15.10.2021, Nordrhein-Westfalen, Münster: Friedrich Merz, früherer CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, hält eine Rede zum Auftakt des Deutschlandtages der Jungen Union. Die Nachwuchsorganisation von CDU und CSU will das Wahlergebnis an drei Tagen bis Sonntag aufarbeiten. (dpa)
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Der CDU-Bundestagsabgeordnete Friedrich Merz sieht seine Partei auf einem Tiefpunkt und mahnt eine grundlegende Neuaufstellung an. „Die Union ist mit diesem Wahlergebnis ein insolvenzgefährdeter schwerer politischer Sanierungsfall geworden“, sagte Merz am Freitag zum Auftakt des Jahrestreffens der Jungen Union in Münster. „Die Union ist in den letzten Jahren in der Regierung denkfaul geworden.“ Dies müsse sich ändern: Für die kommenden Monate mahnte Merz „inhaltliche Diskussionen und inhaltliche Festlegungen“ an.

„Es steht uns eine lange, schwierige, herausfordernde Zeit des Arbeitens und Diskutierens bevor“, sagte Merz mit Blick auf den möglichen Gang der Union in die Opposition. Die Union müsse sich inhaltlich schärfer profilieren und eine „Agenda 2025“ ausarbeiten - im Jahr 2025 stehen regulär die nächste Bundestagswahl an. „Es glaube keiner im Ernst, dass es ein Automatismus ist, dass wir diese Wahl gewinnen“, warnte Merz.

Auch der Bundesvorsitzende der Unions-Nachwuchsorganisation, Tilman Kuban, zog in seiner Begrüßungsansprache ein bitteres Fazit: Die Union sei in „einer Lage, die man nicht anders als beschissen bezeichnen kann“, sagte Kuban. Er beklagte den Mangel an Geschlossenheit im Wahlkampf: „Wir haben bei den Wahlen ein Erdbeben erlebt, weil wir uns in den letzten Wochen benommen haben wie ein Hühnerhaufen.“ Kuban pocht auf Generationenwechsel in der Union

Bei der Union sei es nun Zeit „für junge Köpfe und für eine neue Programmatik“, sagte Kuban. Die Junge Union wolle dabei „der Motor der Erneuerung sein“. Der JU-Vorsitzende forderte, dass künftig die Mitglieder über den CDU-Chef oder die CDU-Chefin abstimmen sollten, wenn es mehr als einen Bewerber gibt.

NRW-Landeschef Johannes Winkel übte scharfe Kritik an den Unionsvorsitzenden Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU). „Wer im Wahlkampf auftritt wie Armin Laschet, der sollte nach der Wahl nicht direkt den Anspruch erheben, Kanzler zu werden, sondern vor allen Dingen Verantwortung für das Ergebnis übernehmen“, sagte der Landeschef unter dem Beifall der Delegierten. „Und wer im Wahlkampf so nachtritt wie Markus Söder, der sollte nach der Wahl nicht über Stilfragen reden, sondern zur Beichte gehen.“

Kuban forderte einen Generationenwechsel in der Union. Er verwies auf das Beispiel von SPD und Grünen, die nach der Wahl besonders viele Abgeordnete aus der jungen Generation in den Bundestag schicken. Bei diesen beiden Parteien gebe es „eine Erfrischungskur in der Fraktion“, während die Lage bei der Union eher einem „Krankenbett“ gleiche. Merz offen für Mitgliederbefragung

Der 65-jährige Merz, der sich bereits zwei Mal erfolglos um den CDU-Vorsitz bemüht hatte, zeigte Verständnis für die Rufe nach einem Generationenwechsel - er rief aber dazu auf, auch die Erfahrung der Älteren wertzuschätzen. „Junge Besen kehren gut - aber die alte Bürste kennt die Ecken.“ Merz äußerte sich in Münster nicht dazu, ob er weiter Ambitionen auf den CDU-Vorsitz hegt.

Er forderte aber, die Entscheidung der Parteispitze noch in diesem Jahr zu treffen - für eine Mitgliederbefragung habe er „viel Sympathie“, sagte Merz.

Der Deutschlandtag ist das höchste Gremium der Jungen Union Deutschlands. Zu dem jährlich stattfindenden Treffen kamen 318 Delegierte aus allen 18 Landes- und den Auslandsverbänden nach Münster.

AFP