Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt im Kanzleramt eine Presseerklärung zur Verbreitung des Coronavirus. (dpa)
Folgen

Seit dem Ausbruch des Cornavirus und den steigenden Fallzahlen ist Deutschland im Coronamodus – also im Krisenmodus. Maßnahmen werden getroffen und täglich erweitert. Um die wirtschaftlichen Folgen abzufedern, schnürt Berlin Hilfspakete. Gleichzeitig steigt die Zahl der Infizierten und der Todesfälle. Denn eine Medizin gegen das Coronavirus gibt es nicht. Das einzige Rezept in dieser Krise lautet: Ausbreitung verhindern und Zeit gewinnen.

Ursula von der Leyen: „Haben Corona unterschätzt"

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat eingeräumt, dass das Coronavirus auch von der Politik unterschätzt worden ist. „Ich glaube, wir alle, die wir nicht die Experten sind, haben am Anfang das Coronavirus unterschätzt“, erklärte von der Leyen in einem Zeitungsinterview.

EU-Präsidentin Ursula von der Leyen auf der Pressekonferenz in Brüssel (DPA)

Aber inzwischen zeige sich auch, dass das Virus uns noch lange beschäftigen werde. „All diese Maßnahmen, die sich für unsere Ohren noch vor vierzehn Tagen oder drei Wochen drastisch, drakonisch angehört haben - wir haben verstanden, dass das jetzt sein muss.“ Erst als auch in Deutschland die ersten Corona-Toten gemeldet wurden, spürte jeder die Gefahr. Denn das Coronavirus sei ein unheimlicher Gegner. „Wir sehen es nicht, es hat keine Farbe, es schmeckt nicht. Wir merken aber, dass es sich mit rasender Geschwindigkeit ausbreitet. Wir wissen auch nicht, wie hart es den einzelnen Menschen betrifft.“ Überhaupt ist allzu wenig über das Coronavirus bekannt. Daher gibt es auch keine Behandlung mit Erfolgsgarantie. Robert-Koch-Institut stuft Risiko „hoch“ ein Angesichts der rapiden Ausbreitung der Coronavirusinfektionen hat das Robert-Koch-Institut (RKI) das Risiko für die Bevölkerung nun als „hoch“ eingestuft. RKI-Präsident Lothar Wieler begründete die Änderung der Risikoeinschätzung in Berlin mit dem starken Anstieg der Fallzahlen. Wieler sprach von „Alarmzeichen“ aus Krankenhäusern. In einem Teil der Kliniken nehme die Zahl der Schwerkranken und jener Patienten zu, die intensivmedizinisch behandelt und beatmet werden müssten. Auch eine Reihe von Gesundheitsämtern spreche von einer „sehr dynamischen Lage“, fügte Wieler hinzu. Sollte es bis Ende der Woche 20.000 bestätigte Infektionsfälle in Deutschland geben, sei damit zu rechnen, dass davon bis zu 1500 Patienten in den Krankenhäusern behandelt werden müssten, sagte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, Im Zeitungsinterview. Krankenhäuser stehen vor einer Herausforderung

Dies wäre nach seinen Angaben eine Verdreifachung der Zahl der derzeit stationär behandelten Coronapatienten. Das würde die Krankenhäuser herausfordern. Die Zahl der Intensivbetten von derzeit 28.000 müsse innerhalb von zwei oder drei Monaten auf rund 34.000 aufgestockt werden. Auch die Zahl der Beatmungsgeräte von derzeit 20.000 Stück müsse erhöht werden.

Jetzt erst plant Berlin ein eigenes Coronavirus-Krankenhaus für bis zu tausend Patienten. Die Klinik soll demnach unter anderem gemeinsam mit der Bundeswehr eingerichtet werden. Mit der Maßnahme wolle der Senat „möglichen Engpässen“ begegnen, teilte Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) mit. Die Klinik solle „ausschließlich zur Vermeidung eines realen Engpasses genutzt werden“. An diversen Notfallplänen arbeiten nun Bund und Länder: „Auf-, Aus- und Umrüsten von Rehabilitationseinrichtungen, Hotels oder größeren Hallen können für die zahlreichen leichteren Behandlungsverläufe zusätzliche Kapazitäten aufgebaut werden“. Zudem soll die Zahl der Intensivbetten verdoppelt werden. Länder sollen mit den jeweiligen Kliniken nun Pläne erarbeiten, um das Ziel einer Verdopplung der Intensivkapazitäten „durch den Aufbau provisorischer Intensivkapazitäten zu erreichen“. Laut Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gibt es derzeit in Deutschland 28.000 Intensivbetten, von denen 25.000 Beatmungsmöglichkeiten haben. Provisorische Unterbringung mangels Intensivbetten Um Kliniken zu entlasten, die sich auf den Aufbau von Intensivkapazitäten konzentrieren, müssten an anderen Kliniken und gegebenenfalls provisorischen weiteren Standorten wie Hotels oder umgerüsteten Hallen zusätzliche Betten- und Behandlungskapazitäten - bis hin zur Verdoppelung - aufgebaut werden. Das geht aus einem „Grobkonzept Infrastruktur Krankenhaus“ hervor, auf das sich Bund und Länder verständigt haben.

Corona-Vorsorge: Leerstehende Hallen umgerüstet für den Notfall (DPA)

Danach sollen unter anderem Rehabilitationseinrichtungen, Hotels oder größere Hallen umgerüstet werden, um dort die zahlreichen leichteren Behandlungsverläufe zu versorgen. Notfalls sollen dazu Deutsches Rotes Kreuz, Technisches Hilfswerk oder auch andere Dienste herangezogen werden. „Dies entlastet dann die Krankenhäuser für schwerere Verläufe“, heißt es in dem Papier. Personalmangel - ein weiteres Problem Zur Steigerung der Beatmungskapazität plane das Bundesgesundheitsministerium mit den Gesundheitsministern der Länder bis Anfang nächster Woche, wann die vom Bund beschafften Beatmungsgeräte unterschiedlicher Kategorien wo eingesetzt werden können. „Weitere Beschaffungen seitens der Länder und Kliniken sind davon ausdrücklich unbenommen.“ Jede Klinik sollte auch vorausschauende Personalplanung betreiben: vorhandenes Personal zusätzlich für einen etwaigen Einsatz im Intensivbereich schulen. Auch sollten Konzepte entwickelt werden für den Einsatz von Medizinstudenten höherer Semester, sowie für den Einsatz von Ärzten und Pflegekräften, die sich aus dem Ruhestand oder anderen Bereichen zur Unterstützung zur Verfügung stellen. Fehlende Schutzausrüstung auch für das Personal Zudem beklagt Walter Plassmann, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, die fehlende Schutzausrüstung für Ärzte. „Wenn uns die Schutzausrüstung ausgeht, sind wir am Ende, dann kann kein Arzt mehr fahren, dann kann kein Arzt mehr behandeln.“

Medizinischer Mundschutz wird rar. (DPA)

Wegen der Corona-Pandemie baut das Gendiagnostik- und Biotechunternehmen Qiagen seine Kapazität für die Herstellung von Corona-Testkits aus. Seit einigen Wochen stellt das Unternehmen die Testkits für das neuartige Virus her. Bislang kann es etwa 1,5 Millionen Tests pro Monat ermöglichen. Nun will Qiagen erst bis Ende April Material für 6,5 Millionen und bis Ende Juni 2020 für 10 Millionen Patienten herstellen können. Vernetzung von Klinken noch unzureichend Die Internetseite zur deutschlandweiten Abfrage freier Beatmungsplätze in Krankenhäusern ist nun an den Start gegangen. Über die Seite sollen Intensivmediziner angesichts der gestiegenen Nachfrage in der Coronakrise unkompliziert Kapazitäten abfragen können, wie die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) mitteilte. Über das Divi-Intensivregister sollen erstmals mehr als tausend Kliniken zentral erfasst werden, um „eine regionale Koordination der intensivstationären Betten und damit eine optimale Versorgung der Covid-19-Patienten sicherzustellen“. „In den Krankenhäusern ist mit einem steigenden Bedarf an Intensiv- und Beatmungskapazitäten zur Behandlung von Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen zu rechnen“, erklärte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler. Bislang haben sich aber rund 85 Kliniken auf diese Art und Weise miteinander vernetzt – so der Stand von Dienstagnachmittag.

Gesundheitsminister Jens Spahn (DPA)

Ein essentielles Problem ist Personalmangel im Gesundheitswesen. Angesichts der bevorstehenden Welle von Infizierungen appelliert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an die Krankenhäuser, zusätzliches Personal zu rekrutieren. „Bitte planen Sie jetzt, wenn möglich, den Rückgriff auf Studenten und bereits im Ruhestand befindliches Personal“, heißt es in einem Schreiben Spahns an die deutschen Krankenhäuser. Dieses zusätzliche Personal solle auch „möglichst jetzt schon“ ausgebildet werden. Personalengpässe mit Zulassung ausländischer Pflegekräfte lösen Die Corona-Pandemie überfordert unter anderem die Krankenhäuser. Sie fordern eine schnelle Zulassung ausländischer Pflegekräfte, die sich bereits in Deutschland befinden. „Die Gesundheitsämter müssen Ad-hoc-Genehmigungen für ausländische Pflegekräfte erteilen“, mahnt der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft. „Diese können dann hinterher immer noch geprüft werden und das formale Verfahren nachgeholt werden.“

Impstoff frühestens nächsten Frühling

Bei all den Bemühungen, wenn auch zu spät und zu wenig, hilft nur eines: Impfstoff. RKI-Präsident Wieler rechnet mit einem Impfstoff frühestens nächsten Frühling. Vor allem die Zulassung eines Impfstoffes dürfte den Verlauf der womöglich zwei Jahre dauernden Pandemie maßgeblich beeinflussen. Schnell gehen wird das aber nicht. RKI-Präsident Wieler rechnet mit einem Impfstoff frühestens nächsten Frühling.

TRT Deutsch und Agenturen