Terrornacht in Wien: Vier Passanten und ein Täter tot (dpa)
Folgen

Die Terrormiliz Daesh hat den Anschlag in Wien mit vier Todesopfern und 22 teils schwer Verletzen für sich reklamiert.

Bei dem Terroranschlag in Wien ist auch eine Deutsche getötet worden. Wir haben jetzt die traurige Gewissheit, dass auch eine deutsche Staatsangehörige unter den Opfern des Angriffs in Wien ist“, teilte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Dienstag in Berlin mit. Er sprach den Angehörigen und Freunden sein Beileid aus.

„Mit den Menschen in Wien und ganz Österreich verbindet uns die Trauer um die Opfer, aber auch die Entschlossenheit, Fanatismus und Terror mit aller Kraft entgegenzutreten“, sagte Maas. „Wir müssen den Tätern jetzt klar zeigen: ihr werdet euer Ziel, die Spaltung unserer Gesellschaft, niemals erreichen.“ Bei dem Anschlag in der österreichischen Hauptstadt waren am Montagabend vier Menschen getötet und 22 teils schwer verletzt worden. Der Attentäter, nach Behördenangaben ein 20 Jahre alter Sympathisant der Terrormiliz Daesh, wurde von der Polizei erschossen. Nach dem Blutbad wurden 14 Menschen aus seinem Umfeld vorläufig festgenommen und 18 Wohnungen durchsucht.

Der Täter, ein 20 Jahre alter Doppelstaatler mit österreichischem und nordmazedonischem Pass, habe, als er von der Polizei erschossen wurde, noch viel Munition bei sich getragen. Nach Angaben von Bundesinnenminister Karl Nehammer hatten die Wiener Behörden ein Verfahren angestrengt, um ihm die österreichische Staatsbürgerschaft aberkennen zu lassen. Es habe aber wohl „zu wenige Hinweise auf das aktive Tun des Attentäter“ gegeben, um das Verfahren erfolgreich abzuschließen.

„Es war ein Anschlag aus Hass“

Der Anschlag in Wien war nach Worten von Bundeskanzler Sebastian Kurz eindeutig terroristisch motiviert. „Es war ein Anschlag aus Hass, aus Hass auf unsere Grundwerte, aus Hass auf unser Lebensmodell, aus Hass auf unsere Demokratie“, sagte Kurz am Dienstagvormittag in einer TV-Rede an die Bevölkerung.

Bei dem Anschlag am Montagabend seien vier Menschen „aus nächster Nähe kaltblütig von dem Attentäter getötet worden“, sagte Kurz. Dabei handele es sich um einen älteren Mann, eine ältere Frau, einen jungen Passanten und eine Kellnerin. Ein Polizist, der sich dem Täter in den Weg gestellt habe, sei angeschossen und verwundet worden, sagte Kurz. 14 weitere Menschen seien zum Teil schwer verletzt worden, einige davon ringten nach wie vor in Krankenhäusern um ihr Leben. Der Anschlag in der österreichischen Hauptstadt ist das schwerste Attentat seit Jahrzehnten in dem Land. „Wir werden uns von den Terroristen nicht einschüchtern lassen und uns mit aller Kraft verteidigen“, sagte Kurz. Es gehe nicht um eine Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen oder zwischen Österreichern und Migranten. Es gehe um einen Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei. „Und diesen Kampf werden wir mit aller Entschiedenheit führen.“ Für 12.00 Uhr kündigt Kurz eine landesweite Gedenkminute für die Opfer des Anschlages an.

Die Nacht des Terrors in Wien

Bei der Terrorattacke in Wien sind nach offiziellen Angaben mindestens vier Passanten getötet worden. Es handele sich um zwei Männer und zwei Frauen, bestätigte der österreichische Innenminister Karl Nehammer der Nachrichtenagentur APA am Dienstagmorgen. Zudem wurde ein Täter von der Polizei erschossen. Die Behörden sprachen außerdem von mehr als einem Dutzend zum Teil schwer verletzten Menschen, darunter auch ein Polizist. Ob ein oder mehrere Attentäter beteiligt waren, ist aus Sicht der Behörden weiter unklar. Sie gehen von einem terroristischen Motiv aus. Die Attacke geht nach den Worten von Innenminister Nehammer auf das Konto mindestens eines extremistischen Terroristen. Der Attentäter sei ein Sympathisant der Terrormiliz Daesh gewesen, sagte Nehammer am Dienstagmorgen. Er sei mit einem Sturmgewehr bewaffnet gewesen und habe zudem eine Sprengstoffgürtel-Attrappe getragen. Er habe offenbar Panik verbreiten wollen. Im Umfeld des Täters wurden mehrere Objekte durchsucht. Es seien mehrere Personen festgenommen worden, hieß es aus dem Innenministerium, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA am Morgen meldete.

Tausende von Videoaufnahmen werden ausgewertet

„Wir können derzeit nicht ausschließen, dass es noch andere Täter gibt“, sagte Nehammer am frühen Morgen. Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren. Die Bevölkerung habe der Polizei inzwischen Tausende von Videoaufnahmen für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt. Die Wohnung des Verdächtigen sei auf der Suche nach belastendem Material durchsucht worden, hieß es. 1000 Beamte seien in Wien im Einsatz. Die Wiener Innenstadt war zeitweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr erreichbar. Weder Busse noch Bahnen steuerten Ziele im historischen Kern der Zwei-Millionen-Metropole an. Die Regierung hält angesichts des Anschlags um 9 Uhr - per Videokonferenz - einen Sonderministerrat ab. Um 11.30 Uhr wendet sich Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dann in einer Rede an die Bevölkerung. Um 12 Uhr empfangen Kurz und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sowie die Fraktionschefs der Parlamentsparteien im Bundeskanzleramt zu einem Gespräch. Danach folgt eine gemeinsame Kranzniederlegung am Tatort, um der Opfer zu gedenken. Aufgrund der weiteren polizeilichen Ermittlungen wurden die Bürger dazu aufgerufen, die Innenstadt zu meiden.

„Wer einen von uns angreift, greift uns alle an“

Der Terrorangriff ereignete sich wenige Stunden vor Beginn des teilweisen Lockdowns in Österreich. Seit Mitternacht sind alle Gaststätten im Kampf gegen die Corona-Pandemie geschlossen. Die ersten Schüsse fielen am Montagabend gegen 20 Uhr nahe der Hauptsynagoge in einem Ausgehviertel Wiens. Nach Augenzeugenberichten feuerte der Täter wahllos in die Lokale. Ein Mann brach tödlich getroffen auf einem Bürgersteig zusammen. Viele Passanten rannten in Panik davon. Einige erhoben die Hände, um der Polizei zu zeigen, dass sie nicht bewaffnet sind. „Wer einen von uns angreift, greift uns alle an“, sagte Nehammer. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz verurteilte den Angriff als „widerwärtigen Terroranschlag“. Der Polizei zufolge gab es sechs verschiedene Tatorte. Einer davon liegt direkt neben der Synagoge. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, schrieb auf Twitter, es könne nicht gesagt werden, ob sie eines der Ziele war. „Fest steht allerdings, dass sowohl die Synagoge (...) als auch das Bürogebäude an derselben Adresse zum Zeitpunkt der ersten Schüsse nicht mehr in Betrieb und geschlossen waren.“

„Alle vereint gegen Hass und Gewalt eintreten“

Spitzenpolitiker in aller Welt zeigten sich betroffen. „Nach einem weiteren abscheulichen Terrorakt in Europa sind unsere Gebete bei den Menschen in Wien“, schrieb US-Präsident Donald Trump am späten Montagabend (Ortszeit) auf Twitter. Die USA stünden an der Seite Österreichs, Frankreichs und ganz Europas im Kampf gegen Terroristen, einschließlich radikal-extremistische Terroristen. Sein demokratischer Herausforderer Joe Biden twitterte, er und seine Frau Jill beteten nach dem schrecklichen Terrorangriff in Wien für die Opfer und deren Familien. „Wir müssen alle vereint gegen Hass und Gewalt eintreten“, ergänzte er. In den USA wird am Dienstag ein neuer Präsident gewählt. Auch UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den Terrorangriff in der Wiener Innenstadt scharf. Er verfolge die Situation mit „äußerster Sorge“, sagte der UN-Chef nach einer Mitteilung in der Nacht zum Dienstag in New York. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf Deutsch auf Twitter: „Nach Frankreich ist es ein befreundetes Land, das angegriffen wird. Dies ist unser Europa. Unsere Feinde müssen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Wir werden nicht nachgeben.“ In Frankreich hatte es in den vergangenen Wochen drei Anschläge gegeben, die Ermittler gehen jeweils von einem extremistischen Hintergrund aus.

dpa