Kinder werden mit Decken umwickelt, nachdem sie mit einem Boot die griechische Insel Lesbos erreicht haben.  (Reuters)
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Die „Koalition der Willigen“ zur Aufnahme minderjähriger Flüchtlinge aus Griechenland wächst. Beim Treffen der EU-Innenminister hätten weitere Länder Bereitschaft signalisiert oder dies in Erwägung gezogen, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Freitag in Brüssel. Auf ein gemeinsames Vorgehen können sich die 27 Staaten allerdings weiterhin nicht einigen. Einige Staaten lehnten den Vorstoß, Kinder und Jugendliche aus den völlig überfüllten Lagern auf den griechischen Ägäis-Inseln zu holen, vehement ab. Auch die Ausbreitung des Coronavirus könnte das Vorhaben noch erschweren.
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hatte am Vortag angekündigt, dass es eine „Koalition der Willigen“ aus sieben Staaten gebe. Diese wollten Griechenland insgesamt mindestens 1.600 unbegleitete minderjährige Migranten und andere Flüchtlinge abnehmen. Neben Deutschland gehören Frankreich, Irland, Finnland, Portugal, Luxemburg und Kroatien dazu. Am Freitag hieß es in Brüssel, auch Bulgarien habe Bereitschaft gezeigt. Dies gelte auch für Italien - sobald sich die Krise um das Coronavirus entspannt habe.
Aktuell leben nach Angaben des griechischen Bürgerschutzministeriums mehr als 42.500 Migranten auf Lesbos, Samos, Kos, Leros und Chios - dabei liegt die Kapazität eigentlich bei rund 6.000 Plätzen. Nach Angaben der EU-Kommission sind rund 5.500 von ihnen unbegleitete Minderjährige. Neun von zehn seien 14 Jahre alt oder älter, hieß es unter Berufung auf griechische Behörden. Griechenland hatte die anderen EU-Staaten schon im Herbst um Hilfe gebeten.
Johansson sagte, nun gebe es ein gewisses Momentum. Luxemburg, das die Aufnahme von zehn unbegleiteten Minderjährigen angekündigt hatte, wolle die ersten Personen schon kommende Woche umsiedeln. Aber für jedes Land brauche es einen maßgeschneiderten Ansatz, der auch die Auswahlkriterien der jeweiligen Staaten berücksichtige - etwa das Alter oder die Sprache.
Mindestens 1.600 Kinder und Jugendliche sollten umgesiedelt werden, sagte Johansson. Mit einigen Staaten sei man noch im Gespräch. Zuvor müsse sichergestellt werden, ob es bestimmte Maßnahmen braucht, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern.
EU-Konferenz im Mai geplant
Deutschland und Frankreich dürften die meisten Kinder und Jugendlichen aus den Camps aufnehmen - wohl jeweils mehrere Hundert. Für die Bundesregierung hat die Aufnahme von kranken Kindern mit ihren Familien Priorität. Anschließend sollen unbegleitete Minderjährige - bestenfalls Mädchen unter 14 Jahren - berücksichtigt werden. Einige EU-Staaten, die keine Menschen aufnehmen wollten, wollten andere Formen der Unterstützung zeigen, sagte Johansson. Bei einer EU-Konferenz im Mai soll weitere Hilfe für jene Jugendliche zusammengetragen werden, die in Griechenland bleiben.
„Die Niederlande sind bereit, Griechenland jede Unterstützung zu geben, die es braucht“, sagte am Freitag etwa die niederländische Migrationsministerin Ankie Broekers-Knol. „Aber wir sind nicht bereit, Kinder zu übernehmen.“ Luxemburgs Minister Jean Asselborn warb hingegen erneut für die Übernahme der Minderjährigen: „Ich glaube, dass wir Griechenland damit auch helfen können.“ Er hoffe, dass die Bemühungen nicht durch das Coronavirus gestoppt würden. Kroatiens Innenminister Davor Bozinovic betonte, man müsse die Ausbreitung des Coronavirus beim weiteren Vorgehen berücksichtigen.
Am griechisch-türkischen Grenzübergang bei Kastanies/Pazarkule herrschte am Freitagmorgen Ruhe. Am Vorabend hatten abermals zahlreiche Flüchtlinge von der türkischen Seite aus versucht, einen Grenzzaun auf der griechischen Seite zu durchbrechen, um nach Griechenland und damit in die EU zu kommen. Hunderte Frontex-Einsatzkräfte nahmen derweil ihre Arbeit entlang der Landgrenze auf, wie die EU-Grenzschutzagentur mitteilte.
Auf der griechischen Insel Lesbos kamen derweil wieder deutlich mehr Menschen an als zuletzt. An Bord von zwei Booten kamen nach Berichten des staatlichen Fernsehens Griechenlands (ERT) 75 Menschen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte am 7. März angeordnet, dass die türkische Küstenwache die Überfahrten stoppt. Seitdem hatten bis Freitagmorgen kaum Migranten die Meerengen zwischen der türkischen Küste und den griechischen Inseln überquert.

dpa