03.06.1993, Nordrhein-Westfalen, Solingen: In der Nacht des 29. Mai 1993 hatten vier rechtsradikale Männer das Haus der türkischstämmigen Familie Genc angezündet. Fünf Frauen und Mädchen starben. (dpa)
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Der 27. Jahrestag zum Brandanschlag von Solingen fällt dieses Jahr aufgrund der Corona-Pandemie still aus. Am 29. Mai 1993 ereignete sich in der nordrhein-westfälischen Stadt eines der grausamsten und einschlägigsten Beispiele rechtsextremer Gewalt in der jüngsten Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Als Gedenkveranstaltung sind für den Freitag nur ein stille Kranzniederlegung sowie eine Schweigeminute am Mahnmal gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geplant.

Ansprachen oder Gebete seien laut Angaben der Stadt nicht geplant. Außerdem fällt die traditionelle Vergabe des Toleranzpreises „Silberner Schuh“ aus. Diese soll auf den Herbst verlegt werden.

Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach erklärte dazu am Donnerstag: „Der 29. Mai gehört normalerweise zu den Gedenktagen, an denen unsere Stadtgesellschaft enger zusammenrückt.“

„Das Verbrechen macht uns auch in der Erinnerung immer wieder sprachlos“, fügte der SPD-Politiker hinzu.

Annette Widmann-Mauz, Integrationsstaatsministerin, kommentierte am Donnerstag in Berlin, dass sich die „schrecklichen Bilder von Solingen“ sich für immer in das kollektive Gedächtnis gebrannt haben. „Sie sind eine Mahnung, alles dafür zu tun, damit Rassismus und Rechtsextremismus in Deutschland keinen Platz haben.“

Welle rechter Gewalt

Nach den Ausschreitungen von Hoyerswerda 1991, Rostock 1992 und dem Mordanschlag von Mölln im gleichen Jahr war der Brandanschlag auf das Zweifamilienhaus der türkischstämmigen Familie Genç in der westdeutschen Stadt Solingen die wohl größte Tragödie in einer immer größer werdenden Welle rechter Gewalt. Fünf Familienangehörige, darunter zwei Kinder, wurden den Flammen lebendig ausgesetzt und starben, 17 weitere Personen erlitten teils bleibende Schäden.

29.05.1993, Nordrhein-Westfalen, Solingen: Das bei dem Brandanschlag zerstörte Haus der türkischen Familie Genc in Solingen. (DPA)

Die Ermittlungen wurden an manchen Stellen halbherzig durchgeführt und es schlichen sich skandalöse Fehler ein: Der Brandschutt wurde nicht gesichert, man nahm keine Fingerabdrücke und Sprachprotokolle gab es auch nicht. Trotzdem bezeichnete Generalbundesanwalt von Stahl den Ermittlungsprozess als „erstklassige kriminalistische Arbeit“.

Ein Jahr später wurde in Solingen ein Mahnmal errichtet. Jedoch kam die Initiative nicht von der Stadt Solingen oder der Bundesregierung, sondern von Bürgern und dem Leiter der Solinger Jugendhilfe-Werkstatt Heinz Siering. Das Mahnmal sollte eigentlich im Stadtzentrum aufgestellt werden, wurde aber letztendlich 2,5 Kilometer weiter weg auf dem Gelände des Mildred-Scheel-Berufskollegs errichtet. Man wolle nicht den sozialen Frieden in der Stadtmitte gefährden, hieß es von Seiten der Politik.

29.05.2018, Nordrhein-Westfalen, Solingen: Mevlüde Genc nimmt am Ort des Brandanschlags an einem Gebet teil. In der Nacht des 29. Mai 1993 hatten vier rechtsradikale Männer das Haus der türkischstämmigen Familie Genc in Nordrhein-Westfalen angezündet. (DPA)

Rechte Kriminalität steigt um 9 Prozent

Das Thema Rechtsextremismus hat auch 27 Jahre nach dem tödlichen Brandanschlag nichts an Aktualität verloren. Laut dem jüngsten „Bericht zur politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2019“ des Bundesinnenministeriums, der am 12. Mai veröffentlicht wurde, werden über die Hälfte aller politisch motivierten Straftaten aus einer rechten Gesinnung heraus begangen.

Zwischen 2018 und 2019 nahm demnach die Zahl der rechten Kriminalitätsfälle um 9,4 Prozent zu. Bundesinneminister Horst Seehofer kommentierte dazu: „Die größte Gefahr kommt von rechts.“

TRT Deutsch