Poster von Benny Gantz (l.) und Benjamin Netanjahu (r.) (AFP)
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Israel ist nach Medienberichten auf dem Weg zu einer großen Koalition. Der frühere Militärchef Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß wurde am Donnerstag überraschend zum Parlamentspräsidenten gewählt. Der Schritt könnte den Weg ebnen zu einer Koalition mit dem rechts-religiösen Block um Premierminister Benjamin Netanjahu (Likud).
In seiner ersten Rede als Parlamentspräsident rief Gantz zur nationalen Einheit auf. Er werde sich mit aller Macht für die Bildung einer großen Koalition einsetzen. „Dies ist nicht die Zeit für Streit und Spaltung“, sagte er mit Hinweis auf die Corona-Krise. Es wurde erwartet, dass er das Amt nur kurz ausfüllt und dann von einem Kandidaten der Likud-Partei von Netanjahu abgelöst wird.

Die Entwicklung könnte den Weg für ein „Rotationsabkommen“ ebnen, bei dem sich Netanjahu und Gantz, ein ehemaliger Militärchef, als Premierminister abwechseln würden. Das israelische Fernsehen berichtete, Gantz solle zunächst Außenminister in einer großen Koalition mit Netanjahu werden. Netanjahu solle eineinhalb Jahre lang Ministerpräsident bleiben und dann im September 2021 von Gantz abgelöst werden. Auch die Ressorts Justiz, Wirtschaft und Verteidigung sollten demnach an Blau-Weiß gehen.

Es regt sich auch Kritik in den eigenen Reihen. Jair Lapid, ein Politiker von Blau-Weiß, lehnt den Schritt von Gantz vehement ab. Er sagte am Donnerstagabend: „Benny Gantz hat sich Netanjahu kampflos unterworfen und ist in seine Regierung gekrochen.“ Die Corona-Krise sei „kein Grund, Werte aufzugeben“. Gantz hatte zuvor eine Kooperation mit Netanjahu unter Berufung auf den bevorstehenden Prozess des Premierministers wegen Bestechlichkeit, Betrug und Vertrauensbruch kategorisch ausgeschlossen.

Israel wird seit Ende 2018 von einer Übergangsregierung unter Netanjahu verwaltet. Am 2. März hatten die Bürger zum dritten Mal innerhalb eines Jahres ein neues Parlament gewählt. Doch die Pattsituation zwischen den Lagern hielt weiter an. Am Montag vergangener Woche erhielt Gantz den Auftrag zur Regierungsbildung. Netanjahu rief auf die Coronavirus-Krise hinweisend zur Bildung einer Notstandsregierung mit Blau-Weiß auf.

Einsatz von Soldaten gegen Coronavirus
Rund 500 Soldaten sollen in Israel die Polizei beim Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus unterstützen. Die Armeeangehörigen sollen etwa bei Straßensperren, beim Patrouillieren und beim Isolieren einzelner Gebiete zum Einsatz kommen, teilte die Armee am Freitag mit.
Die Zusammenarbeit werde am Sonntag beginnen. Jedem der acht Polizeidistrikte im Land werde eine Kompanie zugeteilt. Bereits am Dienstag hatte Militärsprecher Jonathan Conricus gesagt, die Armee stehe für die Unterstützung der Polizei bereit. Da war allerdings von deutlich mehr Soldaten die Rede.
Israel hatte am Mittwoch wegen der Ausbreitung des Coronavirus die Ausgangsbeschränkungen im Land weiter verschärft. Die Menschen sollen demnach zu Hause bleiben, nur in Ausnahmefällen ist der Ausgang erlaubt.
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums ist das Virus Sars-CoV-2 mittlerweile bei 3035 Personen in Israel nachgewiesen worden, 79 sind wieder genesen. Zehn Menschen sind den Angaben zufolge nach einer Coronavirus-Infektion gestorben. Zehntausende Menschen befinden sich in häuslicher Quarantäne.

TRT Deutsch und Agenturen