In Moskau sind viele Menschen auf die Straße gegangen – Mehr als 3000 Festnahmen (dpa)
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Bei neuen Massenprotesten in Russland gegen die Inhaftierung des Kremlkritikers Alexej Nawalny sind am Sonntag Menschenrechtsaktivisten zufolge mehr als 4000 Menschen festgenommen worden. Etwa so viele hatte die Polizei auch bei den Demonstrationen vor einer Woche in Gewahrsam genommen. Allein in der Hauptstadt Moskau wurden dem Portal Owd-Info zufolge weit mehr als 1000 Demonstranten festgesetzt. Mehr als 860 Festnahmen listete das Portal für St. Petersburg im Norden des Landes auf. In mehr als 50 Städten wurden demnach Festnahmen registriert.

Diplomatischer Streit zwischen Russland und USA

Zwischen dem Kreml und dem Weißen Haus entbrannte ein diplomatischer Streit über den Umgang mit den Demonstranten. Der Kreml warf den USA am Sonntag „grobe Einmischung“ in die inneren Angelegenheiten Russlands vor. In einer Erklärung auf Facebook kritisierte das Außenministerium in Moskau zudem die Verbreitung von Falschinformationen durch „von Washington kontrollierte Online-Plattforme“.

Zuvor hatte US-Außenminister Antony Blinken die „harte“ Reaktion der russischen Behörden auf die vom inhaftierten Kreml-Kritiker Alexej Nawalny initiierten Proteste verurteilt. „Wir erneuern unseren Aufruf an Russland, diejenigen freizulassen, die wegen der Ausübung ihrer Menschenrechte festgenommen wurden“, schrieb Blinken auf Twitter.

Landesweit von Wladiwostok im Fernen Osten Russlands über Sibirien bis Sankt Petersburg im Westen kritisierten die Demonstranten das zweite Wochenende in Folge unter anderem das Vorgehen der Behörden gegen Nawalny und forderten dessen Freilassung. Nach der Abriegelung des Stadtzentrums von Moskau sowie der Sperrung von U-Bahn-Stationen versammelten sich die Menschen an verschiedenen anderen Stellen der Hauptstadt. Sie riefen „Putin ist ein Dieb“ und forderten „Freiheit“. Während der nicht genehmigten Demonstrationen liefen sie unter anderem zu dem Gefängnis, in dem Nawalny in Haft sitzt.

Julia Nawalny erneut festgenommen

Laut OVD-Info nahmen die Sicherheitskräfte allein in Moskau mehr als 800 Menschen fest. Wie Nawalnys Team berichtete, wurde auch dessen Frau Julia am Sonntag festgenommen, kurz nachdem sie ihre Ankunft bei der Kundgebung über die Online-Netzwerke publik gemacht hatte. In Sankt Petersburg wurden mehr als 240 Menschen festgenommen. Örtlichen Medien zufolge setzte die Polizei Tränengas und Elektroschocker gegen die Demonstranten ein. Sicherheitskräfte sperrten den Prachtboulevard Newski-Prospekt. „Das ganze Zentrum ist abgesperrt“, sagte Natalja Grigorjewa, die mit ihrer Tochter zur Kundgebung in Sankt Petersburg kam. „Und gegen wen ist das alles, gegen die eigenen Leute?“ In Nowosibirsk, der drittgrößten Stadt Russlands, gingen nach Berichten des unabhängigen Portals „Taiga“ trotz eisiger Temperaturen von minus 20 Grad mehr als 5000 Menschen auf die Straße. Es habe sich um eine der größten Anti-Regierungs-Proteste der vergangenen Jahre gehandelt. Dutzende Demonstranten entkamen ihrer Festnahme in der Hafenstadt Wladiwostok, indem sie über die zugefrorene Amurbucht vor der Polizei flohen. Der Verband russischer Journalisten meldete landesweit die Festnahme von rund 35 Journalisten. Schon am vergangenen Wochenende waren zehntausende Menschen in mehr als hundert russischen Städten auf die Straße gegangen. Die Sicherheitskräfte gingen teilweise brutal gegen die Protestierenden vor, mehr als 4000 Menschen wurden festgenommen. Zuvor hatte ein Enthüllungsbericht Nawalnys über einen angeblichen Luxus-Palast von Putin an der Schwarzmeerküste die Stimmung weiter angeheizt.

Nawalny war direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland Mitte Januar in Moskau festgenommen und im Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt worden. In Berlin war der Putin-Kritiker nach einem Giftanschlag behandelt worden, für den er den Kreml verantwortlich macht.

Seine nächste Anhörung vor Gericht soll am 2. Februar stattfinden. Dabei droht ihm die Umwandlung einer Bewährungsstrafe von 2014 in eine Haftstrafe und damit nach Angaben seines Anwalts „etwa zweieinhalb Jahre“ Gefängnis.

AFP