Ein Siedlungsgebiet nach einem russischen Luftangriff.  (AA)
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Die NATO hat den jüngsten Angriff auf türkische Truppen in Syrien scharf kritisiert. Auch die Bundesregierung betrachtet die Eskalation mit Sorge.

„Die Alliierten verurteilen die fortgesetzten rücksichtslosen Luftangriffe des syrischen Regimes und Russlands auf die Provinz Idlib“, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Freitag nach einem kurzfristig einberufenen Treffen der NATO-Botschafter.

Der Norweger rief Syrien und Russland dazu auf, ihre Offensive zu beenden, internationales Recht zu achten und die Bemühungen der Vereinten Nationen für eine friedliche Lösung zu unterstützen. „Diese gefährliche Situation muss deeskaliert werden.“

Am Donnerstagabend waren bei einem Luftangriff in der Region Idlib mindestens 33 türkische Soldaten getötet und 36 weitere verletzt worden. Ankara machte die syrische Regierung verantwortlich und begann Vergeltungsschläge. Zudem bat die Türkei kurzfristig um ein Treffen des Nordatlantikrats nach Artikel 4 des NATO-Vertrags. Dieser besagt, dass jedes Bündnismitglied jederzeit um Beratungen bitten kann, wenn seiner Meinung nach „die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist“.

Stoltenberg sagte am Freitag, das Treffen sei „ein deutliches Zeichen der Solidarität mit der Türkei“. Die Türkei sei ein geschätzter Verbündeter in der Nato. Die Türkei habe „die meisten Terroranschläge erlitten und Millionen von Flüchtlingen aufgenommen“, unterstrich der Generalsekretär. Die Bündnispartner überprüften regelmäßig, wie sie die Türkei weiter unterstützen könnten.

Derzeit hat die Nato Flugabwehrsysteme an der türkischen Grenze zu Syrien stationiert und patrouilliert mit Nato-Flugzeugen im türkischen Luftraum. Der Nordatlantikrat ist das wichtigste Entscheidungsgremium der Nato.

Deutschland spricht sich für Vier-Staaten-Gipfel aus

Die Bundesregierung sieht die militärische Eskalation in der syrischen Provinz Idlib mit sehr großer Sorge. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag in Berlin, die Bundesregierung verurteile den Angriff auf türkische Einheiten in der Region. Es seien zeitnah politische Gespräche notwendig. Er verwies darauf, dass Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron deswegen sowohl mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan als auch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert hätten.

Die Kanzlerin habe dabei die Bereitschaft zu einem Vierertreffen signalisiert. Es liege jetzt an Putin, darauf einzugehen. Die Bereitschaft der Kanzlerin dazu bestehe weiterhin. Ein konkretes Datum werde man abwarten müssen. Die Ereignisse der letzten 24 Stunden hätten aber nochmals klar gemacht, wie dringlich politische Gespräche seien.

Treffen zwischen Erdoğan und Putin geplant

Nach dem Angriff zeigten sich Putin und Erdoğan besorgt über die Lage. Das teilte der Kreml am Freitag nach einem Telefonat der beiden Staatschefs mit. Bei dem Gespräch sei es darum gegangen, wie die Vereinbarung für die Deeskalationszone in der Oppositionshochburg umgesetzt werden könne. Dafür würden die Außen- und Verteidigungsminister ihre Kontakte verstärken, teilte das russische Außenministerium mit.

Der Kreml erklärte außerdem, dass Putin und Erdoğan ein baldiges Treffen auf höchster Ebene vereinbart hätten. Details waren zunächst nicht bekannt. Nach Angaben des russischen Außenministers Sergej Lawrow sollen am Freitag die Verhandlungen für einen Ausweg aus der Lage fortgesetzt werden.

Türkei weist russische Behauptungen zurück

Der russische Chefdiplomat verteidigte das Vorgehen der syrischen Regimetruppen in der Provinz Idlib. Zugleich äußerte er Beileid wegen den umgekommenen türkischen Soldaten.

Russland hatte zuvor behauptet, nichts von einem Aufenthalt türkischer Soldaten in der Region gewusst zu haben. Außerdem hätten sich türkische Truppen angeblich an der Seite der syrischen Opposition bewegt.

Die Türkei wies die Behauptungen umgehend zurück. „Ich möchte klarstellen, dass während dieses Angriffs keine bewaffneten Gruppen in der Nähe unserer Truppen waren“, sagte Verteidigungsminister Hulusi Akar der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge am Freitag. Akar betonte demnach, dass die Stellungen der türkischen Truppen mit Russland abgesprochen wurden. Die Türkei habe bei anschließenden Vergeltungsschlägen mehr als 200 Regime-Ziele getroffen und dabei 309 Soldaten neutralisiert.

Frontverlaufskarte:  Idlib-Provinz, Syrien (TRT Deutsch)

EU verurteilt „unerträgliches humanitäres Leid“

Der türkische Kommunikationsdirektor der Präsidentschaft, Fahrettin Altun, forderte die internationale Gemeinschaft indes zum Beistand auf. Es müsse unter anderem eine Flugverbotszone für Idlib eingerichtet werden.

Auch die Europäische Union rief zum sofortigen Ende der Eskalation in Syrien auf. Es gebe das Risiko einer „größeren, offenen, internationalen militärischen Konfrontation“, schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Freitag auf Twitter. „Es verursacht auch unerträgliches humanitäres Leid und gefährdet die Zivilbevölkerung.“

TRT Deutsch und Agenturen