasernen zurückzukehren“ Ungeachtet dessen verkündeten die aufständischen Militärs ein Übergangskomitee, das demnächst Wahlen abhalten wolle. Ob der Putsch Konsequenzen für die Bundeswehr in Mali haben würde, war zunächst unklar - laut Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer geht es den Soldaten im Land aber gut. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, der Putsch habe erst einmal keine Auswirkungen auf die Stationierung europäischer Soldaten in Mali. Zu der Meuterei kam es am Dienstag in Kati, einer Garnisonsstadt etwa 15 Kilometer von der Hauptstadt Bamako entfernt. Zunächst herrschten große Spannungen und Unsicherheit in dem Land. Die US-Botschaft berichtete von Schüssen und Demonstrationen in Bamako. Dann wurden Keïta und andere Mitglieder seiner Regierung von den Putschisten festgenommen.

„Wir standen so kurz vor der Lösung“

„Ich verspüre keinen Hass gegen irgendjemanden, meine Liebe zu meinem Land erlaubt es mir nicht“, sagte der 75-jährige Keïta - wegen Corona bekleidet mit einer Maske - in seiner Rücktrittserklärung. Er erklärte die Regierung und das Parlament für aufgelöst. Die aufständischen Militärs verkündeten daraufhin die Einsetzung des Nationalen Komitees für die Errettung des Volkes (CNSP), das innerhalb eines „angemessenen Zeitrahmens“ Wahlen organisieren wolle. Kalla Ankourao, als Außenminister des Nachbarstaates Niger Mitglied im Vermittlerteam der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, sprach von einer herben Enttäuschung. „Zwei Monate lang haben wir versucht zu vermitteln und gehofft, dass das malische Volk sich an die Vorgaben der Ecowas, nämlich Demokratie und gute Regierungsführung, halten würde“, sagte er der Deutschen Welle. Der Putsch sei ein brutaler Stopp der Verhandlungen und komme zur Unzeit: „Wir standen so kurz vor der Lösung.“ Ein Sprecher der Putschisten, Ismael Wagué, der bisherige stellvertretende Leiter des Generalstabs der Luftwaffe, warf der Regierung vor, das Land in „Chaos, in die Anarchie und in die Unsicherheit“ gestürzt zu haben. Wagué verkündete die Schließung aller Grenzen und die Einstellung des internationalen Flugverkehrs. Der genaue Auslöser des Putsches war zunächst unklar. Der instabile Krisenstaat wird seit Jahren von islamistischen Terrorgruppen geplagt und Keïta wurde oft dafür kritisiert, das Problem nicht in den Griff zu bekommen. Zudem hatte sich jüngst eine Oppositionsbewegung gebildet, die Keïta Korruption und Wahlmanipulationen vorwarf und seinen Rücktritt forderte.

Meuterei wurde international hart verurteilt

Mehrere Terrorgruppen sind in Mali und anderen Ländern der Sahelregion aktiv, einige von ihnen haben der Daesh-Terrororganistion und dem Terrornetzwerk Al-Kaida die Treue geschworen. Frankreich unterstützt den Kampf gegen diese Organisationen mit dem Militärkampfeinsatz „Barkhane“, für den rund 5100 Soldaten in der Sahelzone im Einsatz sind. Zudem unterstützt eine UN-Mission den Friedensprozess in Mali, nachdem der Norden des Landes im Jahr 2012 vorübergehend in die Hände von Rebellengruppen geraten war, bevor Frankreich militärisch eingriff. Auch gibt es in Mali eine EU-Ausbildungsmission. An den beiden internationalen Einsätzen in Mali ist die Bundeswehr beteiligt. Laut Verteidigungsministerium sind derzeit an der EU-Mission rund 75 deutsche Soldatinnen und Soldaten beteiligt und an der UN-Mission rund 900. „Die gute Nachricht ist: Unserer Truppe geht es gut. Alle sind sicher, alle sind zurückbeordert in die Liegenschaften“, sagte Kramp-Karrenbauer dem Sender „Welt“. Auf die Frage, ob die deutschen Soldaten bei einer Zuspitzung der Lage abgezogen würden, sagte die Ministerin, dies werde man gemeinsam mit den Verantwortlichen der UN-Mission und der europäischen Mission und dem Partner Frankreich besprechen. Zuvor hatte eine Sprecherin des Einsatzführungskommandos in Geltow bei Potsdam gesagt, dass die Sicherheitsmaßnahmen für die Soldaten in Mali verschärft worden seien. Die Meuterei wurde international hart verurteilt. Die USA forderten alle politischen und militärischen Akteure auf, sich für eine Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung einzusetzen, wie Außenminister Mike Pompeo am Mittwoch erklärte. Die Freiheit und Sicherheit der Regierungsvertreter, die im Rahmen der „Meuterei“ vom Dienstag festgenommen worden seien, müsse garantiert werden, forderte Pompeo. Auch die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union verurteilten Militärputsch. „Wir unterstützen die Bemühungen der Regionalorganisation Ecowas, hier zu einer politischen Lösung zu kommen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einem EU-Videogipfel.

„Frieden, Stabilität und Demokratie sind unsere Priorität“

„Der Kampf gegen terroristische Gruppen und die Verteidigung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind untrennbar miteinander verbunden“, erklärte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. „Sich daraus zurückzuziehen bedeutet, Instabilität zu provozieren und unseren Kampf zu schwächen. Das ist nicht akzeptabel“, so Macron. Er forderte die Freilassung von Präsident Keïta und Regierungsmitgliedern. „Frieden, Stabilität und Demokratie sind unsere Priorität.“ Auch UN-Chef António Guterres, die Afrikanische Union und das westafrikanische Regionalbündnis Ecowas verurteilten den Putsch. Ecowas hatte in den vergangenen Monaten versucht, in der innenpolitischen Krise Malis zu vermitteln. UN-Sprecher Stéphane Dujarric sagte am Mittwoch in New York: „Je früher wir zurück zu einer verfassungsmäßigen Ordnung mit Klarheit zurückkommen, desto besser wird es vor allem für die malische Bevölkerung, aber offensichtlich auch für die Arbeit der (UN)-Mission sein“ Die Vereinten Nationen riefen die Sicherheitskräfte im Land zu maximaler Zurückhaltung auf. Der Sprecher der Putschisten Wagué versprach, dass alle Abkommen mit nationalen und internationalen Partnern respektiert würden. Zudem versicherte er, dass die UN-Mission Minusma, die französische Mission „Barkhane“ und die G5-Sahel-Gruppe «unsere Partner für die Stabilität und die Wiederherstellung der Sicherheit bleiben». Die G5-Sahel ist ein Zusammenschluss von Mali, Mauretanien, Niger, Burkina Faso und dem Tschad zur Bekämpfung des Terrorismus in der Region.

dpa