Brandenburgs Landes- und Fraktionschef Andreas Kalbitz (AFP)
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Brandenburgs Landes- und Fraktionschef Andreas Kalbitz will gegen die Entscheidung der AfD-Spitze, seine Mitgliedschaft zu beenden, vorgehen. Am Freitag stimmte eine Mehrheit des AfD-Bundesvorstandes dafür, seine Mitgliedschaft wegen früherer Kontakte im rechtsextremen Milieu für nichtig zu erklären. Kalbitz zählte mit Thüringens AfD-Landeschef Björn Höcke zu den Schlüsselfiguren des rechtsextremen „Flügels“, der sich im April nach eigenen Angaben selbst aufgelöst hat.

„Ich (...) werde alle juristischen Möglichkeiten nutzen, um diese aus meiner Sicht politische Fehlentscheidung anzufechten“, teilte Kalbitz mit.

Der Parteivorsitzende Jörg Meuthen und sechs weitere Mitglieder des Parteivorstandes stimmten für den Beschluss. Kalbitz, der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla, die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alice Weidel, sowie drei weitere Mitglieder waren dagegen. Carsten Hütter aus Sachsen enthielt sich demnach der Stimme.

Meuthen sagte in ARD und ZDF, in einer „sehr ernsthaften, auch kontroversen“ Diskussion sei es darum gegangen, ob die Bedingungen zur Aufnahme von Kalbitz 2013 rechtlich korrekt waren oder nicht. „Und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, mehrheitlich, sie sind es nicht und haben daraus die Konsequenzen gezogen.“ Kalbitz sagte im ZDF: „Ich bedaure, dass Teile des Bundesvorstandes sich offensichtlich zu Handlagern der politischen Gegner und des Verfassungsschutzes gemacht haben.“

In dem Beschluss des AfD-Bundesvorstands heißt es, die Mitgliedschaft sei mit sofortiger Wirkung aufgehoben, „wegen des Verschweigens der Mitgliedschaft in der Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) und „wegen der Nichtangabe seiner Mitgliedschaft“ bei den Republikanern zwischen Ende 1993 und Anfang 1994. Die HDJ steht auf der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der AfD. Wer Mitglied einer Gruppierung war, die auf dieser Liste steht, darf nicht in die AfD aufgenommen werden.

Kalbitz ruft Mitglieder zum Weitermachen in der AfD auf

Währenddessen hat Andreas Kalbitz seine Anhänger nach dem Beenden seiner AfD-Mitgliedschaft durch die Bundesspitze zum Zusammenhalt in der Partei aufgerufen. „Ich bitte Euch herzlich: Tretet nicht aus, wir machen natürlich weiter. Die Verantwortung für unser Land ist wichtiger als einzelne Personen“, sagte Kalbitz am Freitagabend in einem Video bei Facebook. „Und ich bin zuversichtlich, dass wir in Brandenburg auch in Zukunft wieder weiter an diesen Erfolg anknüpfen werden.“

Mehrere Parteikollegen von Kalbitz zeigten sich solidarisch mit Kalbitz. „Wir stehen zu unserem Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz“, schrieb Landes- und Fraktionsvize Birgit Bessin gemeinsam mit den Abgeordneten Dennis Hohloch und Andreas Galau bei Facebook. „Der politische Gegner steht draußen!“, schrieb Bessin.

Kalbitz wurde im April 2017 Vorsitzender der AfD Brandenburg, im November 2017 Chef der Landtagsfraktion. Die AfD kam bei der Landtagswahl 2019 unter seiner Parteiführung auf 23,5 Prozent - Rang zwei hinter der SPD, die seit 30 Jahren im Land regiert.

Meuthen kann sich Kalbitz als Fraktionschef nicht mehr vorstellen

Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen zieht nach dem Parteirauswurf des bisherigen Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz auch dessen Zukunft als Fraktionschef im Landtag von Brandenburg in Zweifel. „Ich kann mir schwer vorstellen, einen Parteilosen als Fraktionsvorsitzenden zu haben, aber letztlich muss das die Fraktion in Brandenburg selbst entscheiden“, sagte Meuthen am Samstag der Deutschen Presse-Agentur.

Der Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alexander Gauland, erklärte: „Ich kann mir gut vorstellen, dass er den Fraktionsvorsitz ruhen lässt für die Dauer der juristischen Klärung.“

Meuthen, der dafür geworben hatte, Kalbitz die Mitgliedschaft abzuerkennen, sagte, er habe dafür seit Freitag „unglaublich viel Zustimmung“ aus der Partei erhalten. Einige Mitglieder hätten allerdings auch mit „wütender Ablehnung“ reagiert. Auf die Frage, weshalb er eine Verortung von Kalbitz im rechtsextremen Spektrum früher selbst bestritten habe, antwortete der AfD-Vorsitzende: „Ich habe ihn im persönlichen Kontakt nicht als Rechtsextremisten wahrgenommen, später wurde aber deutlich, dass er auf jeden Fall eine rechtsextreme Vergangenheit hat.“

Gauland sagte, er habe von Anfang an gewusst, dass Kalbitz früher bei den Republikanern gewesen sei. Was die vom Verfassungsschutz behauptete ehemalige Mitgliedschaft in der HDJ angehe, so wäre der Bundesvorstand gut beraten gewesen, das Ergebnis einer Klage von Kalbitz gegen den Verfassungsschutz abzuwarten.

Extremismusforscher hält AfD in Teilen für „nazifiziert“

Aus Sicht der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken ändert der Rauswurf von Kalbitz nichts an der Ausrichtung der AfD. „Es wird der AfD weder durch die wirkungslose Auflösung des sogenannten ‚Flügels‘ noch durch Parteiausschlüsse gelingen, sich von dem rechtsextremen Gedankengut zu distanzieren, das längst die gesamte Partei durchdrungen hat“, sagte Esken dem Nachrichtenportal t-online.de. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Benjamim Strasser schrieb auf Twitter: „Wenn es der #AfD wirklich um Rechtsextreme in den eigenen Reihen ginge, wäre #Höcke schon längst weg“.

Auch der Potsdamer Extremismusforscher Gideon Botsch sieht in der AfD trotz des Rauswurfs von Andreas Kalbitz keine konsequente Abgrenzung von rechtsextremen Positionen. „In jeder demokratischen Partei wäre es selbstverständlich, dass ein Mann, der über solche Neonazi-Kontakte die Unwahrheit sagt, für ein Spitzenamt untragbar ist“, sagte Botsch. „Dass die AfD sich nur mit denkbar knapper Vorstandsmehrheit dazu entschließen kann, diese satzungsgemäß zwingenden Konsequenzen einzuleiten, zeigt wie weit die Partei schon ‚nazifiziert‘ ist. Für eine konsequente politische Trennung von rechtsextremen Personen und Positionen spricht dieser Schritt keineswegs.“ Politikforscher Botsch fügte hinzu: „Diese Personalie enthält zu viel Sprengstoff für die AfD, da man nie wissen kann, was noch herauskommt.“

dpa