Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Sozialminister Hubertus Heil (beide SPD) sind am Montag zu einem Besuch in der Ukraine angekommen. Zum Auftakt ihrer Reise wollten die SPD-Politiker am Montagvormittag die vom Krieg zerstörte Stadt Irpin besuchen. Der rund 30 Kilometer nordwestlich von Kiew gelegene Vorort der Hauptstadt ist inzwischen weitgehend zerstört und gleicht einer Geisterstadt. Vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen sein Nachbarland vor fünf Monaten lebten hier rund 50 000 Menschen. Wie in dem nahe gelegenen Vorort Butscha sollen durch russische Besatzer auch in Irpin schlimme Kriegsverbrechen begangen worden sein. Anfang Mai hatte sich auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vor Ort ein persönliches Bild gemacht. Für Faeser und Heil ist es der erste Besuch in der Ukraine seit Beginn des Krieges. Wie andere Politiker vor ihnen reisten die beiden mit einem Nachtzug aus Polen an. Geplant sind Treffen mit ukrainischen Politikern, darunter Faesers Amtskollege Denys Monastyrskyj, Zivilschutzchef Serhij Kruk, Vizeregierungschefin und Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko, Sozialministerin Oxana Scholnowytsch und Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko. Trotz der nach wie vor in Teilen der Ukraine andauernden Kämpfe sollen bei den Gesprächen insbesondere Fragen zum Wiederaufbau im Fokus stehen. Konkret etwa, wie zerstörte Polizeistationen, Feuerwehren, Rettungsdienste und der Katastrophenschutz im Land wieder verbessert werden können. Zur Sprache kommen sollen beim Treffen von Faeser und Monastyrskyj aber auch die Komplexe Cybersicherheit, Waffenschmuggel, Minenräumung und die forensische Aufarbeitung von Kriegsverbrechen. Zur Unterstützung der Ukraine sollen auch Hilfsgüter, darunter Stromgeneratoren und eine Drohne zur Luftaufklärung, übergeben werden. Seitens der Ukraine gebe es ein hohes Bedürfnis, schnell mit dem Wiederaufbau beginnen zu können, hieß es. Heil führt Gespräche zur Situation der ukrainischen Flüchtlinge Bei den Gesprächen von Heil und Swyrdenko geht es um die Situation der ukrainischen Flüchtlinge – um deren Status und Perspektiven in Deutschland, aber auch um deren Rückkehroptionen in die Ukraine. Seit dem Start der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar wurden in Deutschland schon mehr als 915 000 Kriegsflüchtlinge im Ausländerzentralregister erfasst. Darunter waren nach Angaben des Bundesinnenministeriums 890 605 ukrainische Staatsangehörige (Stichtag 19. Juli). Wie viele der Personen sich derzeit noch in Deutschland aufhalten, ist unklar. Eine erhebliche Zahl könne bereits in andere Staaten gereist oder in die Ukraine zurückgekehrt sein. Ukrainer können mit ihren Papieren auch nach Deutschland einreisen, ohne einen entsprechenden Antrag stellen zu müssen. Insbesondere jene, die in Deutschland bei Freunden oder Verwandten unterkommen und keinerlei staatliche Hilfen beantragen, tauchen zunächst in keiner offiziellen Statistik auf. Die Europäische Union hatte schon vor Monaten entschieden, für die Aufnahme der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine erstmals die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie zu aktivieren. Diese sieht vor, dass die Schutzsuchenden keinen Asylantrag stellen müssen, sondern erst einmal einen Aufenthaltstitel für ein Jahr erhalten und arbeiten dürfen. Eine Verlängerung auf bis zu drei Jahre ist möglich. Von den im Ausländerzentralregister erfassten Geflüchteten aus der Ukraine sind fast zwei Drittel Mädchen und Frauen (65,7 Prozent). Unter den Erwachsenen sind drei Viertel Frauen (75,6 Prozent) und 23,9 Prozent Männer. 339 799 (37,1 Prozent) sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, davon besonders viele im Grundschulalter (6- bis 11-Jährige: 129 503). 120 154 erfasste Geflüchtete sind zwischen 12 und 17 Jahren alt. 69 022 Personen sind über 64 Jahre alt (7,5 Prozent). Mehr zum Thema: Faeser baut Heimat-Abteilung im Bundesinnenministerium um
25 Juli 2022
dpa
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