21.01.2022, Schweiz, Genf: Antony Blinken (l), Außenminister der USA, und Sergei Lawrow, Außenminister von Russland, begrüßen sich vor ihrem Treffen. (dpa)
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US-Außenminister Antony Blinken und sein russischer Kollege Sergej Lawrow haben sich auf eine Fortsetzung der diplomatischen Bemühungen in der Ukrainekrise geeinigt. Blinken schloss bei dem Treffen in Genf am Freitag auch einen Austausch zwischen US-Präsident Joe Biden und Russlands Staatschef Wladimir Putin nicht aus. Kiew begrüßte die Fortsetzung der Bemühungen um einen Abbau der Spannungen.

Blinken warnte bei dem Treffen erneut vor einem russischen Einmarsch in die Ukraine: Dieser würde eine „gemeinsame, rasche und ernste“ Reaktion nach sich ziehen, sagte er. Lawrow sprach nach dem Treffen von einem „offenen“ Austausch. Beide Seiten seien sich über die Notwendigkeit eines „vernünftigen Dialogs“ einig. Er hoffe, dass sich die „Gemüter nun beruhigen“, sagte der russische Außenminister. Eine Diskussion über ein Gipfeltreffen von Putin und Biden bezeichnete er aber als „verfrüht“.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba begrüßte die Einigung. Es sei zu wissen, dass der diplomatische Kontakt zu Russland aufrecht erhalten werde, erklärte Dmytro Kuleba auf Twitter nach einem Telefongespräch mit Blinken. Auch UN-Generalsekretär António Guterres forderte eine Fortsetzung der Gespräche. „Ich glaube, dass Diplomatie der Weg ist, um Probleme zu lösen“, sagte Guterres. Er sei überzeugt davon, dass eine militärische Eskalation verhindert werden könne.

Unmittelbar vor dem Treffen hatte die russische Regierung ihre Forderungen an den Westen bekräftigt: Die Nato müsse ihre ausländischen Soldaten aus allen Ländern abziehen, die bis 1997 nicht Teil des Verteidigungsbündnisses waren. Explizit nannte das russische Außenministerium dabei auch die EU- und Nato-Mitglieder Rumänien und Bulgarien. Eine Nato-Sprecherin, die rumänische Regierung und der als prorussisch geltende bulgarische Präsident Rumen Radew wiesen die Forderungen als „inakzeptabel“ zurück.
Russland droht „die ernsthaftesten Konsequenzen“ an
Moskau verlangt von der Nato auch einen schriftlichen Verzicht auf eine weitere Osterweiterung. Das Verteidigungsbündnis lehnt dies ab. „Wir gehen davon aus, dass wir Russland in der nächsten Woche unsere Bedenken und Ideen in schriftlicher Form detaillierter mitteilen können“, sagte Blinken dazu.

Sollte Washington die „legitimen“ Sicherheitsbedenken Russlands weiterhin ignorieren, werde dies „die ernsthaftesten Konsequenzen haben“, warnte das russische Außenministerium später.

Wegen des massiven russischen Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine befürchtet der Westen, dass Russland einen Einmarsch in das Nachbarland vorbereitet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Lage als „sehr, sehr bedrückend“.
Baltische Staaten kündigen Waffenlieferung an Ukraine an
Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen kündigten in einer gemeinsamen Erklärung die Lieferung von Panzer- und Flugabwehrraketen an die Ukraine an, damit sich Kiew „im Falle eines möglichen russischen Angriffs“ verteidigen könne. Washington hatte die Lieferung der Waffen aus US-Produktion Anfang der Woche genehmigt.

Die US-Geheimdienste warnten zuletzt, dass einer russischen Invasion eine militärische Intervention Russlands „unter falscher Flagge“ in der Ukraine vorausgehen könnte. Lawrow sagte dazu, Russland habe das „ukrainische Volk niemals“ bedroht.

In der Ostukraine kämpfen prorussische Separatisten seit 2014 gegen die ukrainische Armee. Der Westen wirft Moskau vor, die Separatisten militärisch zu unterstützen, was der Kreml bestreitet.
Am Freitag erklärte der ukrainische Militärgeheimdienst, Russland habe seine Waffenlieferungen in die selbsternannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk zuletzt aufgestockt. Im russischen Parlament legten Abgeordnete derweil einen Gesetzentwurf zur Anerkennung der Unabhängigkeit der „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk vor.
Ukrainischer Geheimdienst kritisiert Russland
Der ukrainische Geheimdienst SBU machte Russland auch für eine Reihe falscher Bombendrohungen unter anderem gegen Schulen und Flughäfen in der Ukraine verantwortlich. Seit Anfang des Jahres seien mehr als 300 anonyme Drohungen eingegangen. Sie seien Teil „eines hybriden Krieges“ Russlands. Moskau wolle auf diese Weise „zusätzlichen Druck auf die Ukraine ausüben, um Schrecken und Panik in der Gesellschaft zu schüren“.

Kanada gewährte der ukrainischen Regierung unterdessen einen Kredit in Höhe von umgerechnet 84,3 Millionen Euro. „Russland versucht, die Ukraine insbesondere auf wirtschaftlicher Ebene zu destabilisieren“, sagte der kanadische Premierminister Justin Trudeau. Dieser Kredit solle „die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit der Ukraine unterstützen“. Nach seinen Angaben wurde der Kredit von Kiew beantragt.

AFP