20.12.2020, Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Ein Logo der AfD Sachsen-Anhalt ist auf einem Rednerpult in der Messehalle zu sehen. (dpa)
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Mit Händen und Füßen wehrt sich die AfD gegen eine mögliche Beobachtung der gesamten Partei durch den Verfassungsschutz. Denn ein vom Bundesamt für Verfassungsschutz geäußerter Verdacht, dass bei der AfD womöglich Rechtsextremisten den Ton angeben könnten, wäre acht Monate vor der Bundestagswahl und mit Blick auf mehrere anstehende Landtagswahlen eine schwere Hypothek.
Die Partei verfolgt eine Dreifach-Strategie: Sie klagt, räumt im eigenen Haus ein bisschen auf und versucht gleichzeitig, die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern als vermeintlich willfährige Erfüllungsgehilfen der jeweiligen Regierung - und damit der politischen Mitbewerber - zu diskreditieren. Aus Sicht des Grünen-Innenpolitikers Konstantin von Notz sind das Nebelkerzen, die da gezündet werden.
Der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion verweist darauf, dass die Innenministerien zwar die Dienst- und Fachaufsicht über den Verfassungsschutz haben – „die Entscheidung, eine Gruppierung zu beobachten, ist aber eine Entscheidung der Behörde selbst“. Außerdem bestehe „in unserem Rechtsstaat zum Glück die Möglichkeit, diese Entscheidung von unabhängigen Gerichten überprüfen zu lassen“.

Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, sieht unterdessen sogar einen Zusammenhang zwischen der Einstufung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Versetzung des früheren Leiters der Behörde, Hans-Georg Maaßen, in den einstweiligen Ruhestand im November 2018. „Bei Maaßen hat man ja gesehen, wie schnell er rausgeschmissen wird. Der war nicht zu einem weiteren Vorgehen gegenüber der AfD scheinbar bereit.“ Maaßen sei deshalb durch den „sehr servilen“ neuen Präsidenten Thomas Haldenwang ersetzt worden.
Maaßen selbst hatte unlängst in einem Interview gesagt, es sei damals „massiver persönlicher Druck“ auf ihn ausgeübt worden, „endlich die AfD zu beobachten“. Entzündet hatte sich die politische Kritik an Maaßen allerdings an etwas ganz anderem: Er hatte bezweifelt, dass es nach der Tötung eines Deutschen in Chemnitz zu „Hetzjagden“ auf Ausländer kam. Zudem hatte der Verfassungsschutzverbund noch in Maaßens Amtszeit entschieden, unter Federführung des BfV Material zur AfD zu sammeln, um herauszufinden, ob es sich bei extremistischen Äußerungen aus der Partei um Einzelmeinungen handelt oder nicht.
Mitglieder werden rausgedrängt

Teil Zwei der AfD-Strategie: Eine Gruppe um den AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen bemüht sich, Mitglieder aus der Partei zu drängen, bei denen der Verfassungsschutz womöglich aktuelle oder frühere Kontakte zu Rechtsextremen oder extremistische Äußerungen feststellen könnte. Das halten allerdings nicht alle AfD-Funktionäre für vielversprechend. Vor allem vom rechten Rand der Partei kommt immer wieder das Argument, das sei sinnlos, da sich der Verfassungsschutz intern ohnehin schon festgelegt habe.
Vor einigen Tagen veröffentlichte die AfD eine „Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität“, wohl um denjenigen den Wind aus den Segeln nehmen, die der Partei völkisches Denken vorwerfen. In dem Papier, hinter dem der Bundesvorstand und die Landeschefs stehen, heißt es: „Als Rechtsstaatspartei bekennt sich die AfD vorbehaltlos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.“ Dies gelte unabhängig davon, „welchen ethnisch-kulturellen Hintergrund jemand hat, wie kurz oder lange seine Einbürgerung oder die seiner Vorfahren zurückliegt“.

Gleichwohl sei es ein legitimes politisches Ziel, „das deutsche Volk, seine Sprache und seine gewachsenen Traditionen langfristig erhalten zu wollen“.
Für den dritten Teil ihrer Strategie braucht die AfD Anwälte. Hier geht es darum, auf juristischem Weg zu verhindern, dass der Verfassungsschutz die Partei, Netzwerke von AfD-Mitgliedern oder einzelne Landesverbände in den Blick nimmt und öffentlich darüber Auskunft gibt. Seitens der Bundespartei ist aktuell eine entsprechende Klage vor dem Kölner Verwaltungsgericht anhängig. Ausgangspunkt dieser Klage waren laut AfD Medienberichte, wonach eine etwaige Einstufung der Gesamtpartei als Verdachtsfall unmittelbar bevorstehen könnte.
Im Bundesinnenministerium wird vermutet, dass dies aus dem Kreis der Innenministerien der Länder herausgesickert war. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist darüber nicht begeistert. Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Stephan Brandner dagegen frohlockt: „Wenn das nicht passiert wäre, hätten wir ja jetzt noch gar nicht klagen können.“ Gelegen kam der Partei auch, dass ihr kürzlich ein interner Entwurf für ein AfD-Gutachten aus dem Berliner Verfassungsschutzes zugespielt wurde, der neben belastendem Material auch entlastende Einschätzungen enthielt.
Höckes Landesverband bereits beobachtet

Die Thüringer AfD war als erster Landesverband der Partei vom Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet worden. Ihr Vorsitzender ist Björn Höcke, der Gründer des formal inzwischen aufgelösten „Flügels“, den der Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft hat.
Wenn der Verfassungsschutz nachrichtendienstliche Mittel einsetzt, heißt das, dass er unter anderem Vertrauenspersonen aus dem Kreis der Partei als Informanten anwerben darf. Außerdem wird es für die Behörde leichter, Finanzströme und mögliche internationale Verbindungen aufzuklären. Seit Juni 2020 wird auch die AfD-Brandenburg als Verdachtsfall eingestuft. Jetzt hat es wohl auch den Landesverband in Sachsen-Anhalt erwischt. Verfassungsschutz und Innenministerium schweigen zwar bislang beharrlich zu der Frage, ob die gesamte Landes-AfD jetzt mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausgespäht wird. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ist dies jedoch seit einigen Tagen der Fall.

dpa