01.05.2012, Schleswig-Holstein, Neumünster: Eine weibliche Teilnehmerin trägt bei einer Veranstaltung der NPD ein T-Shirt mit der Aufschrift „Nazi Braut“. (dpa)
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Die rechtsextreme Szene in Deutschland wächst: Der Verfassungsschutz rechnet mehr als 30.000 Personen dem rechtsextremen Spektrum zu. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2019, wie aus dpa-Informationen vom Donnerstag hervorgeht.

„Die Anzahl der Rechtsextremisten in Deutschland ist im vergangenen Jahr angestiegen - das hat auch damit zu tun, dass unsere Sicherheitsbehörden noch genauer als bisher hinschauen und ihre Methodik ständig optimieren“, sagte Innenstaatssekretär Hans-Georg Engelke auf Anfrage.

Zum Vergleich: 2018 lag das rechtsextremistische Personenpotenzial bei 24.100 Personen, darunter 12.700 Gewaltorientierte. Demnächst erscheint der neue Verfassungsschutzbericht mit exakten Daten für das vergangene Jahr. „Der Rechtsextremismus ist derzeit die größte Bedrohung für unseren demokratischen Rechtsstaat“, hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Wochenende erklärt.

Die Bundesregierung rechnet auch mit einem weiteren Anstieg der Zahl der Rechtsextremisten, die von der Polizei als „Gefährder“ eingestuft werden. Die intensivere Analyse in Bund und Ländern sowie der Personalaufwuchs im Bundeskriminalamt ließen mit Blick auf den hohen Anteil gewaltbereiter Extremisten im rechten Spektrum erwarten, „dass auch die Anzahl der als Gefährder eingestuften Rechtsextremisten weiter steigt“, sagte Engelke.
65 Gefährder aus dem rechtsextremistischen Milieu
Bundesweit schätzen die Polizeibehörden aktuell 65 Rechtsextremisten als sogenannte Gefährder ein. Die Zahl der islamistischen Gefährder ist etwa zehn Mal so hoch. Im Juni 2019 waren es 39 Rechtsextremisten, die nach Einschätzung der Polizei in diese Kategorie gehören. Als terroristischer Gefährder gilt jemand, dem die Polizei einen Anschlag oder eine andere „politisch motivierte Straftat von erheblicher Bedeutung“ zutraut.
Die Sicherheitsbehörden wollen bis 2022 ein neues Analyse-Instrument für eine weitgehend einheitliche Einschätzung des Personenpotenzials im Bereich des rechtsextremistischen Terrorismus entwickeln. Das soll der Polizei in Bund und Ländern helfen, die Gefährlichkeit von Personen, zu denen schon umfassende Erkenntnisse vorliegen, zu bewerten. Da diese Einschätzung als Basis für die Anordnung von Überwachung und anderen polizeilichen Maßnahmen dient, ist damit ebenso die Hoffnung verbunden, auch mögliche Anschläge von Extremisten zu verhindern, die nicht durch konkrete Tatvorbereitungen auffallen.
Dass die Bundesregierung und die Sicherheitsbehörden jetzt stärker den Blick auf den Rechtsextremismus richten, hat auch mit zwei Attentaten im vergangenen Jahr zu tun. Im Juni 2019 wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke auf der Terrasse seines Hauses erschossen. Haupttatverdächtiger ist ein 46-jähriger Deutscher. Die Ermittler gehen von einem rechtsextremistischen Motiv aus. In Halle versuchte ein schwerbewaffneter Rechtsextremist im Oktober in eine voll besetzte Synagoge einzudringen. Als dies scheiterte, tötete er eine Frau auf der Straße und einen Mann in einem Döner-Imbiss.

dpa