Gedenktafel für den Blumenhändler Enver Şimşek, das erste Opfer der NSU-Mordserie. (AA)
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Enver Şimşek war das erste Opfer der rechtsextremen NSU-Mordserie. Es folgten weitere Morde an Menschen mit Migrationshintergrund – sieben Opfer waren türkeistämmig, ein Mordopfer stammte aus Griechenland. Auch eine deutsche Polizistin wurde vom sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) ermordet. Die Terrorzelle konnte jahrelang ungehindert agieren.

Şimşek wurde in einer Kleinstadt in der Nähe von Antalya geboren. Als 23-Jähriger kam er nach Deutschland, arbeitete zunächst in einer Fabrik und machte sich später mit einem Blumenhandel im hessischen Schlüchtern selbstständig. Der 38-jährige Familienvater verkaufte Blumen – bis er von Rechtsterroristen ermordet wurde. Seine Ehefrau Adile und seine beiden Kinder, Semiya und Abdulkerim, sind noch heute vom Mord an dem Ehemann und Vater traumatisiert.

Der plötzliche Verlust aber auch die fehlgeleiteten Ermittlungen haben die Trauerarbeit erschwert. Die Polizei verdächtigte zunächst die Familie und ermittelte gegen Adile. Telefonate wurden abgehört und die Wohnung durchsucht. Dem NSU-Opfer wurden illegale Geschäfte und eine Affäre angelastet. Voller Vorurteile kreisten die Ermittlungen um die Familie des Ermordeten – Drogenhandel und organisierte Kriminalität wurden als Tatmotiv gemutmaßt.

Erst nach der Selbstenttarnung der Terrorzelle NSU im Jahre 2011 ermittelte die Polizei im rechtsextremen Milieu und klärte den Mord auf. Die Mordserie von 2000 bis 2006 ging als sogenannte NSU-Mordserie oder Ceska-Mordserie in die deutsche Geschichte ein. Verantwortlich für die rechtsterroristischen Attentate sind die drei Haupttäter Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Nach dem letzten Banküberfall begannen die beiden Männer mutmaßlich Suizid. Beate Zschäpe hingegen musste sich in einem Mammutprozess verantworten. Auf das Konto der Terrorgruppe gehen außer den rassistisch motivierten Morden 43 Mordversuche, mehrere Sprengstoffanschläge und fünfzehn Raubüberfälle. Noch heute ist der NSU-Komplex nicht ganz aufgeklärt.

Seine Frau und seine Tochter leben inzwischen wieder in der Türkei. Tochter Semiya Şimşek schrieb zusammen mit einem Journalisten ihre Familiengeschichte in dem Buch „Schmerzliche Heimat. Deutschland und der Mord an meinem Vater“.

Zum 21. Jahrestag des Anschlags wird sie an diesem Donnerstag, 9. September, um 18 Uhr in einer Videoveranstaltung mit der Nürnberger Rechtsextremismus-Expertin Birgit Mair vom Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung über die Auswirkungen des Terrors auf ihre Familie sprechen.

Am kommenden Montag schließlich soll der Platz, an dem Familie Şimşek ihren Blumenstand in Nürnberg unterhält, von Oberbürgermeister Marcus König um 17 Uhr in einer Gedenkfeier in Enver-Şimşek-Platz umbenannt und eine Gedenktafel enthüllt werden.

"Enver-Şimşek-Platz" steht auf einem Straßenschild. (Others)
TRT Deutsch