Österreich: Anwalt wirft Polizei Pushback von minderjährigem Somalier vor (Symbolbild) (dpa)
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Erneut soll ein schutzsuchender minderjähriger Somalier an der Grenze zu Österreich zurückgewiesen worden sein. Laut seinem Anwalt Clemens Lahner habe der 17-Jährige mehrfach um Asyl gebeten. Nun hat Lahner eine Maßnahmenbeschwerde wegen illegaler Zurückweisung beim Landesverwaltungsgericht Steiermark eingereicht, berichtet die österreichische Nachrichtenagentur „APA“.

Asylgesuch hätte Abschiebeschutz bewirken müssen

Der 17-jährige Amin aus Somalia habe auf English mehrmals „nachdrücklich“ und „ausreichend deutlich“ zu verstehen gegeben, in Österreich einen Asylantrag stellen zu wollen. Ein Abschiebeschutz hätte ihm deshalb zugestanden, erklärt der Wiener Anwalt Lahner. Amins Fall sei von der Initiative „Push-Back Alarm Austria“ sowie der „asylkoordination Österreich“ dokumentiert und nun öffentlich gemacht worden.

Am 25. Juli sei der Schutzsuchende in Bad Radkersburg aufgegriffen wurden. Während der Durchsuchung und des mehrstündigen Aufenthaltes in der Polizeidienststelle im Beisein von Beamten habe er das Wort Asyl („asylum“) ausgesprochen. Dennoch sei kein Verfahren zur Prüfung des Antrags eingeleitet worden. Auch habe die Befragung ohne Dolmetscher stattgefunden und die Dokumente seien nicht übersetzt worden. Damit sei laut Anwalt Lahner die Dokumentationspflicht verletzt worden.

Ähnlicher Fall betraf 2020 Marokkaner

Dem minderjährigen Somalier hätte laut Asylgesetz ein faktischer Abschiebeschutz gewährt werden müssen. Die Zurückweisung sei somit rechtswidrig gewesen. Das hätten Richter in einem ähnlichen Fall so beurteilt. 2020 wurde ein 21-jähriger Marokkaner ebenfalls in der Steiermark aufgegriffen. Nach wenigen Stunden sei er trotz klarer Bitte um Asyl nach Slowenien zurückgewiesen wurden.

Die zuständigen Richter hätten Anfang Juli entschieden, dass dies rechtswidrig war. Die Sicherheitsorgane hätten jedenfalls das „hörbare Verlangen nach Asyl“ wahrnehmen müssen. Laut Urteil wurde der junge Mann sowohl in seinem Recht auf Achtung der Menschenwürde – er musste sich unter anderem niederknien und vollständig entkleiden – als auch in seinem Recht auf ausreichende Dokumentation verletzt.

Die Richter hielten fest, dass es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Kettenabschiebungen über Slowenien und Kroatien nach Bosnien und Herzegowina handele. Diese Pushbacks würden demnach „in Österreich teilweise methodisch Anwendung finden“. Zurückweisungen an der Grenze ohne eine individuelle Prüfung des Schutzbedarfs – sogenannte Pushbacks – sind laut Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), Europäischer Menschenrechtskonvention (EMRK) und EU-Recht illegal.

Gibt es eine Weisung von oben?

Der Initiative „Push-Back Alarm Austria“ liegen nach eigenen Angaben derzeit etwa 15 ähnlich gelagerte Verdachtsfälle illegaler Zurückweisungen vor. Die Staatsanwaltschaft sei spätestens jetzt gefordert, zu klären, ob es „von ganz oben rechtswidrige Weisungen für eine illegale Push-Back-Route am Balkan gibt oder ob der Innenminister seinen Laden nicht unter Kontrolle hat“, forderte Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der „asylkoordination Österreich“.

Auch Stephanie Krisper, Neos-Sprecherin für Inneres, übte anlässlich des neuen Falles scharfe Kritik am Innenminister. Dieser interessiere sich „schlichtweg nicht dafür, welche menschenverachtende Methodik hier vonstattengeht, oder er sagt die Unwahrheit. Beides wäre absolut inakzeptabel“, erklärte sie am Montag. Es sei „eine Schande“, dass Menschen, die in Österreich um Asyl ansuchten, als „Abschreckungsbollwerk an den Grenzen missbraucht“ würden.

Das Innenministerium in Wien habe die Vorwürfe zunächst zurückgewiesen und erklärt, die Geflüchteten hätten keinen Asylantrag stellen wollen, später verwies man lediglich an die Landespolizeidienststelle Steiermark.

TRT Deutsch