25.03.2021, Berlin: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt nach einem Pressestatement ihre Maske auf. Das Bundeskabinett hat nach einigen Kontroversen die Änderung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. (dpa)
Folgen

Es hat Tage gedauert, ehe sich Bund und Länder in der Kontroverse um die sogenannte Notbremse im Kampf gegen das Coronavirus zusammenraufen konnten. Am Ende stand ein Kompromiss: Das Kabinett beschloss am Dienstag Ergänzungen des Infektionsschutzgesetzes, die der Bundesregierung mehr Durchgriffsrechte zur Anordnung von Maßnahmen gegen die Pandemie verschaffen. Im Gegenzug wurde den Ländern zugesichert, dass es sich um eine vorübergehende Regelung handeln soll. Der Bundestag muss der Neufassung noch zustimmen, auch der Bundesrat wird befasst.

Inhaltlich beinhaltet der Beschluss folgende Leitsätze: Sobald die 7-Tage-Inzidenz, also die Zahl der in diesem Zeitraum positiv auf Corona Getesten pro 100.000 Einwohner, an drei aufeinander folgenden Tagen die Schwelle von 100 überschreitet, sollen in dem betroffenen Landkreis vom übernächsten Tag an schärfere Maßnahmen gelten. Diese sollen so lange in Kraft bleiben, bis die 7-Tage-Inzidenz an fünf aufeinander folgenden Tagen die Schwelle von 100 wieder unterschreitet. Sobald dies der Fall ist, treten die Extra-Auflagen zum Ende des darauf folgenden Tages wieder außer Kraft.

Konkret sind für den Fall des Greifens der Voraussetzungen für die „Notbremse“ folgende verpflichtende Maßnahmen vorgesehen:

Private Kontakte: Mitglieder eines gemeinsamen Haushalts dürfen sich höchstens mit einer weiteren Person treffen. Dabei werden es nach dem Willen des Kabinetts insgesamt höchstens fünf Menschen sein, denen es erlaubt sein soll, im öffentlichen oder privaten Rahmen zusammenzukommen. Kinder bis 14 Jahre sollen von der Regelung ausgenommen sein. Auch für Zusammenkünfte von Ehe- und Lebenspartnern oder zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts gibt es Ausnahmen. An Zusammenkünften anlässlich von Todesfällen dürfen bis zu 15 Personen teilnehmen.

Ausgangsbeschränkungen: Greift die „Notbremse“, darf niemand mehr zwischen 21.00 und 5.00 Uhr die eigene Wohnung oder das eigene Grundstück verlassen. Ausnahmen sind für die „Abwendung einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum“ wie etwa gesundheitliche Notfälle bei Mensch und Tier oder für dringende medizinische Behandlungen vorgesehen. Auch die Ausübung eines Berufs oder Mandats sowie die journalistische Berichterstattung sollen durch die Ausgangsbeschränkungen nicht beschränkt werden. Gleiches gilt für die Wahrnehmung von Sorge- oder Umgangsrechten oder die unaufschiebbare Betreuung Unterstützungsbedürftiger bzw. Minderjähriger. Darüber hinaus gilt die Ausgangssperre nicht für die Begleitung Sterbender, die Versorgung von Tieren oder wenn „ähnlich gewichtige und unabweisbare Gründe“ vorliegen. Ein anlassloser Abendspaziergang gilt hingegen nicht mehr als Ausnahmetatbestand.

Freizeiteinrichtungen: Einrichtungen wie Schwimmbäder, Saunen, Diskotheken, Bordelle, Wellnesszentren, Ausflugsschiffe oder Indoorspielplätze müssen schließen.

Läden: Geschäfte oder Märkte mit Kundenkontakt müssen schließen. Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel inklusive Direktvermarktung, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Zeitungsverkäufer, Buchhandlungen, Blumenläden, Tierbedarfs- und Futtermittelmärkte und Gartenmärkte. Diese dürfen aber nur das übliche Sortiment verkaufen. Für die zulässige Kundenanzahl zu einem bestimmten Zeitpunkt gelten Grenzen in Abhängigkeit von der Verkaufsfläche. In geschlossenen Räumen müssen Kunden eine Maske auf FFP2-Niveau oder eine medizinische Maske tragen.

Kultur und Zoos: Theater, Opern, Konzerthäuser, Bühnen, Musikclubs, Kinos (außer Autokinos), Museen, Ausstellungen, Gedenkstätten, zoologische und botanische Gärten müssen schließen, auch entsprechende Veranstaltungen sind untersagt.

Sport: Nur kontaktloser Individualsport bleibt erlaubt, den man allein, zu zweit oder mit Angehörigen des eigenen Hausstands ausüben kann. Für Berufs- und Leistungssportler gibt es Ausnahmen.

Gastronomie: Der Betrieb von Gastronomiebetrieben und Kantinen wird untersagt. Es gibt aber Ausnahmen etwa für Speisesäle in Rehazentren oder Pflegeheimen, die Versorgung Obdachloser oder jene von Fernfahrern. Die Abholung von Speisen und Getränken zum Mitnehmen bleibt erlaubt, ebenso die Auslieferung. Zwischen 21.00 und 5.00 Uhr ist nur die Auslieferung zulässig.

Körpernahe Dienstleistungen: Dienstleistungen mit körperlicher Nähe zum Kunden sind untersagt. Ausgenommen sind Dienstleistungen, „die medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken dienen sowie Friseurbetriebe“. Während ihrer Inanspruchnahme müssen in der Regel FFP2-Masken oder Masken mit gleicher Schutzwirkung getragen werden. Wer zum Friseur will, muss zudem ein höchstens 24 Stunden altes negatives Testergebnis vorweisen.

Nah- und Fernverkehr: In Bus, Bahn und Taxi sind Masken auf FFP2-Niveau Pflicht. Es gilt die Empfehlung, maximal die Hälfte der regulär zulässigen Anzahl an Passagieren zu transportieren.

Tourismus: Die Vermietung touristischer Übernachtungsgelegenheiten ist untersagt.

Unabhängig von der Notbremse gilt Folgendes:

Schulen: Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte müssen im Präsenzunterricht zweimal pro Woche getestet werden. Darüber hinaus gilt hier eine eigene Notbremse: Überschreitet die 7-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen den Schwellenwert von 200, so wird ab dem übernächsten Tag der Präsenzunterricht in Schulen, Berufsschulen, Hochschulen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung und ähnlichen Einrichtungen verboten. Ausnahmen für Abschlussklassen und Förderschulen sind möglich. Diese Bremse gilt auch für Kitas, die Länder können aber Notbetreuung ermöglichen. Die Schulbremse tritt außer Kraft, wenn die 7-Tage-Inzidenz an fünf aufeinander folgenden Tagen unter 200 liegt.

Weitergehende Regelungen: Weiterreichende Gebote und Verbote des Infektionsschutzes bleiben von der Notbremse unberührt. Gottesdienste sind von ihr ebenfalls nicht erfasst.

Verordnungen des Bundes: Der Bund soll zudem bei einer Inzidenz von mehr als 100 eigene Verordnungen und Vorkehrungen zum Infektionsschutz erlassen können, was normalerweise Ländersache ist. Darin kann der bekannte Katalog an Corona-Vorschriften enthalten sein, von Quarantäneregelungen über die Maskenpflicht bis hin zur Schließung bestimmter Einrichtungen. Aber auch Erleichterungen wären möglich, insbesondere für Menschen, die als immun gelten oder einen negativen Test vorweisen können. Bundestag und Bundesrat müssen diesen Verordnungen zustimmen – beim Bundestag gilt es als stillschweigende Zustimmung, wenn er sein Einverständnis nicht binnen sieben Tagen ausdrücklich verweigert hat.

Dauer der Regelungen: Sowohl die Bundes-Notbremse als auch die Möglichkeit zu Bundes-Verordnungen gelten nur, solange in Deutschland eine epidemische Lage von nationaler Tragweite als festgestellt gilt. Derzeit ist das der Fall, allerdings muss der Bundestag dies alle drei Monate bekräftigen.

dpa