nArchivbild: 22.02.2020, Hessen, Hanau: In der Nähe des Tatortes am Heumarkt wurden Blumensträuße niedergelegt. (dpa)
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Die Stadt Hanau und die Opfer-Familien haben mit Empörung auf ein Filmprojekt des Regisseurs Uwe Boll zu dem rassistisch motivierten Anschlag mit neun Toten vor gut einem Jahr reagiert. „Wir alle – die Familien der Opfer, der Magistrat sowie die Stadtverordnetenvorsteherin und die Fraktionen – fordern Sie mit Nachdruck auf, die Vorbereitungen sofort einzustellen und auf die Dreharbeiten zur Realisierung dieses Films zu verzichten“, hieß es in einem offenen Brief an Boll, den die Stadt Hanau am Freitag veröffentlichte. Unterzeichnet wurde er neben den Opferfamilien unter anderem von Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD). Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung über das Filmprojekt berichtet.
Boll verteidigte das Vorhaben am Freitagabend. Er stehe damit auf der Seite der Opfer und wolle zu der geforderten Aufklärung der Ereignisse beitragen, sagte der Regisseur der Deutschen Presse-Agentur. Es sei nachvollziehbar, wenn das Thema emotional belastend sei. Er sei auch der Auffassung, „dass der Film nicht unbedingt von den Familien der Opfer angesehen werden sollte“, so Boll. Der Anschlag habe aber erneut verdeutlicht, welche Gefahren der wachsende Rechtsextremismus und zunehmende Verschwörungstheorien bergen, deshalb sei es wichtig, das Thema aufzugreifen. Der Film sei bereits gedreht und dürfte in einigen Monaten fertiggestellt sein.
Vor gut einem Jahr hatte ein 43-jähriger Deutscher in der Stadt im Rhein-Main-Gebiet neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen, bevor er vermutlich seine Mutter und schließlich sich selbst tötete. Die Tat hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst. Zum Jahrestag der Tat am 19. Februar nahmen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) an einer Gedenkveranstaltung teil.
Eine Hanauer Stadtsprecherin sagte, Boll habe mit der Stadt zu dem Filmprojekt zuvor keinen Kontakt aufgenommen. Auch die Opfer-Familien und -vereine hätten davon aus der Presse erfahren, hieß es in dem Brief. Boll erklärte dazu, er habe mit der Bildungsinitiative Ferhat Unvar Kontakt aufgenommen, von dort aber signalisiert bekommen, dass man von dem Projekt Abstand nehme. Unvar gehörte zu den Todesopfern des Anschlags, die Bildungsinitiative hatte seine Mutter gegründet.
Stadt und Opfer-Familien erklärten in dem Offenen Brief, das Attentat des 19. Februars 2020 habe viele Wunden gerissen – in den betroffenen Familien, in der ganzen Stadtgesellschaft. „Die Stadt ist seither nicht mehr dieselbe und wir alle tun unser Bestes, um die Ereignisse angemessen zu verarbeiten. Es übersteigt unsere Vorstellungskraft, welche Geisteshaltung notwendig ist, um den gewaltsamen Tod von neun Mitmenschen in einer Art und Weise filmisch umzusetzen, die nach Ihren eigenen Worten zu hart für die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ist“, so die Stadt und die Angehörigen in dem Schreiben mit Blick auf ein Zitat Bolls in der „Bild“.
Für den Fall der Umsetzung des Projekts forderten sie Boll auf, „die Persönlichkeitsrechte der Angehörigen, deren Pietätsempfinden und die fortwirkende Menschenwürde der Verstorbenen zu beachten“. Andernfalls wurden juristische Schritte angekündigt.

dpa