Finanzskandale: Scholz wird im Bundestag gegrillt (dpa)
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Der Vizekanzler bemüht in diesen Tagen gern Winston Churchill. Der frühere britische Premierminister soll einmal gesagt haben: „Never let a good crisis go to waste.“ Etwa: Verschwende nie eine gute Krise. Finanzminister Olaf Scholz sagt den Satz, wenn er über die krisengetriebene Zusammenarbeit in der EU spricht. Er passt aber auch, weil der SPD-Politiker seine Kanzlerkandidatur vor allem seinem Ruf als Krisenmanager verdankt. Und weil die Pandemie gerade etwas von zwei Finanzskandalen ablenkt, in deren Zusammenhang immer wieder Scholz' Name fällt. Als sich der 62-Jährige am Mittwoch im Bundestag dem Kreuzverhör der Abgeordneten stellt, geht es um den Bilanzskandal beim früheren Dax-Unternehmen Wirecard und die Cum-Ex-Geschäfte der Hamburger Warburg Bank. Doch erstmal darf Scholz ausholen: über die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise sprechen, über Prognosen, wie schnell sich die deutsche Wirtschaft vom Schock des Frühjahrs erholen wird. Fazit: Auch 2021 wird schwierig. Immer wieder versucht die Opposition, ihn unter Druck zu setzen: Erst FDP, dann Linke, dann Grüne. Kann es Zufall sein, dass sich Scholz als Hamburger Bürgermeister 2016 erst mit einem Banker traf und das Finanzamt kurz darauf Millionen-Nachforderungen gegen die Bank verjähren ließ? Scholz antwortet ruhig, aber bestimmt. Er scheint sich den Satz zurechtgelegt zu haben: „Es hat keine politische Einflussnahme auf die Entscheidung des Finanzamtes Hamburg gegeben - von mir nicht und auch von anderen nicht. Da bin ich mir sehr, sehr sicher.“

Das gleiche hat er zuvor auch schon dem Finanzausschuss versichert, der ihn hinter verschlossenen Türen zum Cum-Ex-Skandal befragte. Trotzdem sind die Fragesteller unzufrieden. „Olaf Scholz konnte die Zweifel einer möglichen politischen Einflussnahme im Fall der Warburg Bank nicht ausräumen“, sagt Grünen-Abgeordnete Lisa Paus. Ihr Kollege von den Linken, Fraktionsvize Fabio De Masi, kommentiert süffisant, dass Scholz vieles mit Erinnerungslücken beiseite argumentiere, sei angesichts der vielen Millionen Euro Schaden schon „bemerkenswert“.
Am SPD-Kanzlerkandidaten jedoch scheint das alles abzuprallen. Das erinnert schon fast an Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Auch der Vizekanzler tritt unter Druck souverän auf wie immer. Grinst bei Antworten, die er selbst witzig findet. Deutlich wird: Auch im anstehenden Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Bilanzskandal wird Scholz nur schwer zu packen sein.
Der ganze Tag ist eine Art Stresstest für den Finanzminister: Erst wird er im Ausschuss gegrillt, dann im Bundestag ins Kreuzverhör genommen, später redet er noch in einer Debatte. Doch gestresst wirkt er nicht - vielmehr scheint er in der Drucksituation aufzugehen. Alle wollen ihn gerade drankriegen, demaskieren. Doch Scholz betont, er habe keine Geheimnisse und wettert das ab.
Genau wie der trockene Norddeutsche vor nicht einmal einem Jahr seine Niederlage im Wettstreit um den SPD-Vorsitz abgewettert hat. Wer von der eigenen Partei nicht als Chef gewollt werde, müsse auch als Vizekanzler zurücktreten, meinten damals viele. Scholz zog sich ein paar Tage zurück, tauchte wieder auf und machte weiter. Ungläubig schüttelten manche den Kopf, als er durchblicken ließ, dass er eine Kanzlerkandidatur nach wie vor nicht aufgegeben habe.
Jetzt ist er tatsächlich Spitzenkandidat der SPD - gekürt ausgerechnet von jenen, gegen die er Ende 2019 verlor. Die Bundestagsfraktion stärkt ihm auch in den Skandalen den Rücken: Es gebe keinerlei Zweifel an Scholz, betont Fraktionsmanager Carsten Schneider. „Ich vertraue Olaf Scholz zu 100 Prozent - ich kenne ihn.“
Doch es sind noch mehr als zwölf Monate bis zur Bundestagswahl. Viel Zeit, in der viel schief gehen kann - und in der die Konkurrenz Skandale wie Wirecard und Warburg noch kräftig ausschlachten wird. „Das wird ein harter Ritt“, hat Scholz daher auch in einem „Spiegel“-Interview gesagt. Doch das scheint ihn gar nicht zu stören, eher eine willkommene Herausforderung zu sein.

dpa