17.05.2018, Berlin: Passanten suchen am Morgen den Eingang zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. (dpa)
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Die Zahl der geflüchteten Menschen in Deutschland ist im vergangenen Jahr um drei Prozent gestiegen - der niedrigste Zuwachs seit 2012. Das teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mit. Ende Dezember 2019 waren demnach 1,839 Millionen Menschen als Schutzsuchende im Ausländerzentralregister vermerkt. Es handelt sich um Ausländer, die sich unter Berufung auf völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe in Deutschland aufhalten. Die Zahl umfasst sowohl Asylbewerber, über deren Antrag noch nicht entschieden wurde, als auch anerkannte Flüchtlinge und abgelehnte Bewerber.
„Heute kommen deutlich weniger Schutzsuchende nach Deutschland als noch 2015/2016 – und die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts bilden den Knick noch gar nicht ab, der im laufenden Jahr durch die wegen der Coronakrise faktischen Einreiseschwierigkeiten entstanden ist“, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, die Politikwissenschaftlerin Petra Bendel, der Deutschen Presse-Agentur. „Derzeit ist nicht absehbar, dass die Zahlen wieder ein Niveau wie vor fünf Jahren erreichen.“
Das für die Bearbeitung von Asylanträgen zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) kommt mit der Bearbeitung von Gesuchen voran: Die Zahl von Asylbewerbern, über deren Antrag noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, sank zum Jahreswechsel den Angaben zufolge um 13 Prozent auf rund 266.000 Menschen - was auch an sinkenden Antragszahlen liege. Die Bamf-Statistiken zeigen ähnliche Trends, bilden im Gegensatz zum Bundesamt aber eher Veränderungen in der Zahl der Asylanträge ab als innerhalb der Gruppe der Geflüchteten.
Über einen anerkannten Status verfügten 1,36 Millionen Schutzsuchende, sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Syrien war dabei das Haupt-Herkunftsland (41 Prozent), es folgten Afghanistan (11 Prozent) und der Irak (10 Prozent). In 80 Prozent der Fälle wurde der Status indes zeitlich befristetet. „Bei syrischen Geflüchteten, bei denen es kaum Aussicht auf eine Rückkehr gibt, stellt sich die Frage, ob das noch zeitgemäß ist“, merkte Bendel an.

„Ordnungspolitisch gibt es gute Gründe – der Integration ist damit aber nicht gedient.“ Die Bundesregierung habe den befristeten Schutzstatus vor einigen Jahren eingeführt, um im Vergleich zu anderen EU-Staaten keinen Anreiz zu schaffen, hierher zu kommen.
Über 200.000 Asylgesuche von Schutzsuchenden abgelehnt
Zudem lebten laut Bundesamt 213.000 Schutzsuchende in Deutschland, deren Asylgesuch abgelehnt wurde oder die ihren Schutzstatus verloren haben. 84 Prozent der Betroffenen wurden als geduldet eingestuft, ihre Abschiebung wurde also vorübergehend ausgesetzt. Das betrifft vor allem Menschen aus Afghanistan (12 Prozent), dem Irak (10 Prozent) und aus Russland (5 Prozent).
Das Bundesamt zog auch eine Bilanz der Jahre, in denen die Zahl der Flüchtlinge stark angestiegen war. Rund 80 Prozent der rund eine Million Schutzsuchenden, die 2014, 2015 und 2016 erstmals nach Deutschland kamen, seien Ende 2019 weiter als solche registriert gewesen: 61 Prozent mit einem anerkannten, 10 Prozent mit abgelehnten und 9 Prozent mit offenem Status. Rund 20 Prozent hätten sich nicht mehr als Schutzsuchende in dem Register befunden, etwa weil sie Deutschland verließen oder wegen nachträglicher Korrekturen gelöscht wurden.
Nach Einschätzung Bendels wäre das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge heute besser vorbereitet auf einen erneuten starken Anstieg der Zahl der Schutzsuchenden. „Es gibt dort heute zum Beispiel viele Mitarbeiter, die schon einmal über Asylanträge entschieden haben, und erneut in diesem Bereich einspringen könnten.“
Nachdem das Bamf in der Corona-Krise seit Jahresanfang sinkende Zahlen an Asylanträgen registriert hatte, gab es im Juni wieder einen leichten Anstieg. Auch im östlichen Mittelmeer - also über die Türkei und Griechenland - nahm die Migration zuletzt wieder zu: Die EU-Grenzschutzagentur Frontex registrierte hier im Mai 1250 irreguläre Grenzübertritte, acht Mal so viele wie im April.
Vertreter von 18 Staaten entlang der östlichen Mittelmeerroute und des Balkans wollen ihre Zusammenarbeit zur Bekämpfung unerlaubter Einwanderung verstärken. Darauf verständigten sie sich bei einer Konferenz in Wien. Die stärkere Abstimmung zwischen der EU und den Ländern des Westbalkans soll nach Angaben von Österreichs Innenminister Karl Nehammer zu besserem Grenzschutz, schnelleren Asylverfahren und verstärkter Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht führen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprach von einer Art Frühwarnsystem. Details für die Arbeit der Einrichtung mit Sitz in Wien sollen im September festgezurrt werden.

dpa