Die Pläne für ein EU-Einheitspatent haben vor dem Bundesverfassungsgericht einen Rückschlag erlitten. Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe erklärte mit einem am Freitag veröffentlichten Beschluss ein dafür notwendiges Gesetz zur Einführung eines Patentgerichts für nichtig. Der Zweite Senat des Gerichts begründete dies damit, dass das Gesetz nicht mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen worden sei. Die Entscheidung fiel aber mit fünf zu drei Stimmen im Senat knapp aus. (Az. 2 BvR 739/17)
Das Patentgericht ist zentraler Bestandteil zur bereits 2013 beschlossenen Einführung eines EU-Patents im Großteil der Mitgliedstaaten. Unternehmen müssen damit den Schutz für ihre Produkte oder Erfindungen nicht mehr einzeln in jedem Mitgliedstaat beantragen. Das Einheitspatent kann allerdings erst in Kraft treten, wenn es auch ein Europäisches Patentgericht gibt.
Das erforderliche Zustimmungsgesetz nahm der Bundestag zwar einstimmig an, allerdings waren laut Verfassungsgericht nur etwa 35 Abgeordnete anwesend. Nach Ansicht der Mehrheit der Richter des Zweiten Senats bewirkt das Gesetz aber eine Verfassungsänderung, die allerdings nicht mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit beschlossen wurde.
Die Bürger hätten zur Sicherung ihrer demokratischen Einflussmöglichkeiten im Prozess der europäischen Integration ein Recht darauf, dass eine Übertragung von Hoheitsrechten nur in der vom Grundgesetz vorgesehenen Form erfolge, erklärten die Karlsruher Richter. Ein unter Verstoß hiergegen ergangenes Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag könne eine EU-Einrichtung nicht demokratisch legitimieren.
Drei Richter in dem achtköpfigen Senat folgten dieser Auffassung nicht. Damit fiel die Entscheidung äußerst knapp: Bei einem Patt von vier zu vier Stimmen wäre die Verfassungsbeschwerde erfolglos gewesen.
Die drei Verfassungsrichter, die eine abweichende Meinung vertraten, kritisierten die Festlegung auf rein formelle Voraussetzungen. Die Notwendigkeit einer verfassungsändernden Mehrheit werde faktisch zur Regel nicht nur bei Hohheitsübertragungen auf die EU, sondern auch bei Einrichtungen, die durch einen Völkervertrag begründet werden. Die breite Eröffnung des Zugangs zum Bundesverfassungsgericht bei Kompetenzübertragungen könnte „weitere Integrationsschritte, wenn nicht verhindern, so doch erheblich verzögern“.
20 März 2020
Verfassungsgericht schmettert Pläne für EU-Einheitspatent ab
Erfinder wollen mit einem einzigen Antrag in mehreren EU-Ländern Patente erwerben. Die Idee eines EU-Einheitspatents klingt vernünftig, doch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat dagegen geurteilt - wenn auch mit knapper Entscheidung.
AFP
Ähnliche Nachrichten
Griechenland: Bahnhofschef in U-Haft – Proteste dauern an
Nach dem Zugunglück in Griechenland ist der Bahnhofsvorsteher von Larisa in Untersuchungshaft genommen worden. Er gestand, eine Weiche falsch gestellt zu haben. Derweil dauern die Streiks und Proteste der griechischen Eisenbahner seit Tagen an.
Selbe Kategorie
160 Milliarden Euro: Wohlstandsverlust in Deutschland durch Ukraine-Krieg
Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums führten die Energiekrise und der Ukraine-Krieg zu beträchtlichen wirtschaftlichen Einbußen in Deutschland. Der Linken-Politiker Cézanne kritisierte die unzureichenden Maßnahmen der Bundesregierung.
Worüber möchten Sie mehr erfahren?
Beliebt
Iran: Rätselhafte Vergiftungswelle beunruhigt die Bevölkerung
Bei einer landesweiten Anschlagswelle im Iran wurden Hunderte Schulmädchen vergiftet. In Regierungskreisen werden Extremisten dahinter vermutet. Eine offizielle Stellungnahme aus Teheran steht aber noch aus. Die Wut und Sorge der Eltern wächst.