Proteste gegen rassistische Polizeigewalt in den USA (dpa)
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Das große Land jenseits des Atlantiks hat derzeit mit einer doppelten Krise zu kämpfen. Die Corona-Pandemie forderte in den USA schon über 100.000 Tote. Des Weiteren grassiert durch das Virus eine Massenarbeitslosigkeit. Mehr als 41 Millionen Amerikaner sind derzeit arbeitslos. Die großen Zeitungen attestieren dem Land bereits „ein Jahr des nationalen Traumas“. Als ob dies nicht genug wäre, kämpfen die USA jetzt auch noch mit brennenden Städten und ausartender Gewalt. Viele Orte haben nach den zum Teil gewalttätigen Protesten und Plünderungen Ausgangsverbote verhängt. Grund für die Unruhen ist der Tod des 46-jährigen Afroamerikaners George Floyd durch brutale Polizeigewalt in Minneapolis. Die abscheuliche Tat, so bitter sich das anhört, kam nicht überraschend. Derartige Taten haben leider eine traurige und lange Tradition in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Afroamerikaner überdurchschnittlich betroffen

Dass die Zahl von „Schwarzen“, die von Polizisten getötet werden, gerade in den Vereinigten Staaten überdurchschnittlich hoch ist, ist offenkundig. Eine seriöse Datenbank aus den USA Dokumentiert solche Opfer in den verschiedenen US-Bundesstaaten seit dem Jahr 2000. Dabei fällt auf, dass die meisten Toten in Kalifornien (4519) und Texas (2483) zu beklagen sind. Die Gesamtzahl beläuft sich derzeit auf fast 30.000, wovon etwa 8000 Afroamerikaner sind. Etwa 5000 durch Polizeigewalt verstorbene Menschen gehören der Gruppe der „Hispanic“ an. Menschen aus dieser Gruppe besitzen lateinamerikanische Wurzeln. Gleichzeitig wurden aber auch 13.500 „Weiße“ europäischen Ursprungs durch die Polizei getötet. Bis Ende Mai zählte die Seite über 800 neue Fälle – und zwar nur für dieses Jahr.

Andere Statistiken verdeutlichen zudem, dass die Afroamerikaner, die nur 13 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, dennoch mit über 26 Prozent überdurchschnittlich hoch von tödlicher Polizeigewalt betroffenen sind. Auch während der Corona-Pandemie spiegelt sich diese Ungerechtigkeit wider. An der Krankheit sind in den USA dreimal so viele „Schwarze“ umgekommen wie „Weiße“. 50,3 Prozent der Personen, die in den USA durch das Virus gestorben sind, hatten afrikanische Wurzeln. Die Afroamerikaner sind überproportional von Armut betroffen. Der amerikanische Traum, dass man es mit harter Arbeit „vom Tellerwäscher zum Millionär“ schaffen kann, verkommt durch Armutssorgen, kollektive Unzufriedenheit und bürgerkriegsähnliche Zustände immer mehr zu einem Albtraum.

Terror und Zerstörungswut erschüttern USA

Der schreckliche Todesfall von Floyd wird bedauerlicherweise von manchen Gruppen zum Anlass für teilweise gewalttätige Demonstrationen und Randale missbraucht. Plünderungen, blinde Zerstörungswut und Brandstiftung dürfen jedoch keine Antwort auf diese abscheuliche Tat sein. Demonstrationen werden zum Teil von Linksextremisten unterwandert. Will man einen gerechten Protest einer nun ausartenden Gewalt opfern?

Terroristen oder Aktivisten?

Die Unruhestifter beim G20-Gipfel in Hamburg 2017 wurden damals richtigerweise von vielen als „Chaoten“, „Kriminelle“ oder „Randalierer“ bezeichnet. Einige hochrangige Politiker und Kabinettsmitglieder nannten sie sogar „Terroristen“. Wie sieht es aber aus, wenn diese sogenannten Terroristen in Ländern wie z.B. in der Türkei, der Ukraine, Venezuela, Iran oder Brasilien marodierend durch Straßen und Stadtteile ziehen und ihrer Zerstörungswut freien Lauf lassen? Werden sie dann auch als das bezeichnet, was sie sind, nämlich „Terroristen“? Oder sprechen viele unserer Politiker und Journalisten dann von „friedlichen Aktivisten“ oder „Bürgern, die Gerechtigkeit und Freiheit einfordern“? Auf der einen Seite erhalten die Beamten, die unsere Sicherheit gewährleisten, Dank und Anerkennung für ihren „heldenhaften Einsatz“. Auf der anderen Seite jedoch werden genau solche Beamte als „brutale Polizisten“ und „Handlanger des Regimes“ gebrandmarkt, wenn sie die öffentliche Ordnung wahren. Wo bleibt da die Glaubwürdigkeit? Wieso unterscheiden viele von uns immer noch zwischen „guten Terroristen und bösen Terroristen“ oder zwischen „guten Plünderern und bösen Plünderern“?

Doppelmoral durch und durch

Die sogenannten Gezi-Proteste in Istanbul 2013 sind ein gutes Beispiel für unsere Doppelmoral. Unsere Medien haben vor fast genau sieben Jahren wochenlang über die „Volksaufstände“, wie sie die Unruhen euphemistisch nannten, berichtet. Politiker aller Parteien haben die Türkei mit Belehrungen in punkto Rechtsstaatlichkeit überhäuft. Einige sind sogar selbst zu den gewalttätigen Protesten gereist, um sich mit den Randalierern zu solidarisieren und der Welt zu demonstrieren, wie schlimm doch die „Polizeibrutalität“ beim EU-Beitrittskandidaten sei.

Gewaltmonopol liegt beim Staat

Natürlich haben die Menschen ein Recht auf friedliche Demonstrationen. Gerade wenn sich die Empörung gegen den latenten Rassismus richtet, der zu den Ursünden der USA zählt. Gewalt ist allerdings nicht hinnehmbar. In demokratischen Gesellschaftssystemen liegt das Gewaltmonopol beim Staat und seinen Vollzugsorganen. Wenn Demonstranten Gewalt gegen die Polizei anwenden, öffentliche Einrichtungen oder Privatbesitz zerstören und in Brand setzen, müssen sie mit einer Gegenreaktion rechnen. „Die Freiheit des Einzelnen hört dort auf, wo die Freiheit des Anderen beginnt.“ Dieses Credo sollte eigentlich allen (gewalttätigen) Demonstranten ein Begriff sein. Bei den derzeitigen Ausschreitungen in den USA werden täglich Menschen und Sicherheitsbeamte verletzt. Die Schäden an öffentlichen Gütern sind kaum zu beziffern. Auch bei den G20-Demonstrationen in Hamburg erlitten fast 500 Beamte zum Teil schwere Verletzungen. Es entstanden hohe Sachschäden durch Brandstiftungen und Plünderungen. Die Gezi-Proteste führten zudem zu einem erheblichen Nachteil für die Allgemeinheit. Gewalt gehört auf keine Demonstration. Und das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Sowohl in Minneapolis als auch in Washington, New York, São Paulo, Hamburg, Berlin oder Istanbul.

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