19.01.2021, Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin: Torsten Voß, Leiter des Hamburger Verfassungsschutzamtes und Vorsitzender der Expertenkommission zur Aufarbeitung von Zwischenfällen beim Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern, bei einer Pressekonferenz im Innenministerium. (dpa)
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Unterbesetzt, schlecht ausgebildet und den Kontrolleuren des Landtages gegenüber zu schweigsam: Eine Expertenkommission zur Untersuchung von Pannen beim Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern hat in ihrem Bericht am Mittwoch gravierende Probleme der Abteilung offengelegt. Vorgänge seien nicht schriftlich dokumentiert, wichtige Hinweise nicht weitergegeben worden, sagte der Vorsitzende der Kommission, Hamburgs Verfassungsschutzchef Torsten Voß, in Schwerin bei der Vorstellung des Berichts nach vier Monaten Arbeit.
Anlass für die Einrichtung der Kommission im Januar waren mehrere Vorfälle. Nach dem tödlichen Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz Ende 2016 wurden Hinweise nicht an die zuständigen Bundesbehörden weitergeleitet. Zudem bewahrte der Verfassungsschutz über Jahre hinweg eine Schrotflinte und eine Dekorationswaffe auf, ohne dies zu melden. Innenminister Torsten Renz (CDU) versetzte als eine Konsequenz den Leiter der Verfassungsschutzabteilung, Reinhard Müller, im Januar in den einstweiligen Ruhestand.
Die Kommission förderte bei ihren Recherchen weitere Pannen zutage. So seien Hinweise eines Informanten auf die Täter von Raubüberfällen im Jahr 2015 nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben worden, berichtete Voß. Erst fünf Jahre später, als der Informant erneut die Tatverdächtigen identifiziert habe, seien Ermittlungen in Gang gekommen, die noch andauerten. Zudem hätten Gespräche mit Verfassungsschutz-Mitarbeitern ergeben, dass offenbar mehr Waffen als zunächst bekannt durch einen Informanten in das Amt gekommen sind und möglicherweise auch wieder an diesen zurückgegeben wurden. Aufzeichnungen gebe es darüber nicht.
Auch strukturelle Probleme der Verfassungsschutz-Abteilung fielen den vier Experten um Torsten Voß auf, darunter vor allem eine chronische personelle Unterbesetzung der Abteilung und eine Überlastung des Abteilungsleiters. Dieser sei bei seinen Entscheidungen teilweise allein gelassen worden, sagte Voß. Ihm habe eine Führungsunterstützung gefehlt, ein Stab, der ihm Arbeit abnehme, damit er seine Fachaufsicht auch ausüben könne.
Die Mitarbeiterzahl des Verfassungsschutzes sei mit den über die Jahre gewachsenen Anforderungen durch den Extremismus nicht adäquat mitgewachsen, so die Experten weiter. Außerdem stimme die qualitative Zusammensetzung nicht: Der Verfassungsschutz MV brauche mehr Wissenschaftler und mehr Mitarbeiter mit einer speziellen Verfassungsschutz-Ausbildung. Zu finden seien bislang in der Abteilung viele frühere Polizisten oder Mitarbeiter anderer Verwaltungen, die per „Learning by doing“ die Geheimdienst-Arbeit machten.
Die Kommission unterbreitete 52 Verbesserungsvorschläge, allen voran das Verlangen mehr Personal und einen Stab für den Abteilungsleiter. Andere betreffen die Informationsflüsse und deren Dokumentation sowie die Standards bei der Führung von Informanten. Die Kontrolle durch die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) sollte aus Sicht der Experten verbessert werden.

dpa