SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (dpa)
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Weder die Wahl von neuen Parteivorsitzenden noch die Beteiligung an den Koalitionsregierungen mit der CDU/CSU haben seit 2013 dazu beigetragen, die SPD aus dem Umfragetief zu befreien. Auch während der Corona-Krise konnte die SPD im Gegensatz zu den Unionsparteien keinen höheren Zuspruch einfahren. Nun gelang es aber dem SPD-Parteivorstand sowie dem Parteipräsidium, sich auf Vorschlag der Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans einstimmig auf einen Kanzlerkandidaten zu einigen. Die Sozialdemokraten nominierten kürzlich Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz - der gegenwärtig als beliebtester SPD-Politiker gilt - als SPD-Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl im Herbst 2021.

Die SPD ist somit die erste der im Bundestag vertretenen Parteien, die sich bereits jetzt für einen Spitzenkandidaten entschieden hat. Und obwohl manche Parteien den Zeitpunkt als zu früh kritisierten und höchstwahrscheinlich noch mit der Festlegung ihrer Kanzlerkandidaten warten werden: Das Zögern kann auch Nachteile mit sich bringen. Denn aufgrund der Corona-Krise und der entsprechenden Umstände ist es durchaus möglich, dass bereits 13 Monate vor der Bundestagswahl der Startschuss für den Wahlkampf gegeben wird. Dementsprechend würde die Öffentlichkeit ihre Aufmerksamkeit und Interesse lediglich dem bekannten SPD-Kanzlerkandidaten widmen. Wann und wie die CDU/CSU und Grünen nachziehen werden, bleibt unklar.

Seit einiger Zeit wird im politischen Berlin bereits zugegeben, dass Scholz aufgrund seiner erfolgreichen Arbeit – oder gar als Krisenmanager – während der Corona-Krise nun noch größere Beliebtheit innerhalb der Bevölkerung genieße. Somit erschien es für manche wahrscheinlich, dass Scholz als Spitzenkandidat in Frage kommen würde. Dennoch wurde die Entscheidung der SPD-Spitze unterschiedlich aufgenommen. Während die Mehrheit der SPD-Politiker dem Kanzlerkandidaten Scholz ihre Unterstützung offiziell aussprach, wurde am Rande auch Kritik deutlich. So wurde darauf hingewiesen, dass es schwierig sein werde, Gemeinsamkeiten zwischen der links-orientierten Parteispitze und dem eher konservativen Lager zugeschriebenen Scholz zu finden. Ähnlich äußerten sich Unionspolitiker, aber auch Vertreter der Oppositionsparteien, die die Strategie der Sozialdemokraten als widersprüchlich, orientierungslos und sogar als „rätselhaft“ bezeichneten. FDP-Vorsitzender Christian Lindner meinte beispielsweise, dass man gestern ein grünes Licht bezüglich einer zukünftigen Koalition mit den Linken und Grünen gegeben habe, heute wiederum Scholz als Kanzlerkandidaten bestimme, der aber eher dem rechten Spektrum der SPD angehöre. Ähnlich wurde kritisch hinterfragt, wie ein linkes SPD-Programm, mit dem Ziel eine Koalition bestehend aus Grünen-SPD-Linke zu bilden, mit Scholz zu vereinbaren wäre.

Die SPD hatte in der Vergangenheit ähnliche Entscheidungen bei der Nominierung ihrer früheren Kanzlerkandidaten getroffen. So wurde mit großer Hoffnung eine Befreiung aus dem Umfragetief und eine Überwindung der internen Spaltung erwartet. Ungeachtet der Tatsache, dass die SPD seit 2013 an der GroKo beteiligt ist, kann von keinem Durchbruch für die Partei gesprochen werden.

Den damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück (2013) und Martin Schulz (2017) gelang es nicht, sich gegen Bundeskanzlerin und damals CDU-Vorsitzende Angela Merkel durchzusetzen. Ob es diesmal anders enden wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab: allen voran der Corona-Krise, die womöglich auch 2021 nicht enden wird.

Umso schwieriger wurde es für die SPD, als nach der Bundestagswahl im Herbst 2017 der damalige SPD-Vorsitzende Martin Schulz zurücktrat und darauffolgend Andrea Nahles als erste Frau an die SPD-Spitze gewählt wurde. Auch Nahles trat nach einigen Monaten als Partei- und Fraktionsvorsitzende zurück. Grund waren die schlechten Ergebnisse bei der Europawahl und die stets schwachen Umfragewerte ihrer Partei. Anschließend wagten die Sozialdemokraten einen neuen Weg bei der Suche nach ihrer Parteispitze. So ließ man alle SPD-Mitglieder darüber entscheiden, wer fortan die Partei im Format als „Duo“ führen wird. Letzten Endes konnte sich nach einem mehrere Monate andauernden Wahlprozess die aktuelle SPD-Spitze bestehend aus Walter-Borjans und Esken durchsetzen. Es war interessant zu beobachten, dass obwohl der eher konservativ geltende Scholz als Favorit angesehen wurde, die SPD-Mitglieder sich am Ende doch für den sogenannten linken Flügel entschieden.

Auch nach der Wahl von Walter-Borjans und Esken kam es für die SPD bei den Umfragen nicht zu einem erhofften Aufschwung. Auf die Frage, weshalb die Parteispitze sich aber nun für einen Vertreter des konservativen Parteiflügels entschieden hat, wird zunächst auf die momentane Beliebtheit des Vizekanzlers hingewiesen. „Wen hätte man sonst nominieren sollen. Theoretisch wären Ministerpräsidenten gegangen, erfolgreiche. Die haben alle abgewinkt und danach ist aus meiner Sicht eine vergleichsweise große Leere“, heißt es zudem seitens des Co-Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch. Ihm zufolge besteht nun auch die Möglichkeit, dass mit Scholz Stimmen bei der Union und Grünen gewonnen werden könnten. Ob die Wählerinnen und Wähler dieser Doppelstrategie Erfolg zutrauen, bleibt ein Rätsel.

Trotz Niederlage bei der Wahl zur SPD-Spitze konnte sich Scholz, der sich bis dato als Corona-Krisenmanager bewiesen hat, nun als SPD-Kanzlerkandidat durchsetzen. Trotz des Vorteils, dass die SPD-Spitze und SPD-Bundesminister ihn unterstützen, wird es dennoch für die ohnehin gespaltene SPD nicht einfach werden, die Wählerinnen und Wähler lediglich aufgrund der positiven Corona-Performance von Scholz zu überzeugen. Obwohl Scholz seit längerem ein gutes Ansehen bei der Bevölkerung genießt, kann nicht vorausgesagt werden, ob dies zur Lösung struktureller Probleme der SPD reichen wird. Denn während sich die Parteispitze bereits jetzt immer öfter für ein Bündnis bestehend aus Rot-Rot-Grün ausspricht, ist erkennbar, dass Scholz dem eher skeptisch gegenübersteht.

Auch ist zu betonen, dass für 2021 Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen-Anhalt vorgesehen sind. Aufgrund schlechter Ergebnisse bei der Europawahl und mangelndem Rückhalt innerhalb der Partei war Partei- und Fraktionsvorsitzende Nahles im Juni 2019 zurückgetreten. Doch würde diesmal jemand das Handtuch werfen, sofern es bei den bevorstehenden vier Landtagswahlen ebenfalls zu Misserfolgen kommen sollte? Falls ja, wer?

Ebenfalls bleibt offen, welchen weiteren Verlauf die Corona-Pandemie einnehmen wird. Momentan ist es unklar, ob die deutsche Wirtschaft für das nächste Jahr weitere Herausforderungen zu befürchten hat. Damit verbunden ist auch unklar, ob Scholz als Vizekanzler und Bundesfinanzminister weiterhin Zuspruch erfahren wird und ob es ausreichen wird, seiner Partei „deutlich über 20 Prozent“ der Wählerstimmen zu bringen. Dies sind weitere potentielle Faktoren, die die Zukunft der SPD wesentlich bestimmen werden.

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