Ukraine-Flüchtlinge: FDP fordert Reform des europäischen Asylsystems (AFP)
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Russlands Offensive auf die Ukraine, die am 24. Februar mit einem Luftangriff begann, dauert immer noch an. Neben den sonstigen verheerenden Auswirkungen auf das gesamte Land mussten bereits 13 der 41,3 Millionen Einwohner der Ukraine ihre Zuhause verlassen. Mehr als 7,2 Millionen Flüchtlinge suchten Schutz in verschiedenen Regionen, insbesondere in den angrenzenden Nachbarländern.

Fast fünf Millionen Ukrainer, also die überwiegende Mehrheit, sind in EU-Länder geflohen. Noch ist nicht abzusehen, wie lange diese Situation noch andauern und in welchem ​​Umfang sie voranschreiten wird. Die anhaltende Ungewissheit verschlimmert auch die humanitäre Situation. Darüber hinaus ist abzusehen, dass dieser Flüchtlingsstrom die EU-Staaten auch wirtschaftlich belasten wird. Schätzungen gehen davon aus, dass dessen Kosten etwa 40 Milliarden Euro erreichen werden. Die infolge des Kriegsgeschehens zunehmenden Flüchtlingsbewegungen innerhalb der Ukraine und die daraus resultierende steigende Zahl von Asylsuchenden in den angrenzenden Nachbarländern verschärfen die Tragödie.

Deutschlands Flüchtlingsmanagement

Das Thema Flucht stand in Deutschland zuletzt 2015 angesichts der Massenflucht von Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten, insbesondere aus Syrien, auf der Tagesordnung, und das Land entschied sich für eine kurze Zeitspanne für eine Politik der offenen Türen. In der deutschen politischen Landschaft führte dies nach 2015 zu einem flüchtlingsfeindlichen Diskurs und bestimmte die Agenda rechtsextremer politischer Parteien.

Diese Situation wirkte sich ebenso auf das gesamte innenpolitische Gefüge Deutschlands aus und führte zur Erosion bei den Parteien der politischen Mitte. Mit der Invasion Russlands in der Ukraine sah sich Deutschland dieses Mal mit einer Flüchtlingswelle aus einer unmittelbar angrenzenden Region konfrontiert, wie bereits bei den Flüchtlingen, die in den 1990er Jahren vor dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien flohen. Während des Bürgerkriegs suchte damals etwa eine halbe Million Menschen Zuflucht in Deutschland.

Viele von jenen, die kamen, sind nach dem Krieg in ihre Länder zurückgekehrt. In diesem Sinne sieht sich Deutschland nach dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien und der Massenflucht 2015 erneut mit einer Flüchtlingswelle konfrontiert. Nur ist dieses Mal der Zustrom von Migranten sowohl im Hinblick auf die Zahl als auch auf die emotionale Nähe anders. Und wieder kommt Deutschland als treibender Kraft Europas hierbei eine wichtige Rolle zu.

Deutschland steht vor der größten Flüchtlingswelle nach 2015

Der deutsche Staat will naturgemäß wissen, wer ins Land kommt. Deshalb müssen Flüchtlinge in Deutschland eine Identitätsprüfung inklusive biometrischem Foto und Fingerabdruck durchlaufen, was relativ lange Zeit in Anspruch nehmen kann. In der aktuellen Krise gab es unisono Forderungen, die Verfahren in Deutschland zu vereinfachen und die Umsetzung zu beschleunigen. Außerdem haben Ukrainer im Gegensatz zu Syrern vielfach Verwandte oder Freunde in Europa, was für ihre Unterbringung einen Vorteil darstellt.

Die Frage bleibt, ob Deutschland die Flüchtlinge auf die Bundesländer verteilen wird oder etwa wie 2015 auf Verteilzentren setzt. Dies ist noch nicht klar. Letztlich war man noch 2015 daran gescheitert, die Flüchtlinge auf alle EU-Staaten zu verteilen. Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, sagte jetzt: „Europa steht denen bei, die jetzt Schutz brauchen. Wir werden jedem Schutz bieten, der vor Russlands Bomben flieht, und denen helfen, die einen sicheren Weg suchen“, und fügte hinzu, dass es keine Andersbehandlung geben werde.

Entsprechend schlug sie in diesem Zusammenhang vor, diese Flüchtlinge, unabhängig davon, ob es sich um ukrainische Staatsbürger handelt oder nicht, in der gesamten EU aufzunehmen. Auch Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern, unterstrich jüngst die Notwendigkeit, ukrainischen Flüchtlingen schnell und unbürokratisch zu helfen. Sie bekräftigte dabei ihre Unterstützung für ukrainische Flüchtlinge und kündigte an, dass das reguläre Verfahren nicht zur Anwendung kommen werde und die Menschen stattdessen sofort für bis zu drei Jahre geschützt werden sollten.

Der Bewertung der internationalen Gemeinschaft im Hinblick auf die aktuelle Flüchtlingspolitik ist positiv

Das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen erklärte, dass die Solidarität in den Aufnahmestaaten beispiellos sei. Entsprechend wurde gewürdigt, dass die EU-Mitgliedstaaten die Richtlinie für die Gewährung eines vorübergehenden Schutzes schnell aktiviert und Maßnahmen ergriffen haben, um sicherzustellen, dass Flüchtlinge aus der Ukraine Zugang zu Leistungen und Schutzmaßnahmen haben.

Entsprechend erhalten sie einen vorübergehenden Schutzstatus, ohne in der Bürokratie von Einzelfallprüfungen festzustecken. So können sie ohne Visum einreisen und werden ohne Asylverfahren direkt als Flüchtlinge anerkannt. Ebenso können ukrainische Geflüchtete ihre schulischen und beruflichen Abschlüsse für eine zügige Teilhabe am Arbeitsmarkt, anerkennen lassen. Damit können diese Menschen praktisch schon vom ersten Tag an leben, wo sie wollen, ihre Kinder sofort zur Schule schicken und arbeiten, wenn sie eine Anstellung finden, statt sich jahrelang mit Asylverfahren zu befassen oder gar in Massenunterkünften untergebracht zu werden.

Im Vergleich dazu mussten sich die syrischen Flüchtlinge in der Europäischen Union einem langfristigen Prozedere mit Einzelfallprüfung vor Gewährung eines temporären Schutzstatus unterwerfen. Darüber hinaus wurde eine Politik umgesetzt, die darauf abzielte, Syrer mit dem Endziel Europa mittels Finanzhilfen möglichst in Türkiye zu halten. So gesehen drängt sich die Frage auf, warum die jetzige Praxis nicht auch bei Syrern zum Zuge kam. Gleiches gilt für Afghanen, die aufgrund des endlosen Kriegs und der Zerstörung im Land von dort geflohen waren.

Europas Solidarität mit den ukrainischen Flüchtlingen

Europa war zu unterschiedlichen Zeiten mit gewollten Migrations- und auch Flüchtlingswellen konfrontiert. Länder, die demokratisch verfasst sind und sich internationalen Menschenrechtsabkommen unterworfen haben, sind verpflichtet, entsprechende Asylverfahren in der nationalen Gesetzgebung zu verankern. In dieser Hinsicht verfestigen unterschiedliche Regelwerke je nach regionaler und ethnischer Identität der Flüchtlinge eine Wahrnehmung von Doppelstandards bei der Auseinandersetzung mit humanitären Katastrophen und der Verletzung internationalen Rechts.

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