22.12.2020, Hessen, Mainz: Uğur Şahin, Mitgründer und Vorstandsvorsitzender des Unternehmens Biontech, steht auf dem Firmengelände. Sahin geht davon aus, dass das Unternehmen Ende Januar Klarheit über die weiteren Produktionsmengen für den Corona-Impfstoff haben wird. (dpa)
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Während die Diskussion über etwaige Lockerungen der Corona-Beschränkungen nach dem 10. Januar weitergeht, will der Mainzer Hersteller Biontech mehr Impfstoff als geplant an die EU liefern. Das Unternehmen befinde sich „in fortgeschrittenen Diskussionen, ob und wie wir weitere Impfstoffdosen aus Europa für Europa in diesem Jahr zur Verfügung stellen können“, teilte Unternehmenschef Uğur Şahin am Freitag der Deutschen Presse-Agentur mit. Hintergrund sind Klagen über die Knappheit von Impfstoff in Deutschland und anderen EU-Staaten.
Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, stellte sich hinter Forderungen, zumindest die Schulen „so schnell wie möglich“ zu öffnen. „Es ist ja auch der politische Wille aller Beteiligten, je nach Inzidenzlage in diese Richtung zu gehen“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe weiter. Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte allerdings verlangt, nach Ende der bisherigen Lockdown-Frist ab 11. Januar die Präsenz in Kitas und Grundschulen „unabhängig von den Inzidenzzahlen“ wieder herzustellen.
Die Ministerpräsidenten der Länder wollen am 5. Januar mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) darüber beraten, wie es nach dem 10. Januar mit dem bundesweiten Lockdown weitergeht. Erklärtes Ziel ist es, die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen auf unter 50 zu drücken - dies ist allerdings in weiter Ferne. Am Neujahrsmorgen lag dieser Wert bei 141,9.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bremste Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Beschränkungen. „Wir müssen jetzt einfach die Zahlen nachhaltig senken. Daher bin ich sehr skeptisch, schon ab 10. Januar wieder Öffnungen in Aussicht zu stellen“, sagte der CSU-Chef der Deutschen Presse-Agentur. „Es kommt jetzt nicht darauf an, die bequemste Lösung zu finden, sondern die wirkungsvollste.“
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble mahnte zugleich, Bund und Länder sollten auf so viel Freiheit wie möglich setzen. „Es ist schier unmöglich, per Gesetz jeden Corona-Todesfall zu verhindern“, sagte der CDU-Politiker der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Es sei seine Grundüberzeugung, dass die Politik die Abwägung zwischen dem Schutz des Lebens und den Nachteilen der Anti-Corona-Maßnahmen „nicht komplett per Verordnung oder Gesetz auflösen kann, sondern dass die Verantwortung auch in den Händen der Ärzteschaft, von Wissenschaft und Ethikern liegt“.
Vor diesem Hintergrund schwelt auch die Debatte über mehr Corona-Impfstoff weiter. Sowohl Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als auch die EU-Kommission müssen sich Kritik anhören.
Bisher hat nur der Biontech-Impfstoff eine europäische Zulassung. Die EU-Kommission hatte für alle 27 Staaten gemeinsam einen Rahmenvertrag über bis zu 300 Millionen Impfstoffdosen des Herstellers abgeschlossen – eine feste Bestellung von 200 Millionen Dosen und eine Option auf 100 Millionen weitere, die diese Woche auch gezogen wurde. Nun wird über zusätzliche Mengen verhandelt.
Şahin betonte: „Wir arbeiten mit der EU zusammen, um unsere Produktionskapazitäten weiter auszubauen und zusätzliche Impfstoffdosen bereitstellen zu können.“ Wie schnell ein Vertrag über zusätzliche Lieferungen zustande kommen könnte und um welche Mengen es geht, wollte eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage noch nicht sagen. Die EU-Kommission bestätigte ebenfalls nur, dass es „fortgeschrittene Gespräche“ über weitere Lieferungen 2021 gebe.
Die EU-Kommission hat bei Biontech und fünf weiteren Firmen insgesamt zwei Milliarden Impfdosen für die 450 Millionen EU-Bürger bestellt. Doch sind die Mittel der anderen Firmen noch nicht zugelassen.
Bundesweit wurden bis Freitagmittag nach Angaben des Robert Koch-Instituts gut 165.000 Menschen mit dem Biontech-Impfstoff geimpft. Allerdings hinken die Meldungen an das RKI der Zahl realer Impfungen teils hinterher.
Die SPD-Fraktion fordert einen Gipfel aller in Deutschland produzierenden Pharmaunternehmen, um zu klären, „welche Produktionsstätten bestehen und kurzfristig nutzbar gemacht werden können“, wie ihr Geschäftsführer Carsten Schneider der dpa sagte.
Überlegungen, die nötige zweite Impfdosis später zu verabreichen, um zunächst möglichst viele Menschen einmal impfen zu können, erteilte die europäische Zulassungsbehörde EMA eine Absage. Wären es sechs Monate Abstand, entspreche dies nicht den Zulassungsbestimmungen.

dpa