Britische Ex-Staatssekretärin Ghani wegen „Musliminnensein“ gefeuert (Archivbild) (AFP)
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Gegen die wegen Corona-Verstößen massiv unter Druck stehende britische Regierung steht nun auch noch der Vorwurf der Islamfeindlichkeit im Raum: Die frühere Staatssekretärin Nusrat Ghani sagte in einem Interview mit der „Sunday Times“, sie habe ihr Regierungsamt wegen ihrer Religionszugehörigkeit verloren. Unter anderem sei ihr gesagt worden, dass ihr Status als „muslimische Staatssekretärin für Unbehagen bei Kollegen“ sorge.

„Musliminnensein“ habe bei Entlassung eine Rolle gespielt

Die zu Johnsons Tory-Partei gehörende Ghani war 2020 als Staatssekretärin im Verkehrsministerium entlassen worden. Der „Sunday Times“ sagte sie, ein Vertreter der Fraktionsspitze habe ihr gesagt, dass ihr „Musliminnensein“ bei der Entlassung eine Rolle gespielt habe. Sie habe sich in der Angelegenheit "gedemütigt und machtlos" gefühlt. In einem höchst ungewöhnlichen Schritt gab sich der Abgeordnete Mark Spencer am Sonntag als der fragliche Fraktionsspitzenvertreter zu erkennen. Die Vorwürfe Ghanis wies er als „komplett falsch“ und „verleumderisch“ zurück. „Ich habe nie die Worte benutzt, die mir zugeschrieben werden“, schrieb er im Onlinedienst Twitter. Spencer ist der „Chief Whip“ (etwa: Chef-Einpeitscher) der Regierung von Premierminister Boris Johnson. Er ist für die Fraktionsdisziplin verantwortlich, seine Rolle ähnelt jener des parlamentarischen Geschäftsführers.

„Extrem ernste“ Vorwürfe seien intern vorgebracht worden

Ghanis Vorwürfe kommen für Johnsons Regierung zur Unzeit. Erst kürzlich hatte der Tory-Abgeordnete William Wragg den sogenannten Whips der Regierung vorgeworfen, parteiinterne Kritiker Johnsons „erpresst“ zu haben, um einen Sturz des Premierministers zu verhindern. Johnson steht seit Wochen wegen Berichten über Verstöße gegen Corona-Vorschriften durch Partys am Regierungssitz Downing Street unter Druck. Mehrere Tory-Politiker forderten bereits seinen Rücktritt. Ein Sprecher der Downing Street erklärte am Sonntag, Ghani habe ihre „extrem ernsten“ Vorwürfe intern schon zu einem früheren Zeitpunkt vorgebracht, woraufhin Johnson sie zu einem Gespräch eingeladen habe. Anschließend habe Johnson der Ex-Staatssekretärin schriftlich seine „ernste Besorgnis“ mitgeteilt und sie „eingeladen, einen formalen Beschwerde-Prozess“ einzuleiten. Darauf habe Ghani aber verzichtet. „Die Konservative Partei duldet keinerlei Vorurteile oder Diskriminierung“, betonte der Sprecher. Impfstoff-Minister Nadhim Zawahi forderte eine Untersuchung zu Ghanis Vorwürfen. „In unserer Konservativen Partei gibt es keinen Platz für Islamophobie oder jegliche Form von Rassismus“, twitterte er. Ghani sei eine „brillante Parlamentarierin“.

AFP